Ein Bericht von Anna POLITKOWSKAJA:
Der Ermittlungsbeamte für besonders wichtige Fälle der Generalstaatsanwaltschaft Russischer Föderation am Nordkaukasus T. MURDALOV hat den Leuten Unterlagen mit folgendem Inhalt ausgestellt: „Am 5. Februar 2000 wurde in der ersten Tageshälfte, in der Siedlung Novye Aldy des Industrie-Bezirks der Stadt Grozny Tschetschenischer Republik, durch Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums und des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Russischen Föderation, während der Passkontrolle-Maßnahmen, ein Massenmord an der friedlichen Bevölkerung der oben genannten Siedlung begangen, dabei wurde … (dann folgte der Name des verstorbenen) ermordet. In Zusammenhang mit diesen Fakten ermittelt die Hauptverwaltung der Generalstaatsanwaltschaft am Nordkaukasus.“ Der Ermittlungsbeamte hat es geschafft 33 solcher Dokument auszustellen.
Die Siedlung Novye Aldy befindet sich an der südlichen Grenze von Grozny. Vor dem Krieg wohnten hier c. 10.000 Menschen. In der Siedlung gab es eine Bibliothek, eine Poliklinik (Arztpraxis – meist mehrere Praxen in einem Gebäude, wo im Gegensatz zu einem regulären Krankenhaus keine stationäre Behandlung durchgeführt wird). In der lokalen Schule wurden anderthalb Tausend Kinder ausgebildet. Die Siedlung entstand Ende der 50-er Jahre, als die aus der Deportation zurückkehrenden Menschen hier Grundstücke bekommen haben – 500m² pro Familie. Auf diesen Grundstücken haben sie Häuser für sich und ihre Kinder gebaut, für ein zukünftiges glückliches Leben.
Über den neulichen Krieg in Tschetschenien werden die Historiker irgendwann die ausführlichen Forschungen schreiben. Darüber, was in der Siedlung Novye Aldy am 5. Februar 2000 geschehen ist, erzählen die Augenzeugen, deren Zeugnisse vom Menschenrechtszentrum "Memorial" gesammelt wurden.
Aset TSCHADAEVA:
„ Seit Herbst 1999 bis Februar 2000 wohnte ich in der Siedlung Novye Aldy. Bis zum 3. Februar kamen die Menschen hier unter Bomben um, starben von Spliterverletzungen. „Die Arbeit“ der russischen Luftwaffe führte bei den Chronisch-Kranken und die alten Menschen zu Infarkten und Schlaganfällen. Die Menschen starben an Lungenentzündung – sie saßen monatelang in den feuchten Kellern. Im laufe von zwei Monaten haben wir, bis zum 5. Februar, 75 Menschen beerdigt.
Am 5. Februar um ca. 12 Uhr hörte ich auf der Straße die ersten Schüsse. Ich und mein Vater sind rausgegangen und sahen, wie die Soldaten Häuser anzünden. Unser Nachbar reparierte sein Dach, und ich hörte, wie ein Soldat sagte: „Guck mal, Dimitrij, der Trottel repariert sein Dach“, und der antwortete: „Hol ihn runter“. Der Soldat hat sein Gewehr hochgenommen, wollte schießen. Ich schrie: „Schieß nicht! Er ist taub!“ Der Soldat drehte sich um und feuerte eine Salbe über unseren Köpfen ab.
Dann kam mein Bruder raus, Jahrgang 1975, und wir gingen diesen Faschisten entgegen. Das erste, was sie schrieen war: „Seryj ((Spitzname – abgeleitet von dem Namen `Sergej´)) markier ihnen die Stirn grün damit das Schießen leichter fällt“. Sie haben gleich auf meinen Bruder das Gewehr gerichtet und gefragt: „Hast du an den Kämpfen teilgenommen?“ Der Bruder antwortete, dass er es nicht hat – dann haben sie angefangen ihn zusammenzuschlagen.
Für den Fall der Vergewaltigung habe ich mir eine Granate angebunden – man konnte sie für vier Zigarettenschachtel „Prima“ eintauschen.
Uns wurde befohlen sich auf der Kreuzung zu versammeln. Ich versammelte die Menschen von unserer Straße, damit wir zusammen bleiben. Allein in unserer kleinen Seitenstrasse gab es zehn Kinder, die jünger als 15 waren – der Jüngste war gerade mal 2 Jahre alt. Die Soldaten fingen schon wieder mit der Passkontrolle an, einer sagte: „Wir werden euch umsiedeln. Hat man euch, Schweinehunden ein Korridor (gemeint ist eine so genannte „Schamanov´sche Mogelei“ – vgl. den Artikel „Mord oder Hinrichtung?) gegeben!?“ Das alles wurde von anstößigen Geschimpfe begleitet.
