Die GENERAL-Anzeiger-Berichte, 27.02.2010

Welche Strippen zog Penderok? Die Millionenfalle, Teil 27

Als Guido Westerwelle am 2. Oktober 2009 die Baustelle des World Conference Center Bonn (WCCB) besucht, um die Vermietungssituation für einen möglichen FDP-Bundesparteitag auszuloten, taucht ein Mann aus dem Nichts auf. Der Unbekannte weicht dem designierten Außenminister nicht von der Seite. Er hat in Bonn bereits indirekt den Oberbürgermeister-Wahlkampf beeinflusst. Oder sollte es. Zu diesem Zeitpunkt waren zahlreiche Verhaftungen, Razzien und Hausdurchsuchungen bereits Vergangenheit. Der "Mann im Hintergrund" blieb jedoch von Handschellen verschont. Seit gestern sitzt Christoph Penderok in Untersuchungshaft. Verdacht: Betrug im besonders schweren Fall. Welche Rolle hat der zu jeder Zeit zwischen vielen beteiligten WCCB-Seiten - hier Hyundai, dort Honua - hin und her wandelnde Berater gespielt?

Rückblende: Spätestens im Frühjahr 2009 zeichnet sich im Bonner Rathaus ab, dass das WCCB sich wirtschaftlich auf einem Schlingerkurs und in der Eigentumsfrage überall und nirgendwo befindet. Hawaii oder Zypern? Unterdessen wächst von Tag zu Tag das Tohuwabohu im Rathaus, das wiederum um die städtische Deutungshoheit zum Thema ringt. An vorderster Front verteidigt Stadtsprecher Friedel Frechen die Bastion mit dürren, aber zuversichtlichen Worten. Die Öffentlichkeit deutet das Wenige, was sie erfährt, mit Alltagserfahrung: Welcher Bau läuft schon glatt? Dass sich hier gerade ein wirtschaftliches Millionen-Desaster für den Steuerzahler, angetrieben von kriminellen Machenschaften, zusammenbraut, ahnen nur Eingeweihte.

Während im stillen Kämmerlein des Rathauses der einst als "Glücksfall für Bonn" gepriesene "Investor" Man-Ki Kim längst als Ritter des Unglücks empfunden wird, balanciert Penderok auf hohem Seil. Gestern war er noch Kims Berater, jetzt ist er offenbar (auch) der von Honua. Oder war Penderok von Anfang an auf beiden Seiten? Oder bildeten Honua und SMI Hyundai schon zu Zeiten ein Gespann, als der Name "Honua" im Rathaus noch unbekannt war? Alles muss man inzwischen für möglich halten.

Jedenfalls spielen Frechen und Penderok Ping-Pong. Sie spielen nicht gegeneinander. Es gilt, der Öffentlichkeit den reißenden Strom "WCCB" als stilles Bächlein vorzugaukeln. Jeder hat andere Motive: Frechen die nahende Wahl und eine makellose Fassade, Penderok möglicherweise seine Provisionen.

Am 6. Mai sagt Penderok dem GA: "Ich habe keine Zweifel, dass der neue Investor Honua das Projekt geräuschlos abschließen und auf ein solides finanzielles Fundament stellen will." Der 50-Jährige unternimmt eine erste, dezente Absetzbewegung von Kim, der sich bei anderen Bauten - nach GA-Recherche in Libyen (Millionenfalle 21) - "verzettelt" und zu wenig Eigenkapital "besorgt" habe. Nun sei "die geplante Finanzstruktur geplatzt".

Im Sommer 2009 droht das Baugeld endgültig auszugehen. Die Sparkasse KölnBonn, bis dato Kreditgeber mit 74,3 Millionen Euro, muss draufsatteln, damit die Kräne sich weiterdrehen. Die Stadt erweitert die Nebenabrede, haftet auch dafür und winkt die dubiose Begründung von Kims Statthaltern für die Baukostenexplosion von 140 auf 200 Millionen durch. Und Investor Honua verspricht weitere 30 Millionen Euro. Zahlungstermin: 30. Juni 2009.

