„Folter“-Drohung? Die Geschichte dreier Personen: Jakob von METZLER, Magnus GÄFGEN und Wolfgang DASCHNER

Oder: ein entführtes Kind, ein Mörder und der Polizeivizepräsident von Frankfurt/M. 

Der Vorgang datiert aus dem Jahre 2002. Und war auch im Jahr 2012 noch nicht wirklich zu Ende. Es geht um die Entführung und die kaltblütige Ermordung eines 11jährigen Jungen: Jakob von METZLER, der Sohn eines Bankiers. Der Täter: ein Jurastudent, der schnell zu Geld kommen wollte: Magnus GÄFGEN. Im Mittelpunkt der hiesigen Geschichte: Die Frage, ob die Androhung von Gewalt gegenüber einem Verdächtigen "Folter" ist, wenn es um die Rettung eines entführten Kindes geht. Dies betrifft den ehemaligen Polizei-Vizepräsidenten von Frankfurt/M, Wolfgang DASCHNER, der nachträglich folgenden Vermerk geschrieben und zu den Akten genommen hatte: 

Es betrifft aber auch den Kriminalhauptkommissar Ortwin ENNIGKEIT, der im Auftrag des Polizeivizepräsidenten die fragliche Vernehmung durchgeführt hat - ohne Anwendung von Schmerzen. Und offenbar nur durch eindringliche Vernehmung des Beschuldigten. Er hat im Jahr 2011 ein Buch darüber veröffentlicht: "Um Leben und Tod. Wie weit darf man gehen, um das Leben eines Kindes zu retten?"

Der Aktenvermerk aus dem Jahr der Entführung bzw. die zugrunde liegende "Androhung" von "Schmerzen" geschah in einer absoluten Zwangslage, in der sich der Frankfurter Polizei-Vize im Oktober 2002 befand:

  • seine Beamten hatten einen Verdächtigen festgenommen, der 1 Mio Euro Lösegeld in Empfang genommen hatte - als Gegenleistung für die angekündigte Freilassung des von ihm entführten 11jährigen Bankierssohn Jakob von METZLER
  • freigelassen wurde der Junge nicht; als sich der Lösegeldabholer, der 27jährige Jura-Student Magnus GÄFGEN, zusammen mit seiner Freundin gerade per Flugzeug in einen Urlaub absetzen wollte, hatte die Polizei ihn auf dem Flughafen verhaftet
  • in den Vernehmungen hielt GÄFGEN die Vernehmungsbeamten mehrfach zum Narren; in der gleichen Zeit wurde das Schicksal des entführten Kindes immer ungewisser
  • am 5. Tag nach der Entführung wird der verantwortliche Polizeichef unruhig - das Kind hat jetzt mindestens seit 3 Tagen nichts zu Essen und zu Trinken gehabt; von der Kälte nachts und morgens ganz zu schweigen. Auch Kinder sind unter solchen Lebensbedingungen nur begrenzt durchhaltefähig
  • der amtierende Polizeichef DASCHNER greift zu einem weiteren bzw. letzten Mittel: Er ordnet die obigen Maßnahmen an
  • der Einsatz erübrigt sich - der Beschuldigte gesteht, als man ihm eröffnet, was passieren würde.

Das Geständnis: Der Junge ist seit mehreren Tagen tot.

Diese Androhung von "Folter" ist das, was hier bei dieser Geschichte im Mittelpunkt steht. Eine solche Maßnahme ist umstritten, höchst umstritten sogar. Auf der anderen Seite ging es darum, ein Menschenleben zu retten. Dass dies zum fraglichen Zeitpunkt garnicht mehr möglich war, konnte die Polizei nicht wissen. Letztlich war das Instrument "Androhung von Schmerzen" auch gar nicht notwendig geworden.

Der Vorgang blieb zunächst unbekannt - für die Medien standen die dramatischen Ereignisse im Vordergrund der Berichterstattung. Und das absolute Unverständnis über diese Tat. 

Über den Vorgang der ‚Folterdrohung' hatte dann am 17. Februar 2003, also erst mehrere Monate später, die BILD-Zeitung , Ausgabe Frankfurt/M., und tags drauf der Tagesspiegel in Berlin berichtet. Wie beide Berichte entstanden sind, d.h. warum wer in welcher Reihenfolge berichtet hatte und wie die Zeitungen an diese Informationen gekommen sind, können Sie unter Wie der Vorgang ans Tageslicht kam nachlesen.

Die mit dem Wächterpreis der Tagespresse 2004 ausgezeichneten ‚Stories' der Frankfurter BILD-Zeitung und des Berliner Tagesspiegel zur Entführung und Ermordung sowie zum Zustandekommen eines Geständnisses sind im Original unter Die Berichterstattung in den Medien, hier auf der rechten Navaigationsleiste nachzulesen.

Die wichtigsten Daten und Ereignisse dieses Geschehens sind in der Chronologie der Ereignisse zusammengestellt.

Wie die gerichtlichen Verfahren gegen

  • den Mörder und
  • später gegen den ehemaligen Polizei-Vize-Präsidenten wegen Androhung von 'Folter'
  • sowie die Schadensersatzklage des rechtskräftig verurteilten Kindsmörders gegen das Land Hessen

ausgegangen sind, erfahren Sie unter Stand der Dinge

Ob man den fraglichen Vorgang im Polizeipräsidium überhaupt als Folter bezeichnen kann und wie dies in der schriftlichen Urteilsbegründung des Frankfurter Landgerichts (nicht) zum Ausdruck kommt, sollten Sie in einem bemerkenswerten Artikel der Süddeutschen Zeitung lesen: "Respekt für Wolfgang Daschner". Diesen Beitrag finden Sie hier unter "Folter oder nicht?"

Wenn Sie diese Geschichte direkt aufrufen oder verlinken möchten, können Sie dies unter www.ansTageslicht.de/Folterdrohung tun.


(JL)