Gerade als ich von der Kreuzung weggegangen bin, erklangen erneut die Schüsse. Die Frauen schrieen auf: „Asja, Ruslan ist verwundet, verbinde ihn!“. Ruslan ELSAEV, 40 Jahre alt, stand nach der Kontrolle neben seinem Haus und rauchte. Zwei Soldaten schossen auf ihn ohne jeglichen Grund, eine Kugel ging durch die Lunge, zwei Zentimeter vom Herz entfernt, die andere – traf seinen Arm...!“.
Ich und mein Bruder gingen wieder auf die Straße und hörten wieder das laute Geschrei: die Nachbarin Rumisa führte ein Mädchen. Das war die neunjährige Lejla, Tochter einer Flüchtigen aus dem Dorf Dzhalka. Lejla viel hysterisch auf die Erde, rollte sich, lachte und schrie auf tschetschenisch und auf russisch: „Meine Mutter wurde umgebracht!“. Mein Bruder nahm sie auf den Arm und brachte sie in unser Haus. Ich lief in den Hof [das der Nachbarn] – dort lang Lejlas Mutter in einer Blutlache, von der in der Kälte noch der Dampf hochstieg. Ich wollte sie anheben, dabei fiel sie auseinander, ein Teil des Schädels viel ab – vielleicht hat eine Maschinengewehr-Salbe sie durchgeschnitten... Im Hof nebenan lagen zwei Männer, beide hatten große Löcher in ihren Köpfen, anscheinend wurden sie durch Nahschüsse getötet. Das Haus brannte schon, die hinteren Zimmer, gleich in dem ersten brannte Avalu.
Offenbar hat man auf ihn irgendeine brennbare Flüssigkeit ausgegossen und angezündet. Ich holte eine Vierzig-Liter-Flasche mit Wasser herbei, ich weiß nicht, wie ich diese anhob und sie (auf Avalu) ausgoss. Ehrlich gesagt, wollte ich den Körper von Avalu nicht sehen, es ist besser, wenn er lebendig in Erinnerung bleibt – er war ein ausschließlich freundlicher Mensch. Die Nachbarn kamen angelaufen, sie haben ebenfalls angefangen den Brand zu löschen. Der zwölfjährige Mohamed ging durch den Hof und wiederholte: „Warum haben sie das gemacht?!“ Wegen des Blutgeruchs war es einfach unerträglich...
Ich lief zurück auf der Hauptstraße, dort könnte jeden Moment geschossen werden, sodass man sich durch die Höfe fortbewegen musste. Ich sah Mohamed GAJTAEV – er war ein Invalide, in seiner Jugend geriet er in einen Unfall, er hatte keine Nase und trug daher eine spezielle Brille. Er lag da, man hat ihm in den Kopf und in die Brust geschossen, und die Brille hing am Zaun.
Die russischen Soldaten gaben meinen kranken, verwundeten friedlichen Menschen, den Greisen und den Frauen, den Todesstoß.
Lema AHTAEV und Isa AHMATOV wurden verbrannt. Wir fanden später ihre Knochen, und packten sie in ein Kochtopf. Und eine beliebige Kommission, eine beliebige Expertise kann beweisen, dass es menschliche Knochen sind. Nur interessiert sich niemand für diese Knochen, für diese Ermordeten.
Schamhan BAJGIRAEV wurde ebenfalls verbrannt, er wurde aus dem Haus geholt. Die Brüder INDIGOV wurden gezwungen in den Keller runterzugehen und dann mit Granaten beworfen – einer hat überlebt, der andere wurde in Stücke gerissen. Ich sah Gula HAJDAEV, den ermordeten Greisen. Er lag draußen in einer Blutlache. Die Soldaten ermordeten die achtzigjährige Rakijat AHMATOVA – zuerst verwundeten sie sie, danach gaben sie ihr, als sie auf dem Boden lag, den Todesstoß. Sie schrie: „Schießt nicht!“...
