Wie aus Mohamed-Karikaturen ein weltweiter Religionsstreit wurde

Eine kleine Chronologie

Juni 2005

Der in Dänemark bekannte Kinderbuchautor Kåre BLUITGEN trifft sich mit Freunden der linken Szene auf einer Party. Dort er erzählt einem Agenturjournalisten, dass er ein Kinderbuch über den Propheten Mohammed verfassen möchte, jedoch keinen Zeichner findet; drei Zeichner hätten aus Angst vor gewalttätigen islamistischen Repressalien abgesagt. 
Der Agenturjournalist wittert eine gute Geschichte


16.09.2005

Die Agentur Ritzau verschickt die Story des Agenturjournalisten mit dem Titel „Dänische Künstler haben Angst vor Kritik am Islam“ an die Redaktionen. Die Angst der Zeichner wird im Zusammenhang mit dem Mord an dem niederländischen Filmregisseur Theo Van GOGH gesehen. Außerdem wurde kürzlich ein gewalttätiger Überfall auf einen Dozenten der Universität Kopenhagen gestellt – er hatte vor seinen Studenten laut aus dem Koran vorgelesen. 
Noch am selben Tag löst der Agenturbericht in den dänischen Medien eine intensive Debatte über Selbstzensur und Berührungsangst mit dem Islam aus. 

Flemming ROSE vom Morgenavisen Jyllands Posten, der größten Zeitung in Dänemark, schreibt an die 40 Mitglieder des Vereins der Zeitungskarikaturisten. Sie sollen Mohamed zeichnen, wie sie ihn sehen. 
12 Karikaturisten nehmen die Aufforderung an


30.09.2005

12 eingereichte Karikaturen werden im Kulturteil der Zeitung Morgenavisen Jyllands Posten abgedruckt:

Die unmittelbare Reaktion bleibt verhalten. Im muslimischen Milieu Dänemarks beginnt allerdings eine hitzige Diskussion. 

Die hitzigsten Köpfe nutzen ihre Kontakte zu einer Moschee in Arhus, die früher wegen ihrer Kontakte zu Extremisten in die Schlagzeilen geriet. Dort versammeln sich fünf Imame, darunter Raed HLAYEL, um einen Schlachtplan zu entwerfen. HLAYEL setzt sich mit seinen Vorschlägen durch: eine Strategie mit 19 Punkten. Darunter eine Klage gegen die dänische Regierung, Kontaktaufbau zu Botschaften der muslimischen Länder in Dänemark. 

Zwei Tage nachdem die Karikaturen gedruckt worden sind, versammeln sich zehn islamische Organisationen zu einer Sitzung in Kopenhagen und erwägen ebenfalls, 

  • die dänische Regierung zu verklagen
  • die Botschafter der muslimischen Länder in Dänemark einzuschalten
  • sowie religiöse Führer und die Medien im Nahen Osten zu kontaktieren.

Über ein Boykott der dänischen Waren wird ebenfalls nachgedacht. 

Während die Imame ans Werk gehen, treffen bei Jyllands Posten telefonisch Morddrohungen ein. Die erste ist von einem 17-jährigen Jungen, der bereits zwei Tage später verhaftet wird. Eine Woche darauf kommt es zu Morddrohungen gegen zwei namentlich bekannte Zeichner. Sie tauchen auf Empfehlung der Polizei erst mal unter


14.10.2005

In den ersten zwei Wochen nach der Veröffentlichung berichten die dänischen Medien erst wieder, als sich auf dem Rathausplatz von Kopenhagen Teilnehmer einer Demonstration versammeln – die Imane haben viele Gläubige für eine Protestdemonstration mobilisiert. In anschließenden Interviews erklären die Muslime, dass sie sich zwar von den Karikaturen nicht sonderlich gekränkt fühlen, aber jedoch den Eindruck hätten, ihre Religion und Kultur würden in Dänemark nicht sonderlich respektiert


24.10.2005

Die dänischen Imame ziehen Zwischenbilanz: ihre einzelnen Vorhaben sind im Großen und Ganzen verwirklicht. 

Vor allem der Druck auf die Botschafter islamischer Staaten zeigt Erfolge. So greift die ägyptische Botschafterin Mona Omar ATTIA in einem Brief den Ministerpräsidenten Anders Fogh RASMUSSEN an. In diesem beschwert sie sich über die „Schmutzkampagne“ und ersucht zugleich um ein Dringlichkeitstreffen. 

