"Jesus" als "Stellvertreter Gottes" im Fokus von Karikaturen

1522

Flugblätter
Zur Zeiten der Reformation gibt es Flugblätter mit Papst-Karikaturen. Beispielsweise die Offenbarung im sogenannten September-Testament von Martin LUTHER von 1522. Dort sind anti-papistische Karikaturen illustriert


1928

Jesus mit der Gasmaske
Der Karikaturist George GROSZ veröffentlicht eine Zeichnung mit dem Titel  "Jesus mit der Gasmaske". Dieses Thema beschäftigt ihn schon lange, denn er überlegt, wie Jesus wohl in der heutigen Zeit darzustellen wäre. Er stellt den gekreuzigten Jesus als Opfer seiner Zeit dar. Mit Stiefel und Gasmaske und mit einem Kreuz in der Hand. Am Rand steht "Maul halten, wir dienen".
Die Zeichnungen führen zu einer Anzeige wegen Gotteslästerung. In den ersten drei Instanzen erfolgen drei Urteile: Geldstrafe, Freispruch, Aufhebung des Freispruchs durch das Reichsgericht und Zurückweisung an das Landgericht Berlin. Dieses entscheidet sich im Dezember 1930 erneut für einen Freispruch. Und auch die nochmalige Revision vor dem (gleichen) Reichsgericht endet diesmal ebenfalls in einem Freispruch – nach insgesamt 5 Instanzen. 
GROSZ flieht 1933 in die USA. In Deutschland werden seine Werke als "entartete Kunst" verboten:


1978

Die Reise nach Jerusalem
Hans Johann Georg TRAXLER (u.a. Mitbegründer des Satire-Magazins "Titanic") veröffentlicht den Bildband "Reise nach Jerusalem – Und acht weitere Bildgeschichten in Memoriam Paul VI". Darin wird u.a. der ehemalige Papst Paul VI karikiert.

Eine Woche vor Beendigung der Arbeit an diesem Buch stirbt Paul VI. Am gleichen Tag, als dieses Buch angedruckt wird, starb auch Papst Johannes Paul I., den TRAXLER für die letzte Seite seines Buches erstmalig karikiert hatte. Betrübt durch den Verlust seines " Lieblingshelden" Paul VI. (Traxler), der ihn seit zehn Jahren durch das Karikaturisten-Leben begleitete will der Zeichner künftig die Finger von Papst-Zeichnungen lassen.

Es folgen aber weitere Buchveröffentlichungen und Zeichnungen über das Christentum, sowie Weihnachts-Satiren. Außerdem ist er als Illustrator für andere Autoren (z.B. Eugen ROTH) tätig.

Weitere Buchveröffentlichungen:

  • Das Teufelsbuch. Sanssouci Verlag, München 2004
  • Das Schutzengelbuch. Sanssouci Verlag, München 2002
  • Ich, Gott und die Welt. Neue Bildergedichte, Reclam Verlag, Stuttgart 2010

1979

Das Leben des Brian
In dem Film "Das Leben des Brian" der britischen Komiker-Truppe Monty Python wird die Lebensgeschichte des Jesus-Doppelgängers Brian erzählt.
Es folgen weltweite Proteste, in Schottland wird der Film sogar verboten. 
Obwohl der Vorwurf der Blasphemie von fast allen Seiten entkräftet wurde, ist die Satire nach wie vor bei strengläubigen Christen umstritten und gilt aufgrund ihrer rezeptionsgeschichtlichen Bedeutung als Paradebeispiel für die Reibungspunkte zwischen künstlerischer Meinungsfreiheit und Religionstoleranz. Filmkritiker und die Pythons selbst bezeichnen Monty Python’s Life of Brian aufgrund seiner Geschichte und intellektuellen Substanz als das reifste Werk der Komikergruppe. Zahlreiche Umfragen bestätigen außerdem den anhaltenden Erfolg beim Publikum. Das Abschlusslied "Always Look on the Bright Side of Life" wurde weit über den Filmkontext hinaus bekannt.