Marina ISMAILOVA
Morgens, am 5. Februar ging die Schießerei los, man hörte Gewehre, Maschinengewehre und Granatenwerfer... Sie töteten und verbrannten Menschen, ohne sie nach ihren Dokumenten zu fragen. Bei den ermordeten und den Verbrannten in den Taschen oder in den Händen waren ihre Pässe und/oder andere Unterlagen. Die hauptsächlichen Forderungen waren – Gold und Geld, danach folgte die Erschießung...
Im Haus 158 der Matsch-Mazaev-Str. blieben zwei Brüder im Rentenalter zurück, die MAGOMADOVs – Abdula und Salman. Sie wurden in ihrem Hof lebendig verbrannt. Erst Tage später, nach erheblichen Bemühungen, fanden wir ihre Überreste. Sie passten in eine Plastiktüte...
Luisa ABULHANOVA:
Alles geschah sehr schnell. Als die Schüsse erklangen wurde mir schlecht. Genau erinnern kann ich mich nur daran, dass diejenigen, die in unser Hof kamen, zuerst Geld Forderten. Der alte Mann [Ahmed ABDULHANOV] ging irgendwohin und brachte 300 Rubel. Die Soldaten blieben unzufrieden, sie schimpften... Danach erklangen die Schüsse. Zusammen mit meinem Schwiegervater starben ((die Geschwister)) Bruder und Schwester ABDULMEZHIDOVs, unsere Nachbarn. Isa AHMATOV wurde erst Tage nach dem Geschehen, in dem Haus der ZANAEVs, aufgefunden. Er wurde anscheinend lebendig verbrannt ...
Ich weiß nicht, wann und wie dieser Krieg enden wird. Wie viele Opfer noch auf den Altar des Präsidenten PUTIN gebracht werden. Ich weiß nur, dass nach all diesen Grässlichkeiten, ich mich den Russen gegenüber nicht respektvoll verhalten werde können. Wir werden kaum in einem Staat zusammen leben können.
„Ruslan“ (der Name wurde auf seine Bitte geändert):
Morgens am 5. Februar reparierte ich gerade mein Dach, als ich sah, dass am Anfang der Siedlung ein Haus Feuer fing. Nach ihm ging der Zweite in Flammen auf, der Dritte, Schüsse fielen, Menschen schrieen. Die Föderalen waren im reifen Alter und hatten Kopftücher an. Sie haben alle auf die Kreuzung der Kaskaja-Str. und des 4-ten Almaznyj-Wegs gescheucht.
Angefangen haben sie mit der ersten Straße an und gingen in das Haus der Brüder IDIGOVs rein. Die Brüder haben sie in den Keller gescheucht und darein zwei Granaten geworfen. Einer blieb am Leben, weil der andere ihn mit sich selbst zudeckte. In dem benachbarte Haus erschossen sie drei: einen alten Mann, 68 Jahre alt und zwei junge Burschen. Sie wurden nicht nach Dokumenten gefragt. Geschossen wurde streng in den Kopf.
Häuser wurden verbrannt. Menschen hörten Schrei: „Wo ist das Geld!?“. Die MAGOMADOV-Brüder wurden in den Keller geschmissen, beschossen und angezündet. Das Feuer hat sich auch auf andere Häuser verteilt... Die Leichen, die ich beerdigt haben, waren verschiedenen Alters, von jungen Menschen bis zu sehr alten Greisen, aber es gab viele, bei denen es unmöglich war das Alter festzustellen.
Malika LABAZANOVA:
... Und dann fingen sie zu schießen an. Sie schrieen dabei, dass sie einen Befehl zu töten haben. Ich lief zu den Nachbarn, klopfte am Tor – niemand öffnete. Nur Alu DENIEV kam raus und brachte mir drei Hundert-Rubel-Scheine. So gehe ich mit diesem Geld, komme an mein Tor und sehe: meine Katze geht, ihre Gedärme sind rausgefallen. Sie geht ein Stück und hält an, geht noch ein Stück und hält wieder an, und dann stirbt sie. Meine Knie sind sofort weich geworden, ich dachte, dass alle bei uns im Hof umgebracht wurden...
Als ich diesem, im weisen Tarnmantel, die 300 Rubel vorstreckte, lachte er nur: „Das ist doch kein Geld. Ihr habt alle Geld und Gold, - sagte er. – Du hast auch Goldzähne“. Vor Schreck holte ich meine Ohrringe raus (die hat mir meine Mutter zu meinem Sechzehnjährigen gekauft), reiche sie rüber und bat mich nicht zu töten. Aber er schrie, dass es befohlen ist alle umzubringen, rief einen Soldaten herbei und sagte ihm: „Bring sie ins Haus und schüttle sie dort durch“.
