Die Berichte des EXPRESS, 14.04.2016

von Gerhard VOOGT, EXPRESS in Köln, Christian WIERMER, EXPRESS in Köln

'Nur für Köln ist alles schwierig'

Das Land verweigerte der Kölner Polizei Kräfte für den Einsatz in der Silvesternacht. EXPRESS liegen Belege vor

Düsseldorf - "Es klappt überall siehe Duisburg oder Gelsenkirchen .... Nur für Köln ist immer alles  schwierig ", schrieb der Kölner Polizeihauptkommissar Stefan N. am frühen Morgen des 16. Dezember an seinen Ansprechpartner beim Land, Karl-Heinz R.. "Ich ärgere mich ein wenig und bin gegen 08:40 Uhr im Büro."

Der Mann aus der Führungsgruppe der Direktion GE (Gefahrenabwehr Einsatz) klang resigniert. Gerade hatte er erfahren, dass sein Versuch, dieses Mal endlich deutlich mehr Bereitschaftskräfte für sie Kölner Silvesternacht zu erhalten, zu scheitern droht.

Und in der Tat kam zwei Tage später ganz offiziell die befürchtete Nachricht vom Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) NRW: "Der Kräfteanforderung vermag ich nicht vollumfänglich entsprechen." Anstatt der gewünschten kompletten Hundertschaft (123 Polizisten) stellte das Land für die Kölner Silvesternacht nur zwei Züge (83 Polizisten) zur Verfügung. Eine Entscheidung, die heute viele Fragen aufwirft.

Das NRW-Innenministerium beeilte sich nach der Silvester-Schande sofort, die Verantwortung komplett nach Köln abzuschieben. Niemand habe beim Land ahnen können, was passiert. Die Lageeinschätzung sei ja nahezu "gleich" zu den Vorjahren gewesen. Und im Übrigen sei die Kräftezuweisung ja auch "einvernehmlich" erfolgt.

Tatsächlich? Die Kölner Polizei widerspricht dem heute ausdrücklich. Nein, Einvernehmen sei nicht erklärt worden, teilt sie auf Anfrage mit. Und auch dem EXPRESS vorliegende Dokumente zeichnen ein anderes Bild als das des Ministeriums. Wortreich, mit Fakten untermauert, bemühte sich das Polizeipräsidium jedenfalls im Vorfeld um mehr Unterstützung. Darin heißt es pikanterweise: "Neben einer Vielzahl von Körperverletzungsdelikten (häufig als "Tumultdelikt") hat es in den letzten Jahren insbesondere in den Deliktsbereichen Taschendiebstahl und Straßenraub erhebliche Steigerungen gegeben. Dies dürfte maßgeblich auf die Täterklientel NAFRI zurückzuführen sein, die die günstigen Tatgelegenheitsstrukturen nutzen".

Und weiter hielt Hauptkommissar Matthias P., der am Mittwoch Zeuge im Untersuchungsausschuss des Landtages war, fest: "Zur Bekämpfung kann der Vielzahl von Tumultdelikten insbesondere durch den Einsatz geschlossener Einheiten erfolgreich begegnet und gleichzeitig auch eine präventive Wirkung erzielt werden." Sprich: Bereitschaftspolizisten vom Land.

Und auch eine am 2. Dezember notierte Erfahrung aus dem Vorjahr lässt besonders aufmerken. "Der Bereich Dom und HBF erwies sich bereits zu Einsatzbeginn (20:00 Uhr) als "Hotspot", der einen Einsatz von BP-Kräften zwingend erforderlich macht."

"Zwingend erforderlich", "Hotspot" Hauptbahnhof - Fakt ist: Nachdem das Land die Kräfte verweigerte, wurde auf die ursprünglich geplante Einteilung von Bereitschaftspolizisten am Dom verzichtet. "Das war falsch", sagte Matthias P. vor dem Ausschuss.

Die CDU kritisierte, Staatskanzlei und Innenministerium hätten dem Ausschuss nicht alle Dokumente zur Verfügung gestellt. So fehle zum Beispiel der Mailverkehr zwischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (54, SPD) und ihrem Regierungssprecher. Auch die Mailkommunikation zwischen Innenminister Ralf Jäger (55, SPD) sei den Unterlagen nicht beigefügt. Der Union forderte die Landesregierung auf, Dokumente nachzuliefern.

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