Die Berichte der Kölnischen Rundschau, 07.01.2016

von Jens MEIFERT, Kölnische Rundschau, Daniel TAAB, Kölnische Rundschau

"Ich denke nicht an einen Rücktritt"

Kölns Polizeipräsident Albers im Rundschau-Interview: Entwicklung war nicht vorhersehbar

Nach den Silvester-Übergriffen steht der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers in der Kritik. Im Rundschau-Interview räumt er ein, am Morgen des Neujahrstages Kenntnis über die Vorgänge gehabt zu haben. Die erste Pressenachricht gab es am Nachmittag des 2. Januar. Jens Meifert und Daniel Taab stellten die Fragen, die Albers schriftlich beantwortete.

Die Pressestelle der Polizei hat am 1. Januar mitgeteilt, die Silvesternacht sei ruhig verlaufen. Das kommt einer Verhöhnung der Opfer gleich. Wie konnte es zu dieser Panne kommen?

Zum Zeitpunkt des Verfassens der Pressemeldung lagen der Pressesprecherin die Informationen zu den in Rede stehenden Vorkommnissen nicht vor. Die Informationen, die der Meldung zugrunde lagen wurden zentral gesammelt und am frühen Morgen des 1. Januar 2016 an die Pressestelle übermittelt. Erst im weiteren Verlauf wurden die entsprechenden Strafanzeigen zusammengeführt und es ergab sich ein anderes Bild des Einsatzverlaufes als noch am Morgen. Daraufhin erschien am Folgetag eine weitere Pressemeldung zur Einrichtung der Ermittlungsgruppe.

Die Rundschau hatte um 13 Uhr des Neujahrstages nachgefragt. Die Pressestelle war nicht mehr besetzt. Zwei Stunden später bestätigte die Leitstelle, dass mehrere Anzeigen zu den Vorfällen vorliegen. Warum wurde danach nicht postwendend informiert?

Siehe oben.

So ein Einsatz in dieser Größenordnung bleibt ja nicht unbemerkt. Wann sind Sie persönlich informiert worden?

Ich erhielt im Verlauf des Neujahrsmorgens Kenntnis.

Schon am frühen Abend gab es Berichte über größere Gruppen auf dem Bahnhofsvorplatz und eine sehr aggressive Stimmung. Warum waren keine Polizisten da?

Gezielt für den Silvestereinsatz wurden Einsatzkräfte bereitgehalten. Aus den Erfahrungen der vergangenen Jahren waren diese an den bekannten neuralgischen Punkten wie Ringe, Altstadt und Bahnhofsbereich aufgestellt.

Wann sind die ersten Notrufe bei der Polizei eingegangen?

Die ersten Notrufe mit Silvesterbezug waren ein Notruf wegen Pyrotechnik (Einsatz um 20.34 Uhr), dann zwei weitere um 22.03 Uhr und 22.11 Uhr.

Sie haben gesagt, "wir waren mit starken Polizeikräften" vor Ort. Sind 143 Kräfte "stark" angesichts eines entfesselten Mobs?

Die Polizei Köln hatte sich für den Silvesterabend konzeptionell vorbereitet. Dazu gehört es unter anderem, sich an den Erfahrungen der Vergangenheit zu orientieren. Für diese Situation war die Kräftelage ausreichend. Die tatsächliche Lageentwicklung war überraschend und so nicht vorhersehbar.

Waren alle 143 gegen Mitternacht auf dem Bahnhofsvorplatz im Einsatz oder in der gesamten Innenstadt?

Aufgrund der Lageentwicklungen wurden alle Beamten des Silvestereinsatzes am Bahnhofsvorplatz zusammengezogen.

Zu diesem Zeitpunkt wurde der Platz aufgrund der drohenden Eskalation geräumt. Warum konnte die Polizei danach nicht die Situation unter Kontrolle bringen?

Nach der Räumung des Bahnhofsvorplatzes gegen 23.35 Uhr hatte sich die Lage deutlich beruhigt. Gegen 00.45 Uhr hoben die Beamten die Sperrungen auf, um unter anderem heimkehrenden Kölnbesuchern den Zugang zum Bahnhof zu ermöglichen. Hier bildeten sich dann erneut größere Gruppen.

Warum wurden nicht mehr Polizisten zu dem Einsatz hinzugezogen?

Die zur Verfügung stehenden Beamten waren zusammengezogen worden. Für die erkennbare Lage war dies ausreichend. Aufgrund des großen Gedränges, der Dunkelheit und der Menschenmassen war ein Großteil der Vorfälle für die eingesetzten Beamten nicht erkennbar und trat erst am Folgetag durch die Vielzahl der Strafanzeigen in der nun bekannten Deutlichkeit zutage.

Es gab wiederholt Rücktrittsforderungen gegen Sie. Werden Sie Ihr Amt aufgeben?

Ich denke nicht an einen Rücktritt. Derzeit läuft die Aufarbeitung und Karneval steht vor der Tür. Hier möchte ich aktiv als Behördenleiter die Polizei Köln führen.

Können Sie den Kölnern garantieren, dass sie in vier Wochen, Anfang Februar, sicher in ihrer Stadt den Straßenkarneval feiern können?

Zusammen mit Vertretern der Stadt Köln und der Bundespolizei habe ich am 5. Januar 2015 ein Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem wir künftig gemeinsam bei Großveranstaltungen agieren wollen. Unter anderem erhöht die Kölner Polizei anlassbezogen ihre Präsenz, überprüft die Realisierbarkeit temporärer Videoüberwachungen und die Erteilung von Bereichsbetretungsverboten.    

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017