Die Berichte des EXPRESS, 12.04.2016

von Robert BAUMANNS, Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

Fuhren Polizisten zum Feuerwerk schauen?

Köln - Die Aufarbeitung der Silvesternacht bringt unaufhörlich neue Details ans Licht. Nun steht der Verdacht im Raum, dass Polizisten zum  Feuerwerk -Gucken auf die Zoobrücke fuhren - während am Hauptbahnhof zahlreiche Opfer dem Sex-Mob ausgeliefert waren. Den Beamten war offenbar nicht klar, was auf dem Bahnhofsvorplatz geschah.

Es existiert ein Video, das EXPRESS vorliegt. Es stammt von 0.03 Uhr: Über Köln erhebt sich ein spektakuläres Lichtermeer, das wieder mal Hunderttausende begeistert. Der beste Blick bietet sich auf den Rheinbrücken. Genau das haben sich möglicherweise mehrere Beamte der Polizei gedacht.

Das Video hat der für die Zoobrücke zuständige Ordnungsamtsmitarbeiter Andreas R. gemacht. Es ist zu sehen, wie sieben Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht auf der Nordseite der Brücke Halt machen - pünktlich zum Silvester-Spektakel am Himmel. Um aufzupassen, dass niemand auf die Fahrbahn gerät? Oder für die bessere Aussicht?

In einer Mail, die R. am 6. Januar seinem Chef schrieb, heißt es: "Gegen 23:58 Uhr befuhren ca. 7 Einsatzmittel der Polizei die Nordseite der Brücke bis zur Mitte und blieben mit eingeschaltetem Blaulicht sowie gelbem Warnblinklicht dort stehen. Bis 00.15 Uhr gab es ca. 15 Fahrbahnquerungen durch Personen von der Nord- auf die Südseite. Danach wurden keine Überquerungen beobachtet." Zur selben Zeit wurde der Bahnhofsvorplatz unter großen Anstrengungen von rund 80 Bereitschaftspolizisten des Landes sowie der Bundespolizei geräumt. Andere Kräfte wurden nicht angefordert.

Laut EXPRESS vorliegenden Unterlagen war für die Zoobrücke - im "Bedarfsfall" - lediglich ein Streifenwagen vorgesehen. Auf Anfrage teilte eine Polizeisprecherin am Montag zunächst mit: "Wir haben alle Einsätze ab 22 Uhr durchgesehen, aber auf der Zoobrücke hatten wir nichts." Später sagte sie: "Durch die Komplexität des Einsatzgeschehens in der Silvesternacht und bedingt durch die Tatsache, dass auch viele Fremdkräfte der Polizei im Einsatz waren, können wir noch nicht abschließend sagen, ob es einen Einsatz auf der Zoobrücke gab und wenn Ja, aus welchem Anlass." Aber: "Aus unseren normalen Einsatzprotokollen geht nichts hervor." Einsätze müssen prinzipiell im Polizeisystem eCebius dokumentiert werden.

Vor dem Untersuchungsausschuss trat R. als Zeuge auf. "R. hat ausgesagt, dass er die Polizei nicht angefordert hat und es keinen Grund für einen Einsatz gegeben habe", sagt CDU-Obfrau Ina Scharrenbach (39).

Ihr Kollege, der Kölner Landtagsabgeordnete Christian Möbius (49, CDU), findet: "Das Video des Ordnungsamtes wirft neue Fragen auf. Was machen die Polizeiwagen auf der Zoobrücke, wenn sie vom zuständigen Abschnittsleiter des Ordnungsamts nicht angefordert wurden? Einige Beamte sind offenbar ausgestiegen. Haben Sie sich das  Feuerwerk  angeguckt, während am Bahnhof Hunderte Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen wurden? Das wäre fatal - und bezeichnend für den missglückten Einsatz in der Silvesternacht." Laut Scharrenbach ist dies "nur ein Vorgang von vielen, der erst durch den Untersuchungsausschuss hochkommt. Das Ministerium klärt offenbar nichts dergleichen von sich aus auf. Klar ist: Zum fraglichen Zeitpunkt wären die Polizisten an anderer Stelle dringend gebraucht worden."

Auszeichnungen:

"Wächterpreis der Tagespresse" 2017