RASSMUSSEN’s Antwort verweist auf die Prinzipien der Meinungsfreiheit und der Blasphemiegesetze. Auf die Bitte eines Treffens geht er nicht ein: Die Forderung gegen die Presse einzuschreiten, stellt für ihn keine gute Diskussionsgrundlage dar.

RASSMUSSENS Einstellung ruft in der islamischen Welt große Verbitterung hervor. Später wird sich der Ministerpräsident harter Kritik ausgesetzt sehen, da er die Eskalation vielleicht hätte verhindern können. 
Vor allem Ägypten reagiert scharf; das Land ist seit einiger Zeit über die Rolle Dänemarks als Alliierter der USA irritiert. Ebenfalls missfallen hat Kairo, dass RASSMUSSEN bei seinem Besuch im Frühjahr 2005 darauf bestand, sich mit Vertretern der ägyptischen Opposition zu treffen. 
Doch die ägyptische Regierung hat noch ein anderes Motiv: Sie befindet sich im Wahlkampf und will sich mit religiösen Themen profilieren. Mithilfe der von ihr kontrollierten Medien gelingt es ihr, die Angriffe der dänischen Regierung zu einer Angelegenheit des ganzen Volkes zu machen


Herbst 2005

Die ägyptische Botschaft geht eine Allianz mit Raed HLAYHEL, Ahmed ABU LABAN und den übrigen Imamen ein, die den Protest in Dänemark lenken. Die Botschaft ermöglicht den Imamen, Delegationsreisen nach Ägypten, in den Libanon und nach Syrien zu arrangieren. Im Gepäck haben die Imame eine Mappe, die die Karikaturen des Jyllands Posten zeigen, aber ebenso eine Reihe weiterer Bilder, die den dänischen Muslimen angeblich anonym zugesandt worden sind. Zu sehen sind u.a. der Prophet als pädophiler Teufel oder der Prophet mit Schweinsohren. 

Viele Medien in Nahen Osten unterscheiden nicht nach Herkunft der Bilder. Sie berichten lediglich, dänische Medien hätten Mohammed als Schwein dargestellt (bei der angeblichen Schweine-Karikatur handelt es sich in Wahrheit um ein Foto des alljährlichen Schweine-Grunz-Festival, das von französischen Bauern organisiert wird, die weder etwas mit dem Islam noch mit der Islam-Kritik zu tun haben)


Dezember 2005

Maßgeblich beteiligt am Schüren des religiösen Feuers ist der ägyptische Außenminister GHEIT, Weggefährte des ägyptischen ‚Diktators’ MUBARAK. 
GEITH sorgt dafür, dass die Bildermappe im Dezember beim Gipfeltreffen der OIC (Organization of the Islamic Conference) in Mekka verteilt wird. Die Staats- und Regierungschefs diskutieren hitzig. Sowohl die dänische Regierung als auch Jyllands Posten geraten unter wachsenden Druck


Anfang Januar 2006

Anfang Januar sieht es nach einem Ende der Krise aus. Es kommen versöhnliche Signale von Seiten der ägyptischen Regierung, die nach der Wahl nicht mehr das Bedürfnis hat, sich profilieren zu müssen. Jedoch haben inzwischen andere Akteure ein starkes Interesse an dem Protest. Die staatlich kontrollierten Imame in Saudi-Arabien sind die Ersten


10.01.2006

In Mekka feiert man das Opferfest, das den Abschluss der jährlichen Pilgerzüge markiert. Zwei Millionen Menschen hören dem Imam Abdul RAHMAN zu. Weitere hundert Millionen verfolgen die Predigt live im Fernsehen. Der Imam fordert die Muslime auf, sich der „Kampagne gegen den Propheten“ zu widersetzen. 