Am 2. Juli mailt Penderok dem ehemaligen Stadtdirektor Arno Hübner. Im Original: "Hallo Herr Hübner, in der Anlage erhalten Sie den besprochenen Brief. Mit freundlichen Grüßen, Christoph Penderok. PS: Jetzt bin ich mir sicher, dass ALLES KLAR geht." Der Brief ist formal eine Verpflichtungserklärung, inhaltlich jedoch von der Konsistenz einer Götterspeise. Honua-Präsident Andrew Jang erklärt darin "Mr. Hebner", warum die 30 Millionen bis zum 30. Juni nicht gezahlt werden konnten. Neuer Zahlungstermin: irgendwann. "Besprochen" kann heißen: Hübner, inzwischen unter Untreue-Verdacht, hat Penderok gesagt, was Jang schreiben soll. Und was soll "alles klar" gehen?

Dann streiten die "Heuschrecken" um das Bonner Zukunftsprojekt: Arazim gegen Honua. Wer ist der rechtmäßige Besitzer? Am 5. August 2009 entscheidet das Landgericht Bonn pro Arazim. Damit ist das Chaos perfekt. Das Fass der Ungereimtheiten läuft über, und Frechen ("Alles im Griff") und Penderok können die Lawine nicht mehr aufhalten. Was danach geschieht, lässt sich heute so deuten, dass die städtische Öffentlichkeitsarbeitsmaschinerie "mit Augen zu und durch" das Ziel hatte, die gröbsten WCCB-Klöpse als Krümel zu verkaufen oder bis zur Oberbürgermeisterwahl am 30. August ganz zu verheimlichen.

Die Tage vor dem Urnengang sind gespenstisch. Das Rathaus befeuert die Medien mit Pressemitteilungen, wonach Honua sicher morgen oder übermorgen, jedenfalls vor, während oder kurz nach der Wahl zahlen werde. Am Freitag - die GA-Samstagausgabe ist die letzte vor der Wahl - ruft ein Honua-Sprecher die Redaktion an und teilt mit, dass die 30-Millionen-Euro-Zahlung nur eine Frage von Tagen sei. Der GA fragt: Warum soll Honua zahlen, wo ein Gericht dem Unternehmen doch gerade bescheinigt hat, dass ihm das WCCB gar nicht gehört?

Der "Honua-Sprecher" will nicht mit seinem Namen in der Zeitung genannt werden. Die Sphinx heißt Christoph Penderok. Es sind jene Wochen, in denen jede im GA veröffentlichte Textzeile ins Englische und Koreanische übersetzt und nach Saigon, Zypern, Honolulu und Reston/USA gemailt wird. Wenig später widerruft Honua die Erklärung der Sphinx. Die 30 Millionen Euro landen nach der Wahl in falscher Währung (Dollar) auf dem falschen (aus Rathaus-Sicht) Konto - bei einer US-Bank ohne Bonner Zugriffsrecht. Eine Geste, mehr nicht: Wir würden ja, wenn wir der rechtmäßige WCCB-Besitzer wären.

Im September überschlagen sich die Ereignisse. Fast alle bauseits beteiligten Personen werden festgenommen. Kim gelingt es, frühzeitig zu flüchten. Die wenigen Stunden, die ihm bleiben, nutzt er, um UNCC-Daten zu sichern oder zu vernichten. Nach GA-Informationen sollen nicht nur bei der UNCC, sondern auch bei der Betreibergesellschaft WCCB GmbH eines Tages die Schredder heiß gelaufen seien. Penderok wurde indes nicht verhaftet, aber verhört. Die Frage, ob er in Besitz von UNCC-Daten sei, soll er verneint haben. Dabei habe "der scheinheilige Herr Penderok die Datenbänder eigenhändig abtransportiert", so ein GA-Informant. Tatsächlich: Als die Staatsanwaltschaft Penderoks Wohnung durchsucht, wird sie fündig.

