Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 15.03.2010

Fahndung nach verschwundenen Millionen: Die Millionenfalle, Teil 28

Eine Powerpoint-Präsentation soll den Betrachter überzeugen. Meist verführt sie aber nur. Rhetorik, charmante Gesten oder eine imponierende Homepage dienen ebenfalls dem großen Schein. Wer ihm erliegt, wacht später oft ernüchtert auf und manchmal zu spät. Die Stadt Bonn schaute nicht hinter die Kulissen jener Bühne, auf der Man-Ki Kim, Gesandter der SMI Hyundai Corporation aus Reston/Virginia (USA), seine Märchenstunden über das World Conference Center Bonn (WCCB) abhielt. Manches erinnert an das nicht minder luftige Treiben um den Erlebnispark am Nürburgring, wo Politiker zunächst glaubten, sie hätten es mit einem Emissär des Chemieriesen DuPont zu tun. In Bonn hieß die Wahrnehmungsstörung "Hyundai-Kia", ein Autoriese, für den so ein WCCB doch ein Fall für die Portokasse sein müsste.

Als die Bonner Stadtspitze noch nicht im Tal der Tränen saß, sondern noch akribisch Kims Sprachformeln nachbetete, hatte Bauchef Young-Ho Hong einen denkwürdigen Auftritt vor dem Bonner Stadtrat. Nachdem den Volksvertretern am 12. April 2009 mit einer Art Gehirnwäsche erklärt worden war, warum das WCCB nun 60 Millionen mehr kostet, trat Hong ans Mikrofon: "Seien Sie froh, dass das Projekt bei mir gelandet ist, sonst wäre es noch teurer geworden." Einige Anwesende sollen damals amüsiert geklatscht haben. Die Ratsmitglieder hatten Ende 2005 eine Kongressanlage nebst 352-Zimmerhotel für 139 Millionen Euro beschlossen. Nun wurde ihnen erklärt, weil sie damals nur 185 Zimmer bestellt hätten, aber jetzt mehr Zimmer gebaut werden, würde allein das Millionen mehr kosten. Eine abenteuerliche Geschichte.

Doch spätestens mit der Insolvenz dreier GmbHs, allesamt mit dem Werden des WCCB beschäftigt, machte es ab September 2009 keinen Sinn mehr, Blendmunition zu verschießen. Die Mühlen der Staatsanwaltschaft hatten längst begonnen zu mahlen, und ein Großteil der WCCB-Retter und -Macher saß bald hinter Gittern, was manchem Geständnis auf die Sprünge half.

Der enorme Millionendurst der Baustelle ist damit jedoch nicht erklärt. Vor allem nicht: Wer hat wen, wie es im Milieu zwischen Kran und Betonmischer heißt, mit wie viel geschmiert? So unverblümt darf heute gefragt werden. Denn seit einigen Tagen weiß Bonn per Leistungsfeststellungsbericht des Insolvenzverwalters Christopher Seagon, dass im Bau rund 136 Millionen stecken, wovon erst 129 Millionen bezahlt sind. Inklusive dubioser Beraterhonorare, was das Vertrauen in die Bausubstanz nicht gerade erhöht. Gleichzeitig ist die Baukasse mehr oder weniger leer. Wie viel da drin war? Selbst das ist ein Mysterium. Gesichert sind - siehe Grafik - 157,4 Millionen Euro, es können aber auch zwölf Millionen mehr gewesen sein. Darüber rätseln inzwischen viele, die sich von Amts wegen durch die Akten wühlen. Direktes Nachfragen bringt jedoch nur vage Antworten. Es könnte sein, dass die Stadt auch für fehlendes Kim-Eigenkapital bürgt. Da es sich um eine Bürgschaft ohne den Segen des Stadtrats handeln würde, birgt die Spekulation erhebliche Brisanz.