Im Haus stürzte ich sofort in den Heizungsraum, dort habe ich mich hinter dem Offen versteckt. Das war das einzige, was ich in dieser Situation machen konnte. Und der, der mich begleitete, ging wieder raus. Er suchte nach mir. Da er mich nicht gefunden hat, kehrte er wieder in das Haus zurück. Und hier fing das Schießen im Hof an. Ich stürzte zu dem Soldaten, fing zu betteln und flehen an, dass er mich nicht umbringt. „Bringe ich dich nicht um, bringen sie mich um“, – sagte er. Dabei hat mich so eine Angst ergriffen, dass ich bereit war den Beschuss und die Bombardierungen – alles, was vor diesem Tag war – wieder aufs neue zu erleben, nur damit dieser Soldat, das auf mich gerichtete Gewehr runternimmt.
Er fing an zu schießen: in die Decke, in die Wände, hat den Gasherd durchgeschossen. Und da verstand ich – er wird mich nicht erschießen. Ich griff nach seinen Beinen und bedankte mich, dass er mich nicht getötet hat. Darauf er: „Sei still, du bist schon tot“.
Jusup MUSAEV:
Soldaten kamen in den Hof rein, wir wurden mit dem Gesicht auf den Boden gelegt. Sie schimpften anstößig: „Ihr Huren, legt euch hin, Dreckspack!“. Dem Vetter Hasan MUSAEV haben sie die Gewehrmündung neben dem Ohr rangestellt, da lag auch Andi AHMADOV, ihn haben sie aufs Korn genommen. Weiter entfernt lagen der Junge und ich, mir haben sie die Gewehrmündung zwischen den Schulterblättern rangestellt...
Danach gingen die Soldaten weiter durch die Höfe, man hörte Schüsse,. Ich dachte an meine Brüder, ging auf die Straße, um nach ihnen zu schauen und fand sie sofort... Und vier weitre Menschen – Alvi GANAEV, zwei seiner Söhne – Sulumbek und Aslanbek, der vierte war – HAKIMOV. Als wir begonnen haben die Leichen in den Hof reinzuschleppen, fingen die Militärs an zuschießen... Am Abend kam mein Cousin und sagte, dass er weitere neun Leichen gefunden hat. Unter ihnen – zwei meiner Neffen.
Aussage einer Frau, die darum gebeten hat, ihren Namen nicht zu nennen:
Ich lief auf die Matsch-Mazaev-Str., sehe – dort liegen erschossene Menschen. Auf der Straße standen nur die Militärs. Ich lief zurück, aber sie schrieen mir zu: „Bleib stehen!“. Ich rannte, und sie schossen auf mich.
Als ich zu mir kam, setzte sich ein Soldat zu mir und sagte: „Wie soll ich Sie bloß retten? Ich möchte nicht, dass Sie umgebracht werde. Sie sehen meiner Mutter ähnlich“. Er rief seine Jungs herbei und sie saßen mit uns...
Nachts trugen wir die Leichen in die Häuser. Ich sah 28 Leichen – alles unsere Nachbarn. Ich wusch die Leichen. Es wurde hauptsächlich in den Kopf geschossen – in die Augen, in den Mund. Bei der GADAEVA gab es eine Schusswunde am Hinterkopf.
Marhata TATAEVA:
Am 5. Februar saßen wir zusammen mit der Nachbarin Anjuta ((Eine Verniedlichungsform von dem Namen `Anna´)). Sie guckte auf die Straße raus. Ich fragte: „Was ist da?“ Sie sagte: „Da werden Menschen hingerichtet“, – und fing an zu weinen.
Ich ging raus, dort stand unser Nachbar Abdurahman MUSAEV und schrie: „Na, du Hure, was stehst du rum, - schieß!“. Die Soldaten lachten, MUSAEV schrie: „Du Hure, schieß endlich! Was stehst du rum, Dreckskerl, - schieß!“. Es stellte sich raus, dass er auf seien Enkel gestoßen war, der dort erschossen lag.
Das waren Vertragssoldaten. Einer hatte eine Tätowierung, und hinten an seiner Mütze war ein Fuchsschwanz. Er stand da und lachte, dann sah er mich und schoss direkt in meine Richtung! Anjuta schnappte mich und schob mich in das Haus, so hat er uns nicht getroffen. Wir rannte durch die Höfe zu Anjutas Haus, dort saßen wir zwei Stunden. Dann entschloss ich mich nach Hause zu gehen, obwohl sie mich bat zu bleiben.