Regie: Terry Jones Drehbuch: Graham Chapman, John Cleese, Terry Gillian, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin


Von der britischen Komiker-Truppe Monty Python sind u.a. erschienen:

  • Der heilige Gral
  • Die Ritter der Kokosnuss
  • Der Sinn des Lebens

1982

Das Gespenst
In dem Film "Das Gespenst" von ACHTERBUSCH wird Jesus zum Kellner und zeigt außerdem, wie er vom Kreuz steigt, um mit einer jungen Ordensoberin zu schlafen. Die Folge: diverse Blasphemie-Vorwürfe in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 
Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (kurz FSK) entscheidet, den Film nicht freizugeben, da er die katholische Kirche attackiere. In Österreich erreichte Herwig NACHTMANN (österreichischer Zeitungsverleger, Rechtsextremist und Proponent der NPD) mit einer Klage die Beschlagnahmung des Films nach Paragraph 36 Mediengesetz.
Die FSK revidiert nach einiger Zeit ihre Entscheidung (in Österreich und der Schweiz bleibt der Film verboten), jedoch protestierten in Deutschland hunderte Katholiken vor den Kinos:


1984

Titanic-Cover
Das Satiremagazin wird nach §166 StGB wegen "Beschimpfung von Bekenntnissen" bzw. wegen Gotteslästerung vom Landgericht Göttingen verurteilt. Auf dem Cover stellt das Kruzifix eine Toilettenrolle mit der Aufschrift "Spielt Jesus noch eine Rolle?" dar


1984

"Masochismus ist heilbar"
In einem weiteren Fall wird eine Frau aus Göttingen für die Aussage, die christlichen Kirchen gehören zu den "größten Verbrecherbanden" der Welt auf einem Flugblatt sowie zwei Aufklebern mit den Texten "Lieber eine befleckte Verhütung als eine unbefleckte Empfängnis" und "Masochismus ist heilbar" in Verbindung mit einem durchgestrichenen Kruzifix, in zwei Instanzen nach §166 StrGB verurteilt


1988

"Die letzte Versuchung"

Die Spitzenbesetzung und vor allem der Publicity-Wirbel um das Jesus-Drama verhelfen dem Film zu einem beträchtlichen Erfolg - Hauptdarsteller sind u.a. Harvey KEITEL, Willem DAFOE, Barbara HERSHEY


1994

Das Maria-Syndrom

Das Musical von Michael SCHMIDT-SALOMON zeigt Maria, wie sie durch eine verunreinigte Klobrille befruchtet wird und daraufhin ein Fall von "Jungfrauengeburt" erleidet. Die Uraufführung soll am 28. Mai 1994 in Trier stattfinden, jedoch wird die Aufführung einen Tag vorher vom dortigen Ordnungsamt verboten. Das Bistum Trier hat zuvor einen Antrag gestellt. Auch eine Aufführung vor einem "garantiert religionsgefühllosen Publikum" wurde nicht zugelassen. Das anschließende Gerichtsverfahren ging über mehrere Instanzen: Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte die Rechtmäßigkeit des Verbots und folgte darin dem Oberverwaltungsgericht Koblenz. 

Die Begründung: Der Beklagte (Aufführer des Stücks) war zum Aufführungsverbot berechtigt, um so eine drohende strafbare Handlung nach §166 StGB abzuwehren. Laut §166 StGB hätte er bis zu drei Jahren ins Gefängnis und eine Geldstrafe zahlen müssen. Das Verbot des Maria-Syndroms wurde weiter damit begründet, dass "auch die Kunst die im Begriff der öffentlichen Sicherheit vereinigten Rechtsgüter des Bestandes des Staates und seiner Einrichtungen, des Schutzes von Leben, Gesundheit, Freiheit und Ehre des einzelnen sowie des rechtlich geschützten Vermögens Dritter nicht gefährden darf". Das ist dann der Fall, wenn Straftaten zu befürchten sind und eine solche hätte die verhinderte Aufführung dargestellt. Die grundsätzlich durch den Gesetzgeber geschützte Kunst kann hier nicht zur Anwendung kommen, da aus den bekannten Zitaten des Stücks ein Maß an Missachtung christlicher Glaubensvorstellungen spreche und dies sei nicht mehr im Bereich der künstlerisch-satirischer Kritik anzuwenden. Zusätzlich war im Programmheft der Aufführung davon die Rede, dass die Kirche "eine der größten Verbrecherorganisationen der Menschheitsgeschichte" darstellt. Somit nahm das Gericht ebenfalls an, dass das Stück "gegenüber den Anhängern der katholischen Kirche ein Klima der Intoleranz" hervorrufe. Die Aussage des Autors, er habe mit seinem Werk vor allem die destruktiven Kräfte von Religionen zeigen und ihnen den Gedanken der Toleranz entgegensetzen wollen, wurde im Urteil nicht berücksichtigt. 

