Die Berichte des Westfälischen Anzeigers, 06.09.2010

von Frank LAHME

Schüsse auf der Wache

Psychisch Kranker schießt Polizeibeamten mehrmals mit Gaspistole ins Gesicht
41-Jähriger in die Forensik eingewiesen - Polizist nicht in Lebensgefahr


HAMM - Die Hauptwache der Polizei an der Hohe Straße ist am Samstag zum Tatort einer blutigen Geiselnahme geworden. Einem 48-jährigen Polizeioberkommissar wurde mit einer Gaspistole mehrfach ins Gesicht geschossen. Der Beamte befand sich über eine Dreiviertelstunde in der Gewalt eines 41-jährigen Mannes, der offenbar psychisch krank ist und sich mit der Dienstwaffe des Beamten bewaffnet hatte. Eine Polizeibeamtin konnte den Mann übers Telefon schließlich zur Aufgabe bewegen. Gestern wurde der 41-Jährige in eine Forensik zwangseingewiesen. Dem Polizisten ging es bereits wieder relativ gut.

Der spektakuläre Übergriff begann in den frühen Nachmittagsstunden. Der 41-jährige Hammer war gegen 14.45 Uhr auf der Wache erschienen und hatte vorgegeben, endlich mit einem Verantwortlichen über seine Situation reden zu wollen. Diesen Verantwortlichen fand er in Person des 48-jährigen Polizeioberkommissars. Der Beamte stand ihm allein im Wachraum gegenüber.

Mit einem Mal brannten dann bei dem bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Besucher alle Sicherungen durch. „Er ist plötzlich über den Tresen gesprungen und hat dem Beamten mehrfach ins Gesicht geschossen. Alles geschah völlig unvermittelt", sagte Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel.
Die Tatwaffe hatte der Hammer offensichtlich selbst mit aufs Revier gebracht. Die Situation spitzte sich jedoch weiter zu, als er dem schwer verletzten Beamten dessen Dienstwaffe abnahm.

Kollegen aus dem hinteren, durch eine Glasscheibe abgetrennten Teil des Wachraums versuchten, den Mann übers Telefon zur Aufgabe zu bewegen. Auch die Ehefrau des 41-Jährigen stand in Telefonkontakt mit ihrem Mann. Draußen wurde die Hohestraße abgesperrt und nahmen Beamte mit schusssicheren Westen Position ein. Der Durchbruch gelang schließlich einer Polizeibeamtin, die den Täter zur Aufgabe bewegen konnte.

Der Mann wurde festgenommen und der blutüberströmte Kollege ins Krankenhaus gebracht. Der 48-Jährige schwebte offenbar zu keinem Zeitpunkt in Lebensgefahr. Dass es ihm gestern schon wieder relativ gut ging, war jedoch keineswegs selbstverständlich. „Er hätte durchaus sein Augenlicht verlieren können", sagte Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel über den Beamten, der gestern noch zur Beobachtung im Krankenhaus verweilen musste.

Ein Psychiater stufte den 41-Jährigen gestern als psychisch krank und weiterhin gefährlich ein. Daraufhin wurde eine Überführung in eine forensische Psychiatrie angeordnet.
Wie Oberstaatsanwältin Dr. Ina Holznagel erläuterte, gilt der Mann damit zunächst als schuldunfähig. Ein Unterbringungsverfahren mit der Möglichkeit einer Zwangsbehandlung werde nun vermutlich eingeleitet.

Mit der Dienstwaffe des Oberkommissars habe der 41-Jährige nichts mehr unternommen. Er habe weder den Beamten noch andere Kollegen bedroht. „Er hat sie lediglich gehabt, aber auch das war schon schlimm genug“, sagte Holznagel.