Ich ging in das Haus rein, fünf Minuten Später kam mein Hund angeflogen, er bellte sehr laut. Das war´s, sie kommen. Ich sprach ein Gebet. Danach habe ich die Arbeitskleidung angezogen, um bemitleidenswerter auszusehen. Ich öffnete die Tür und als ich mich gerade hindrehte, kam der mit dem Gewehr auf mich zu: „Hey du Hure, komm her!“ Ich kam näher und wollte meine Dokumente vorzeigen – ich habe überhaupt nicht die Fassung verloren. Aber er suchte nach einem Grund, um mich durcheinander zu bringen: „Aha, bist du ein Scharfschützin, hast du den (tschetschenischen) Kämpfern geholfen, warum bist du zuhause geblieben? Warum bist du nicht weggefahren, was hast du hier gemacht? Wo sind deine Eltern, im Haus, ja?“ Ich sagte: „Nein, sie sind weggefahren“. – „Wohin sind sie gefahren? Was hast du da?“ Ich sagte: „Dokumente“. Und er: „Ich brauche deine be......nen Dokumente nicht!“ – nahm sie und warf diese hin. Ich hatte da noch ca. 35 Rubel. „Das brauchst du auch nicht! An die Wand! Erschissen wir sie, und das war´s dann!“. Er lud das Gewehr und richtete es auf mich. Da sagte ein andere zu ihm: „Lass sie, das muss nicht sein! Es ist besser wenn das Mädchen sich versteckt. Sonst finde die sie, vergewaltigen und bringen sie doch um. Es ist besser das Mädchen zu retten, schade um sie, sie ist doch jung!“
Sie gingen weg und ich sagte zu Anjuta: „Ich kann nicht mehr, ich möchte mich verstecken“. Aber wohin verstecken? Wir setzten uns in den Kleiderschrank. Da hörten wir – die Tür wird aufgemacht, sie kommen. Anjuta sagte: „Das war´s, wir können nirgendwo hin“. Aber die schossen im Hof aus dem Gewehr, und schrieen: „Ihr Huren, kommt raus!“. Als sie das Magazin leergeschossen haben, dachte ich – das war´s, ich werde meine Mutter nicht mehr wiedersehen, niemanden werde ich wiedersehen. Da fing auch ich an zu weinen.
Wie wir dem entkommen sind – weiß ich nicht, aber die sind weggegangen. Wir blieben am Leben.
Makka DZHAMALDAEVA:
Sie haben uns vier hingestellt: meinen Mann, mich, meinen Sohn und die Enkelin, sie stand neben mir. Sie beschimpften uns wie sie wollte, sagten, was sie wollten, stanken unerträglich nach Wodka. Sie waren dermaßen betrunken – die haben sich kaum auf den Beinen gehalten. Als meinem Mann gesagt wurde: „Alter, gib da Geld raus, Dollar, alles was du hast“, holte er etwas über ein Tausend Rubel raus und gab ihnen das Geld. Als der eine das Geld zählte, sagte der andere: „Alter, wenn du nicht noch mehr gibst, erschieße ich dich“, sie beschimpften den alten Mann.
Dann holte ich meine Ohrringe raus, die Enkelin – ihre, ich gab sie ihm: „Söhnchen, hier, bitte, nimm das, lass uns am Leben“. Da sagte er wider zu meinem Sohn: „Ich schieß dir gleich in das Auge“. Als er das sagte, sprach mein Mann: „Söhnchen, er hat sechs kleine Kinder, bring ihn nicht um, ich habe nur ihn“. Und der: „Wenn ihr mir nicht noch ein Gramm Gold gebt, dann erschießen wir euch alle“. Mein Sohn hatte (Gold) Kronen, er holte diese Zähen raus, wir gaben sie ihm. Er schimpfte noch kurz, drehte sich um und ging. Er war betrunken, hat es kaum geschafft aus unserem Hof rauszukommen...
Luisa ABULHANOVA:
Das Ergebnis dieses Krieges. Am 5. Februar sahen wir die Terroristen mit unseren eigenen Augen, haben es selbst durchlebt. Man sagt uns, dass der Krieg beendet ist. Wie kann er für uns beendet sein, wenn wir diesen Tag niemals vergessen werden können?