In Trier leben anscheinend besonders gläubige Juristen. In den 1950ern schrieb Arno SCHMIDT einen Roman namens "Seelandschaft mit Pocahontas". In dem Buch gab es aufsehenerregende Passagen wir "das bigotte Rheinland". Allerdings brauchte das Trierer Amtsgericht zu lange, um eine Anklageschrift zu verfassen und SCHMIDT lebte längst in Darmstadt, sodass die Ermittlungen an mehreren Orten stattfanden. Die zuständige Staatsanwaltschaft beurteilte die Erfolgsaussichten des Autors anders und das Verfahren wurde eingestellt 
Mehr unter  www.maria-syndrom.de


1998

Jesus als AIDS-Kranker
Die schwedische Fotografin Elisabeth OHLSON inszeniert Jesus als schwulen AIDS-Kranken. Reaktionen bleiben nicht aus: auf ihrer Ausstellung "Ecce homo" werfen Demonstranten Steine nach ihr. Die Idee zu dieser Ausstellung hatte die Fotografin, weil ihr Freund an AIDS erkrankt war und einige Christen behaupten, AIDS wäre die Strafe Gottes:


1998

Jesus als barbusige Frau
Bettina RHEIMS, eine französische Fotografin zeigt auf ihrem Buch Cover "I.N.R.I." Jesus als gekreuzigte, barbusige Frau. Desweiteren enthält der Bildband die Leidensgeschichte Jesu in Bildsprache: u.a. Jesus in der Autowerkstatt, die zwölf Apostel als Jugendgang zwischen brennenden Mülltonnen. 
In Frankreich lösen die Bilder heftige Proteste aus, in Deutschland sind die Reaktionen wesentlich nüchterner: Das Deutsche Historische Museum widmet der Künstlerin 1999/2000 eine eigene Ausstellung: "INRI"


1999

Jesus als "kleines Arschloch"

Im Stile des "Kleinen Arschloch" zeichnet Walter MOERS ein Comic namens „Du bist ein Arschloch, mein Sohn“ mit der Geschichte des Jesus. Er erhält daraufhin eine Strafanzeige wegen Religionsbeschimpfung. Das Verfahren wird jedoch schnell wieder eingestellt


1999

Punk und Religion
Die Punkband WIZO verkauft im Internet ein T-Shirt. Darauf sind ein gekreuzigtes Schwein und - an Stelle der bei Kruzifixen üblichen "INRI"-Aufschrift - das Logo (Markenzeichen) einer Punk-Band abgebildet. 
Das OLG Nürnberg wertet diese Darstellung als gezielte, geschmacklose und bösartige Verunstaltung des für das Christentum wesentlichsten Glaubenssymbols. Desweiteren habe die Plattenform das religiöse Bekenntnis zahlreicher Christen öffentlich besudelt und in den Schmutz gezogen.
Somit macht sich die Band, bzw. die Plattenfirma wegen Beschimpfens religiöser Bekenntnisse (§ 166 Abs. 1 StGB) strafbar


Februar 2000

Jesus und Jünger als trinkfreudige Homosexuelle
In Heilbronn hat das umstrittene Theaterstück "Corpus Christi" von Terence MACNALLY Deutschland- bzw. Europa-Premiere. In dem Stück werden Jesus und seine Jünger als trinkfreudige Homosexuelle dargestellt, was vielen religiösen Menschen gar nicht passt. "Corpus Christi" wird am Broadway uraufgeführt, auch dort hatte es Proteste gegeben. 
Etwa 1.000 Gegner des Stücks (Christen, Juden und Moslems) demonstrieren, es kommt zu Handgreiflichkeiten. Ein Polizist wird sogar von einem syrisch-orthodoxen Christen durch einen Biss an der Hand verletzt. Wegen einer Bombendrohung muss das Stück kurzzeitig abgebrochen werde – es findet aber weiterhin statt. 
Später folgen Aufführungen u.a. in Kassel, Köln, Hamburg. Freiburg, Esslingen und Weimar – das Karlsruher Staatstheater sagt die Inszenierung aus Sicherheitsgründen ab


22.03.2000

Zeitschrift "Al-Hayat al-Jadida"
Eine Karikatur in der offiziellen Zeitung der Palästinensischen Regierung "Al-Hayat al-Jadida" mit dem Titel (Der Jude ist Satan) Der Papst sagt: "Friede auf Erden!" Der Satan-Jude: "Kolonien auf der Erde!"