Einstweilen zählt "157,4 minus 129". Wo sind die 28,4 Millionen Euro hin? Und mit welch spitzfindigen Ideen und Buchungstricks haben Kim & Co. Lecks für das Steuerzahlergeld geschaffen? Ende November 2009 hatte der GA nach langen Recherchen in der "Millionenfalle 21" den Libyen-Faktor identifiziert: Kim wollte dort - parallel zum WCCB - am Rande der Sahara 25 000 Wohneinheiten errichten. Nach GA-Informationen wurden auch Bonner Gelder buchstäblich in den saharischen Sand gesetzt. Wie das gesamte Libyen-Projekt Kims.

Das SMI-Hyundai-Corporation-System konzentriert sich weltweit auf öffentliche Großbauprojekte. Erst orten Adler mit Steuermillionen gefüllte Projekte, dann kommen Tiger, um sie zu erbeuten, schließlich werden die Löwen losgelassen, um die Beute zu zerlegen. Ein gewisser Dr. Ha-S. C., SMI-Rechtsanwalt, hat das Journalisten auf der Immobilienmesse MIPIM 2006 in Cannes einmal so anschaulich erzählt. Dr. Ha-S. C. saß ebenfalls in U-Haft und ist nur gegen Kaution wieder auf freiem Fuß.

Ganz konkret hat Insolvenzverwalter Seagon nun eine Spur gefunden. In seinem Bulletin zu Hongs Baufirma SMI Hyundai Europe beschreibt er das Baukassenleck in nüchterner Diktion.

Darlehen an

  • SMI Hyundai Dubai in Höhe von 535 267,73 Euro
  • die UNCC GmbH von 59 420,48 Euro
  • die SMI-Hyundai-Corporation-Zentrale in Reston/USA von 329 792,27 Euro
  • Kim von 57 629,88 Euro.

Neben Finanzamtsschulden von rund 3,5 Millionen Euro fand Seagon auch Lastschriften von rund 3,4 Millionen Euro, "die die Insolvenzschuldnerin weder explizit noch aufgrund von AGBs genehmigt hatte". Seagon widerrief und holte sich zumindest dieses Geld zurück. Bei den Darlehen wurden hier und dort Beträge in symbolischer Höhe zurückbezahlt. Mehr nicht. Eine Baufirma als Kreditgeber, die zudem keinen Ehrgeiz zeigte, dass - zum Schein? - Rückzahlungsfristen eingehalten wurden. Was steckt dahinter?

Das beantwortet indirekt Insolvenzbericht Nummer zwei, der zur UNCC. Sie wird von Seagon als "maßgebliches Investitionsvehikel" bezeichnet. Dort machte man sich offenbar gar nicht erst die Mühe, mit getürkten Rechnungen oder Darlehen illegale Geldentnahmen zu verschleiern. "In der Buchhaltung fällt auf, dass die Geschäftsvorfälle bei der Schuldnerin nicht ordnungsgemäß abgebildet sind." Eine vornehme Umschreibung für den Fakt, dass eine Buchhaltung faktisch nicht existierte - und das in einer GmbH, die das WCCB bauen sollte und durch die nicht weniger als 157 Millionen binnen 36 Monaten flossen. Der letzte Jahresabschluss stammt von 2007. Es wimmelt nur so vor Durchgangs- und Verrechnungskonten, sodass "Transaktionen keinem Geschäftspartner zugeordnet sind". Nach GA-Informationen liefen in der UNCC die Schredder. Folge: Kontoauszüge fehlen, in den Buchungen klaffen große Lücken.

Das verstärkt den von Anfang an in der "Millionenfalle" geäußerten Verdacht, dass der SMI-Hyundai-Masterplan für Bonn nur ein Ziel hatte: Die "fette Made" in Form von Steuermillionen filetieren und einen Teil fernab von Beton und Stahl in eigene Taschen abzweigen und davon wiederum einen Teil für jene, die den Weg dafür bereitet hatten, damit SMI Hyundai überhaupt als "Investor" über die Ziellinie geschubst werden konnte. Nicht nur das: Das Bauvolumen wurde in die Höhe getrieben, die "fette Made" weiter gemästet, um die Filetiermasse zu erhöhen. Der "unabhängige" Stadt-Berater Michael Thielbeer, einst nach GA-Informationen von der Deutschen Bank "unehrenhaft entlassen", hatte zunächst den Rückenwind für SMI Hyundai produziert. Später wechselte er - Thielbeer: "Mit Kenntnis der Stadt" - zu seinen eigentlichen SMI-Brötchengebern.

