Das Thema Missbrauch im Überblick

- eine unendliche Geschichte auch in Deutschland

 

Mit diesem Motto - "Wer das Schweigen bricht, bricht die Macht der Täter" - fordert die Bundesregierung seit Ende 2010 Menschen auf, Täter beim Namen zu nennen. Egal ob betroffene Opfer, Mitwisser oder jene Hinweise geben, die nur eine konkrete Vermutung haben. Denn sexueller Missbrauch ist seit dem 28. Januar 2010 zum Thema auch in Deutschland geworden.

 Der 28. Januar 2010 ist der Tag, an dem die Berliner Morgenpost mit folgender Meldung bereits auf der Titelseite die Berliner Öffentlichkeit alarmiert hatte: "Canisius-Kolleg: Missbrauchsfälle an Berliner Eliteschule".

Das "Canisius-Kolleg", unter Eingeweihten kurz "CK" genannt, repräsentiert als Jesuitenschule einer der besten und begehrtesten Ausbildungseinrichtungen für Schüler und angehende Abiturienten in Berlin seit Jahren. Die Nachricht von sexuellen Übergriffen schlug in Berlin ein wie eine Bombe. Aber nicht nur da. Noch am selben Tag, griffen alle anderen Medien diese skandalträchtige Information auf, so dass tags drauf das Thema bundesweit ein Thema war. Und die nächsten Wochen auch bleiben sollte.

Die Berliner Morgenpost wartete seither fast täglich mit neuen Informationen auf. Dass die Zeitung regelmäßig berichten konnte, hing auch damit zusammen, dass der Rektor des "CK", Pater Klaus MERTES, der erst nach den fraglichen Vorfällen Schulleiter geworden war, die Vorwürfe auch tatsächlich aufklären wollte:

Und das war nicht so selbstverständlich.

Denn bereits 11 Jahr zuvor war ebenfalls eine so genannte Eliteschule ins den Fokus sexuellen Missbrauchs geraten: die Odenwaldschule im hessischen Oberhambach, eine so genannte Reformpädagogikschule. An deren Spitze: der bekannte Reformpädagoge und "Kindversteher" Gerold BECKER. 1999 war es die Frankfurter Rundschau, die über konkreten sexuellen Missbrauch berichtet hatte, und zwar begangen vom Schulleiter der Odenwaldschule: "Der Lack ist ab".

Doch im Gegensatz zum Jahre 2010, als sich alle Medien auf das Thema stürzten, hielten elf Jahre zuvor fast alle Medien das Thema unter der Decke. Niemand griff es auf. Die Odenwaldschule, die in Intellektuellenkreisen ein hohes, weil "liberales" Ansehen genoss, hatte einen großen Freundes- und Förderkreis. Der reichte nicht nur bis in die Redaktionsstuben, sondern umfasste auch Chefredakteure von Zeitungen und Fernsehen sowie HerausgeberInnen großer Blätter. 1999 versandetet das Thema ganz schnell und unauffällig. Die Odenwaldschule, eine freie Bildungseinrichtung, zeigte kein wirkliches Interesse, den Vorwürfen nachzugehen.

Anders 2010 in Berlin. Und weil die Schulleitung unter Pater MERTES aufklären wollte, gab es auch regelmäßig neue Nachrichten, die schließlich zu einer medialen Lawine wurden: Immer mehr Missbrauchsfälle wurden bekannt. Und immer mehr Details. Bis heute ist das alles noch nicht abgearbeitet. Die Informationen der Berliner Morgenpost markieren den Beginn der öffentlichen Wahrnehmung dieses Themas.

Wir dokumentieren hier zunächst Die Berichte der Berliner Morgenpost. Aber auch den ersten Bericht der Frankfurter Rundschau aus dem Jahre 1999 (siehe unter "Der Lack ist ab").

In der Chronologie einer unendlichen Geschichte rekonstruieren wir im Detail, wie das Thema zum Thema wurde: Informationen seit den 70iger Jahren bis zum Jahre 2010, als das Thema dann auch tatsächlich Thema war.

Wie das letztlich sechsköpfige Redaktionsteam der Berliner Morgenpost gearbeitet hat, welche Überlegungen eine Rolle spielten, wenn es um Fragen ging, was man veröffentlichen solle und was nicht, haben die Redakteure selbst beschrieben: So entstand die Serie.

Unter Die Opfer - die Betroffenen: Interviews und Perspektiven haben wir weitere Informationen aus anderen Medien zusammengestellt, die wir mit freundlicher Genehmigung hier dokumentieren können.

Wenn Sie wissen wollen, wer alles bei der Berliner Morgenpost geschrieben und recherchiert hat, dann lesen Sie die Seite Das Redaktionsteam der Berliner Morgenpost.

Diese Geschichte lässt sich übrigens auch direkt aufrufen und verlinken unter www.ansTageslicht.de/Missbrauch

 

(JL)