2003

Palästinenser Zeitung "Al Quads"

In der Tageszeitung "Al Quads", die den Palästinensern nahesteht und in London erscheint wird am 22. Juli 2003 eine Karikatur mit einem Witz über Jesus am Kreuz veröffentlicht


2003

Jesus als Spät-Hippie
In dem Buch "Das Leben des Jesus" zeigt der österreichische Karikaturist Gerhard HADERER Gottes Sohn als bekifften Hippie.

In Deutschland bleiben Klagen aus, jedoch nicht in Athen. Es folgen heftige Reaktionen auf die griechische Version seines Buches. 
Im Januar 2005 wird HADERER, ohne dass er anwesend war, in Athen zu sechs Jahren Haft verurteilt. Geklagt hatte die orthodoxe griechische Kirche. HADERERS Verteidiger kündigen Berufung an.
Im April schließlich kommt es noch einmal zum Prozess und HADERER wird freigesprochen


2005

Oper von Jerry SPRINGER

In "Jerry Springer – The Opera" tanzt ein schwuler Jesus in Windeln über die Bühne. Die Oper läuft lange im Londoner Westend und wird von der BBC ausgestrahlt. 

Die Lobbygruppe Christian Voice sammelt 47.000 Beschwerden gegen BBC und Proteste folgen, die aber friedlich ablaufen. Allerdings treffen auch Morddrohungen bei der BBC ein


Januar 2006

Das deutsche Satiremagazin "Titanic" setzt  sich mit dem Dauerproblem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen in christlichen, insbesondere auch katholischen Schulen und sonstigen Institutionen (vgl. Missbrauch - eine unendliche Geschichte auch in Deutschland) auseinander.

Folge: Proteste und öffentliche Diskussionen. Die  Titanic -Redakteure amüsieren sich und veröffentlichen die Protestanrufe und wütende Briefe auf ihrer Webseite.
 
Die Einleitung eines Strafverfahrens gegen das  Titanic -Cover wird am 26.04.2010 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt abgelehnt. Begründung: Die Vorwürfe der "Volksverhetzung" und der "Beschimpfung von Bekenntnissen" seien unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit nicht haltbar


23.05.2006

Popetown
Popetown ist eine kontrovers diskutierte Zeichentrick-Serie. Sie behandelt das Leben eines fiktiven Priesters, der in "Popetown" – einer Persiflage auf den Vatikan – lebt. Sie läuft auf MTV. 
Gegen die geplante deutsche Erstausstrahlung der Parodie protestierte auch Edmund Stoiber, CSU. Nach der Erstausstrahlung wollen das Erzbistum München und Freising die Ausstrahlung mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Das Gericht weist die einstweilige Verfügung ab. Die Serie darf anlaufen, denn „Popetown“ gefährde den öffentlichen Frieden nicht, begründete die 9. Zivilkammer des Landgerichts München I ihre Entscheidung (Aktenzeichen 9 O 8051/06).
"Popetown" lief Ende Mai 2007 auf dem TV-Sender MTV


2008

Religulous

Die Religionssatire "Religulous" kommt in die Kinos. Religulous ist eine Dokumentation von Larry Charles (Regisseur von "Borat"), die sich mit der Methode der Satire den Weltreligionen widmet. Der Titel setzt sich durch "religion" und "ridiculous" (lächerlich) zusammen. Bill Maher, ein amerikanischer Komiker, Schauspieler und Schriftsteller führt in der Dokumentation provokante Interviews mit Gläubigen. Es soll aufgedeckt werden, dass die Religion schlichtweg Unsinn ist. Es folgen durchweg positive Kritiken



(CM)