Es gibt mehrere Erklärungen für die saudischen Motive: die alleinherrschende saudische Königsfamilie steht in ständiger Kritik von Fundamentalisten wegen Korruption sowie ihrer dekadenten Lebensweise. So kann das königliche Herrscherregime solch ein Thema wie die der dänischen Mohammed-Zeichnungen gut nutzen, um sich als Verteidiger des Propheten zu profilieren.
In den nächsten Tagen lässt Saudi-Arabien die Proteste bewusst eskalieren: in den Moscheen und sogar in den Supermärkten, wo sich ein Boykott dänischer Waren anbahnt


21.01.2006

Der in Ägypten geborene Yusuf AL-QARADAWI ist einer der einflussreichsten religiösen Führer der islamischen Welt. Neben einem eigenen Programm auf dem Fernsehsender al-Dschasira, betreibt der 79-Jährige seinen eigenen Nachrichtenkanal im Internet unter www.islamonline.net. Und er dirigiert zwei Organisationen namens „Europäischer Rat für Fatwa und Forschung“ sowie die „Internationale Union muslimischer Gelehrter“. 

Mit diesen zwei Organisationen schreitet AL-QARADAWI zum Kampf gegen die Mohammed-Zeichnungen. 
In einer Erklärung vom 21. Januar 2006 droht er, die Muslime der Welt aufzufordern, Dänemark zu boykottieren. Es sei denn, die Regierung greife „hart“ gegen die Kränkungen des Propheten durch. Die Erklärung ist als letzte Warnung gemeint


30.01.2006

Als sich die EU-Außenminister in Brüssel treffen, ist die Unterstützung für Dänemark gering. Mehrere Minister deuten an, Dänemark habe die Möglichkeiten, den Konflikt selbst zu lösen, ungenutzt verstreichen lassen. Es werden sogar Stimmen laut, die Angelegenheit „sei eher ein dänisches denn ein europäisches Problem“. So steht Dänemark alleine da. 

Der Großmufti von Jerusalem, Ekrima SABRI begründet den Alleingang folgendermaßen: „Dänemark ist ein leichtes Opfer. Ein kleines Land, das keinerlei entscheidende Bedeutung für die arabischen Länder hat. Deshalb macht sich niemand etwas daraus, dass die Proteste weitergehen“


 

DER TAG DES ZORNS: DEMONSTRATIONEN UND BRANDANSCHLÄGE WELTWEIT


Yusuf AL-QARADAWI legt noch einmal nach und ruft die muslimische Welt ernsthaft zum Kampf auf. Der 3. Februar - ein Freitag - soll zu einem „Tag des Zorns“ werden: mit weltumspannenden Protesten gegen die anstößige Kampagne gegen Allah und seinen Propheten Mohammed.
Seine Aufforderung findet Gehör: Überall sind die Mohammed-Karikaturen Thema der Freitagsgebete – von London bis Riad. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta greifen Demonstranten sogar die dänische Botschaft an


04.02.2006

Einen Tag nach dem „Tag des Zorns“, werden Gerüchte unter den muslimischen Verfechtern laut, dänische Rechtsextremisten wollten den Koran bei einer Demonstration in Hillerød, nördlich von Kopenhagen, verbrennen. 
An jenem Samstag endet eine Demonstration in der syrischen Hauptstadt Damaskus damit, dass die Botschaften von Dänemark und Norwegen angegriffen und in Brand gesetzt werden. Grund: SMS-Botschaften über die geplanten Verbrennungen des Korans in Dänemark.
Die Proteste gehen weiter:

  • Am Sonntag, 5. Februar, verüben Demonstranten Brandanschläge auf Dänemarks Botschafterbüro in Beirut. In Trabzon (Türkei) erschießt ein 16-Jähriger den katholischen Prieser Adrea Santoro. Sein Motiv: die Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen. Der Junge wird später zu 18 Jahren und 20 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Desweiteren droht eine Terrorgruppe mit Verbindungen zu Al-Qaida, alle Dänen zu töten
  • am Montag, 6. Februar, wird die dänische Botschaft in Teheran mit Brandbomben angegriffen. Von nun an verbreiten sich die Proteste über die ganze Welt
  • am Dienstag, 7. Februar, kommen bei einem Angriff auf norwegische ISAF-Soldaten mindestens vier Muslime ums Leben
  • am Mittwoch, 8. Februar, werden in Afghanistan vier Demonstranten nahe dem US-Stützpunkt von Sicherheitskräften erschossen
  • am Donnerstag, 9. Februar, findet im Libanon die bisher größte Demonstration mit bis zu 250.000 Teilnehmern statt – sie verläuft friedlich. Außerdem fordert Sayyid Hassan NASRALLAH in einer Rede G.W. BUSH und Condoleeza RICE auf, sie sollen in diesem Konflikt "das Maul halten".
  • am Freitag, 10. Februar, beschädigen Demonstranten die französische Botschaft in Teheran.
  • am Samstag, 11. Februar, demonstrieren etwa 5.000 Muslime friedlich gegen die Darstellung der Karikaturen. Gleichzeitig bietet der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip ERDOGAN an, in dem Konflikt zu vermitteln.
  • am 17. Februar kommen bei Protesten vor der italienischen Botschaft in Libyen 11 Menschen ums Leben. Zuvor zeigte sich der italienische Reformminister CALDEROLLI mit einem T-Shirt mit den Mohammed-Karikaturen.
  • am 18. Februar werden bei gewalttätigen Übergriffen auf Kirchen und christliche Geschäfte im Norden Nigerias 16 Menschen getötet, die hauptsächlich der christlichen Minderheit angehören. Außerdem werden 18 Kirchen zerstört und das Haus eines Bischofs niedergebrannt.

22.02.2006

Der Webseite "Cartoon Body Count" zufolge sind bei dem Karikaturen-Streit bis dato 139 Menschen ums Leben gekommen und 823 verletzt worden.


März und April 2006

Erst im Laufe des März und April hören die Demonstrationen auf und die Diplomaten kehren auf ihre Posten zurück. Auch der Boykott dänischer Waren ebbt ab und die Verhältnisse beginnen sich zu normalisieren. 
Nicht aber für die 12 Zeichner. Sie leben unter Polizeischutz und müssen eine Anonymität aufrechterhalten. Teilweise bis heute


03.05.2006

Der 28-jährige Pakistaner Aamir C. erhängt sich in seiner Zelle. Er hatte einst versucht den Chefredakteur der Zeitung "Die Welt" zu erstechen, da dieser die Karikaturen in der Zeitung veröffentlichte. Die Überführung des Leichnams nach Pakistan führt dort zu Massenkundgebungen und zur Verbrennung deutscher Fahnen. Die Pakistanische Regierung hegt außerdem Zweifel an dem Selbstmord und verlangt eine erneute Autopsie, obwohl schon bei der Ersten zwei pakistanische Polizeibeamte anwesend sind.


28.03.2008

Der dänische Zeichner und ehemaliger Karikaturist der Mohammed-Zeichnungen Kurt WESTERGAARD will den Anti-Islam-Film "FITNA" vom niederländischen Rechtspopulist Geert WILDERS verbieten lassen. Der hat einen 15-minutigen Film über den Islam im Internet veröffentlicht, in dem er die Religion mit dem Faschismus vergleicht und ein Verbot des Korans fordert.
Niederländische Politiker distanzieren sich von dem Film. Die Internetseite wird gesperrt


02.06.2008

Bei einem Anschlag auf die Dänische Botschaft kommen sechs Menschen ums Leben. Al-Qaida bekennt sich zu dem Anschlag und nennt als Grund erneut die Mohammed-Karikaturen.


Januar 2010

Anschlag auf Kurt WESTERGAARD
Ein 29-jähriger Somalier dringt mit einer Axt in das Haus des Mohammed-Zeichners WESTERGAARD ein. WESTERGAARD flüchtet in das Badezimmer und alarmiert die Polizei per Handy. Die trifft nur zwei Minuten später ein und setzt den Eindringling durch Schüsse auf die Beine außer Gefecht


26.08.2010

In Deutschland kommt der Film „Das Leben ist zu lang“ in die Kinos. Der deutsche Regisseur 
Dani LEVY setzt in seinem Plot einen erfolglosen Regisseur in Szene, der einen Film über den Karikaturenstreit drehen will. Der Titel dieses fiktiven Films soll „Mo-ha-hammed“ heißen. Obwohl es um den dänischen Karikaturisten Kurt WESTERGAARD geht, taucht er selbst im Film nicht auf


08.09.2010

M100 – Medienpreis 2010
In Schloss von Sanssouci (Potsdam) wird dem dänischen Karikaturisten Kurt WESTERGAARD als „Anerkennung für sein unbeugsames Eintreten für Presse- und Meinungsfreiheit und für seinen Mut, zu diesen demokratischen Werten zu stehen und sie trotz Gewalt- und Todesdrohungen zu verteidigen“ der „M100 Medienpreis 2010“ verliehen. 

