Die Berichte der Kölnischen Rundschau, 07.01.2016

von Jens MEIFERT, Kölnische Rundschau

Klar geregelt

Zur Debatte um die Übergriffe

Der Rauch der Silvesternacht ist längst nicht verzogen. Einige Schleier haben sich gelichtet, aber der Blick ist nicht frei auf das, was einer großen Zahl von Frauen in diesen verheerenden Stunden passiert ist. Das ist schlimm vor allem für die Opfer, die nun mit den Folgen leben müssen. Schaden richtet es aber auch für das Klima im Land an. Denn wo Fakten fehlen, stehen die Schleusen für Vorverurteilungen und Hysterie weit offen. Für Häme im Netz sowieso.

Die Forderung nach einer harten Antwort des Rechtsstaates ist von allen Seiten zu hören. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will die "konsequente Abschiebung". Und zwar unabhängig von der Herkunft der Täter.

Unabhängig von der Herkunft? Wie denn sonst. Es gibt ja eine klare gesetzliche Regelung: Das Ausweisungsinteresse des Staates überwiegt das Bleiberecht bei Delikten, die mit einem Strafmaß von über zwei Jahren geahndet werden. Das heißt allerdings: Viele Delikte der Silvesternacht können gerade nicht zur Ausweisung führen. Krafts Forderung läuft schon deshalb ins Leere.

Man mag als Konsequenz aus den Kölner Übergriffen für eine weitere Verschärfung des Gesetzes eintreten. Aber bevor Sanktionen verhängt werden können, muss erst einmal der Nachweis einer Tat erfolgen. Zu befürchten ist, dass dieser Nachweis in Köln nicht zu führen ist, möglicherweise in keinem einzigen Fall. Weil die geschädigten Frauen ihre Haut retten mussten und sich keine Gesichter einprägen konnten, weil die mutmaßlich organisierten Gruppen im Schutz der Dunkelheit ihre Taten begangen haben. Auch wenn es manchmal schwer auszuhalten ist: In einem Rechtsstaat darf es keine Verurteilung geben ohne eine zweifelsfreie Beweisführung.

Schwer auszuhalten ist auch mancher Kommentar, vor allem im Internet. In den oft gar nicht sozialen Netzwerken sind Flüchtlinge und Migranten schnell in der Schusslinie. Hier zählt das Argument nichts, aber das schnelle Urteil alles. Und am Wege lagern schon die Pegida-Aktivisten, die den Volkszorn dankbar ventilieren in die nächste Entrüstungsdemonstration. In Köln ist sie für Samstag angekündigt. Pegida auf den Spuren von Hogesa. Es schaudert einen.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sieht sich zum Beginn ihrer Amtszeit enormen Herausforderungen gegenüber. Und Kübeln voller Häme, die sich nach ihrer "Armlängen"-Äußerung über sie ergossen haben. Geschickt war sie nicht, allerdings auch nicht skandalös. Aber für einen kurzen Klick ist im Netz keine Äußerung zu billig und keine Photoshop-Montage zu abwegig. Das Problem ist nur: Der Sache wird man damit nicht gerecht. Und den betroffenen Frauen auch nicht.

 

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017