Bald meldet eine GmbH nach der anderen - Bauherr, Baufirma, Betriebsgesellschaft - Insolvenz an. Eigentlich ist nun der vorläufige Insolvenzverwalter Christopher Seagon Chef aller Firmen - und Generalschlüssel. Doch zumindest in der WCCB GmbH schleicht nachts ab und an ein Mann über die Gänge, der das Tageslicht im WCCB offenbar scheut. Das Wachpersonal schöpft keinen Verdacht, weil der Fremde alle Schlüssel hat. Irgendetwas scheint der Nachtwandler zu suchen. Es ist Christoph Penderok.

Gläubiger kämpfen um den WCCB-Kuchen

Zwei Versammlungen tagen gestern im Amtsgericht Bonn. Insolvenzverwalter darf mit der Stadt über den Heimfall des Projekts verhandeln:

Manch ein Beobachter fühlte sich an den Film "Die Akte" von John Grisham erinnert: Männer in dunklen Anzügen warten um kurz vor neun Uhr gestern Morgen im Amtsgericht Bonn vor Saal 1.26. Die Gläubigerversammlung für die insolvente Betreibergesellschaft des World Conference Center (WCCB) ist für 9.30 Uhr angesetzt; nur eine Stunde später sind die Gläubiger des ebenfalls insolventen Bauherrn, der UN Congress Center GmbH (UNCC), an der Reihe.

In beiden Fällen dabei: Delegationen der Stadt Bonn mit Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch an der Spitze und der Sparkasse Köln/Bonn mit Vorstandsmitglied Ulrich Voigt. Stadt und Sparkasse bilden die größte Gläubigergruppe. Die Sparkasse hat 105 Millionen Euro angemeldet. Die Stadt Bonn will das Projekt per Heimfall zurückgewinnen, um endlich wieder Herrin des Verfahrens zu werden.

Glatt und ganz im Sinne der Stadt geht die erste Sitzung über die Bühne. Nach einer Stunde gibt die Versammlung Insolvenzverwalter Christopher Seagon grünes Licht. Seagon kann mit Nimptsch über eine Rückübertragung der WCCB-Management GmbH in städtische Hände verhandeln und auch zum Abschluss bringen.

Um halb elf beginnt das Ringen um die UNCC. Die Tür ist schon zu, da stürzt Anwalt Zvi Tirosh über den Flur. Er vertritt die Investmentfirma Arazim aus Zypern, den vorläufig rechtmäßigen Mehrheitsgesellschafter der UNCC. Die Rechtsvertreter von Kim und Honua sitzen bereits im Saal. Auch Hong ist vertreten. Von seiner Steuerberaterin.

Inzwischen herrscht dicke Luft im Saal. Nicht nur wegen der vielen Menschen. Nimptsch spricht später von "erheblichen Störfeuern", die einige Gläubiger entfacht hätten. Immer wieder kommt es zu Sitzungsunterbrechungen, weil Tirosh versucht, so GA-Informanten, die Versammlung platzen zu lassen. Er droht mit einem Befangenheitsantrag gegen die Versammlungsleiterin, falls er kein Stimmrecht erhalte. Die restlichen Gläubiger fühlen sich unter Druck gesetzt. Dann erhält Arazim Stimmrecht. Honua geht leer aus. Die Gläubiger wollen die Versammlung zu Ende bringen.

Nach vier Stunden das Ergebnis: OB Nimptsch ist nur halbwegs zufrieden. Seagon darf mit ihm die Verhandlungen über einen Heimfall führen. Aber: Die Gläubiger wollen das Ergebnis sehen, bevor sie endgültig einen Beschluss fassen. Sofern sie zustimmen, muss Nimptsch den "Klotz Arazim" vom Schachbrett räumen. das könnte Millionen kosten.

(lis/rik)