Die Berichte der Kölnischen Rundschau, 20.01.2016

von Daniel TAAB, Kölnische Rundschau

Rückkehr unter besonderen Umständen

Vom Streifenwagen auf den Chefsessel: Jürgen Mathies ist neuer Polizeipräsident

Überlastete Beamte, verlorenes Sicherheitsgefühl, Karneval vor der Tür, viele Großeinsätze und eine noch nicht ausgestandene SEK-Affäre: Kölns neuer Polizeipräsident Jürgen Mathies steht vor einem Berg von Problemen. Dies scheint der 55-Jährige auch genau zu wissen. Denn bei der gestrigen Vorstellung im Präsidium durch Innenminister Ralf Jäger machte der "Neue" mehrfach deutlich, dass er vor einer "riesigen Herausforderung" steht. Dass ihm die Leitung der größten Polizeibehörde in NRW anvertraut werde, ehre ihn, der Anruf des Innenministers habe ihn aber auch überrascht. Jäger betonte allerdings, dass er Mathies "nicht überredet" hat.

Wie kaum ein anderer Polizeipräsident in den vergangenen Jahren erhält Mathies viele Vorschusslorbeeren. Die Polizeigewerkschaft lobt, dass nun ein "echter Praktiker" am Ruder sei, der mit seiner fachlichen Kompetenz genau die richtige Besetzung sei. Rüdiger Thust vom Bund der Deutschen Kriminalbeamten sagt: "Es geht aufwärts." Andere leitende Beamte im Präsidium finden positiv, dass nun ein Mann an der Spitze ist, der den Job von der Pike auf gelernt hat. Denn vor mehr als 35 Jahren war Mathies selbst im Streifenwagen und auf dem Motorrad in Köln unterwegs. Jetzt kehrt er unter anderen Umständen zurück. "Ich war auf Streife in Porz und in der Innenstadt unterwegs", sagte der 55-Jährige. Seine Dienststelle in der City war damals die Wache am Waidmarkt - das ehemalige Polizeipräsidium.

Als neuer Polizeipräsident und Nachfolger des abberufenen Wolfgang Albers will er den Kölnern das Gefühl zurückgeben, in ihrer eigenen Stadt ohne Sorgen leben zu können. "Es ist eine schreckliche Situation, wenn Bürger ihrer Polizei nicht mehr vertrauen", sagte Mathies. Der 55 Jahre alte gebürtige Wuppertaler will nun den guten Ruf der Polizeibehörde wiederherstellen. Die massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen aus der Silvesternacht sollen sich auf keinen Fall wiederholen."An allererster Stelle steht für mich, dass sich die Leute in Köln wieder sicher fühlen können", sagte er. An Karneval sollen Hunderte Kräfte eingesetzt werden. In einem ersten Schritt kündigte der "Neue" an, dass es mehr mobile Wachen am Hauptbahnhof, in der Altstadt oder auf den Ringen geben wird. Auch die Videoüberwachung auf der Vergnügungsmeile und am Hauptbahnhof soll erweitert werden. Ein weiteres Thema, das dem neuen Behördenleiter unter den Nägeln brennt, ist die Gewalt gegen Kölner Polizisten: "Das ist unerträglich. Auch Beamten sollen sich sicher fühlen."

Mathies äußerte sich zudem zum Vertrauensbruch zwischen dem ehemaligen Polizeipräsident Wolfgang Albers und Oberbürgermeisterin Henriette Reker nach den Vorfällen in der Silvesternacht. Der 55-Jährige plant, rasch ein Gespräch mit der Ersten Frau der Stadt zu führen: "Für die kommenden Aufgaben brauchen wir uns gemeinsam."

Die Silvesternacht wirkt bei dem neuen Behördenleiter noch nach, das wurde gestern deutlich: "Ich bin entsetzt und betroffen. Man wird sprachlos." Eine Verstärkung für die Kräfte am Hauptbahnhof sei "jederzeit möglich gewesen", so Mathies. Mitte Dezember sei entschieden worden, wie viel Personal in der Silvesternacht eingesetzt werde. Dies sei nach dem Stand von damals ausreichend gewesen. Die Polizei müsse sich in diesem Zusammenhang auch kritische Fragen gefallen lassen und aus Fehlern lernen. Es sei wichtig, die Geschehnisse mit "Mut zur Selbstkritik" aufzuarbeiten. Gleichzeitig verteidigte er die Polizei als "sehr engagiert" und "hoch professionell". Das derzeitige Misstrauen habe sie absolut nicht verdient.

Dass die kommenden Wochen für den verheirateten Vater von zwei erwachsenen Söhnen anstrengend werden, steht außer Frage. Entspannung findet der 55-Jährige beim Wandern, sagte er gestern. Jürgen Mathies (parteilos) lebt seit Jahren mit seiner Familie im Rhein-Sieg-Kreis.

DIE KÖLNER POLIZEI

Der neue Polizeipräsident ist der Dienstherr von rund 4500 Polizisten in verschiedenen Dienststellen in Köln und Leverkusen. Bei der Behörde gibt es 40 verschiedene Kommissariate, von der Mordkommission bis zur Abteilung für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität.

Die Polizei ist für ein Gebiet von 484 Quadratkilometern zuständig. Im Einzugsgebiet der Behörde leben rund 1,2 Millionen Menschen. Jürgen Mathies sind im Kölner Polizeipräsidium der Leitungsstab, die Direktion für Zentrale Aufgaben, Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz, Direktion Kriminalität, Verkehr und die Abteilung für Besondere Aufgaben untergeordnet. Die unmittelbare Arbeit auf der Straße wird im Wach- und Wechseldienst in sieben verschiedenen Polizeiinspektionen, von Mitte über West bis nach Leverkusen, bewältigt - für diese Einsätze ist an oberster Stelle die Direktion Gefahrenabwehr/Einsatz zuständig.

Die Autobahnpolizei Köln ist für das operative Geschäft in den Wachen in Bensberg, St. Augustin, Frechen und Broichweiden beheimatet und fährt von dort aus Einsätze. Die Direktion Verkehr sitzt im Polizeipräsidium in Kalk. In Leverkusen arbeiten Teile des Verkehrskommissariates, darunter die "örtliche Unfalluntersuchung", die beispielsweise Statistiken auswertet, oder die Beamten, die sich mit Ordnungswidrigkeitsanzeigen befassen.

<<Auf>> dem Polizeigelände in Brühl sind die drei Einsatzhundertschaften untergebracht sowie die Technische Einheit, Taucher der Kölner Polizei und die Spezialkräfte. Auch die Schießanlagen sind <<auf>> dem Areal in Brühl beheimatet. (ta)

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017