Bald war er gemeinsam mit Matthias Schultze Geschäftsführer der Betreibergesellschaft WCCB GmbH, die immer neue Umbauten für das WCCB wünschte, um das Ganze später "wirtschaftlicher" betreiben zu können. Wünsche und Argumente, die Bonns Stadtspitze nachbetete und die Baukostenexplosion mit einer weiteren Bürgschaft für zusätzliche Kredite goutierte. Mehr Bauvolumen und -kosten bedeuteten vor allem "mehr Wirtschaftlichkeit" für SMI Hyundai: mehr Masse zum Zweckentfremden.

Indes ist das Rennen um die Millionen gelaufen. Für die Stadt Bonn bedeutet "Kim/Hyundai" inzwischen das Scharnier vom Traum zum Albtraum. Für redliche deutsche Mittelständler, die eine GmbH betreiben, und Kommunalpolitiker, die nur das Beste wollen, ist die Vorstellung, dass Firmen gegründet werden, nur um dort zwischengelagerte öffentliche Millionen zu plündern, absurd. Doch beim WCCB erscheint die Insolvenzserie heute als Schlusspunkt eines ausgeklügelten Masterplans: Darlehen, die nicht zurückbezahlt werden müssen, werden so zu eleganten Instrumenten, um Geld dorthin zu treiben, wofür es nicht gedacht war.

Nun wartet der Bonner Steuerzahler auf Aufklärung. Wer außer den bekannten Verdächtigen hat noch von dem Masterplan profitiert? Kontoauszüge, die durch den Schredder laufen, sind nicht ganz aus der Welt. Man kann sie bei der Bank nachordern. Aber wie lief das Geld von Dubai oder Reston weiter? Vielleicht auch zurück nach Bonn? Das dürfte Seagon weniger interessieren als die Staatsanwaltschaft.

Unterdessen verrät der Blick über den großen Teich nach Reston/USA aufgeräumtes "Business as usual". Auf der Homepage von SMI Hyundai geht die Show weiter. Nur Erfolge. Die Startseite berichtet: Bundeskanzlerin Angela Merkel und 120 (!) Minister aus aller Welt treffen sich im Dunstkreis des WCCB. Die Meldung ist schon etwas älter, aber was soll's? Der neue Chairman hat zumindest einen Namen, der mehr wirtschaftliche Potenz verspricht als einst Man-Ki Kim: H.R.H Prince Khaled Bin Alwaleed Bin Talal Bin Abdul Aziz al Saud. Der Neffe von König Abdullah ist ein Mitglied des saudischen Königshauses. Der Prinz steht, so das Wirtschaftsmagazin "Forbes", auf Rang 19 im jüngsten Ranking der reichsten Männer der Welt - und ist nach dem Time-Magazine der "arabische Warren Buffett". Also ein Investor, der für 40 Millionen Euro Eigenkapital, wie beim WCCB gefordert, vermutlich nicht bettelnd durch die Welt ziehen müsste. Aber man kann die Uhr nicht zurückdrehen. Und die Vorstellung, dass ein saudischer Prinz im Namen von Hyundai Wort gehalten hätte, könnte trügen.

Prinz Khaled Bin Alwaleed berichtet zur Jahreswende von den Europa-Geschäften, wobei das WCCB in Bonn das einzige ist. Das Projekt würde gerade "reorganisiert" und "refinanziert" und sei in die Schlagzeilen der lokalen Presse geraten - "however". Jedenfalls arbeite man an der Einsatzreife des WCCB. Ansonsten wünscht er allen Partnern von SMI Hyundai und denen, die es werden wollen, "a peaceful New Year".