Der M100 Medienpreis wird anlässlich des Sanssouci-Colloquiums im Rahmen eines Gala-Abends verliehen. Das Sanssouci-Colloquium ist ein internationales Medientreffen in Potsdam, das 2005 im Rahmen der Bewerbung Potsdams zur Europäischen Kulturhauptstadt initiiert wurde. Bei dieser Veranstaltung versammeln sich rund 100 Meinungs- und Medienmacher mit dem Ziel, den Dialog untereinander zu stärken und das gegenseitige Verständnis zu fördern.

Die Hauptrede hält Angela MERKEL, die Laudatio Joachim GAUCK. Er spricht vom "Mut", den es immer wieder zu beweisen gibt, wenn " wenn verantwortungslose Menschen und Mächte unsere freiheitlichen Werte untergraben oder relativieren."

WESTERGAARD antwortet in einer Dankesrede. Er macht an mehreren Beispielen klar, welche Funktionen Satire und Karikaturen in freiheitlichen Gesellschaftssystemen haben. Und er zitiert dabei die Worte seines Kulturredakteur Flemming ROSE, die dieser den veröffentlichten Karikaturen vorangestellt hatte:

Diese Karikaturen überschreiten in keinster Weise das Maß an Satire, dem wir nicht jeden anderen Dänen auch aussetzen würden, sei es die Königin, das Kirchenoberhaupt oder der Premierminister. Indem wir ein muslimisches Symbol ebenso behandeln wie ein jüdisches oder christliches, senden wir eine wichtige Botschaft – Ihr seid keine Fremden. Ihr seid hierher gekommen um zu bleiben und wir akzeptieren Euch als integrierten Teil unserer Gemeinschaft. Wir werden Euch auch der Satire aussetzen, und Ihr solltet es als einen Akt der Einbeziehung verstehen und nicht als Ausgrenzung. Als eine Handlung des Respekts und der Anerkennung.


29.12.2010

Um 10:44 Uhr verhaftet ein Sondereinsatzkommando der dänischen Polizei drei Männer, als sie eine angemietete Wohnung in einem Kopenhagener Vortort verlassen - die Terrorbekämpfer stellen mehrere Maschinenpistolen, einen Schalldämpfer, 100 Schuss Munition und 200 Plastikfesseln sicher. Die Männer im Alter zwischen 29 und 34 Jahren standen bereits mehrere Wochen unter Beobachtung: Der dänische Geheimdienst PET hatte aufgrund einschlägiger Hinweise die Wohnung verwanzt.
Das Ziel: ein Anschlag auf die Redaktionsräume und die Journalisten von 3 Zeitungen, die in Kopenhagen eine Verlagsgemeinschaft bilden und sich deshalb in der Innenstadt ein Gebäude teilen:

  • Jyllands Posten, für die Kurt WESTERGARRD gearbeitet hatte
  • Politiken
  • sowie die Boulevardzeitung Ekstra Bladet.

Was die Männer, die aus Stockholm eingeflogen waren, vorhatten, ergibt sich aus den abgehörten Telefonaten:

  • "Es soll nicht verhandelt, sondern getötet werden und zwar so viele Menschen wie möglich"
  • in den Redaktionsräumen von Jyllands-Posten sollten die Mitarbeiter "gefesselt und enthauptet werden": ein "20-minütiges" Massaker - so blutig wie möglich.

Jetzt sitzen die Verdächtigen - dank einer gezielten Abhöraktion - ersteinmal hinter Gittern


Januar 2011

Der Prozess gegen den mutmaßlichen Attentäter auf Kurt WESTERGAARD beginnt. Nach mehreren Verhandlungstagen - die Staatsanwaltschaft war wieder in Berufung gezogen - wird der Somalier zu neun Jahren Gefängnis und anschließende Ausweisung in sein Heimatland verurteilt.


November 2011

Anlässlich des Wahlsieges von Islamisten in Tunesien gibt die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo eine Sonderausgabe heraus "Scharia Hebdo". Als "Gastredakteur" zeichnet (satirischerweise) "Mohammed". Titel des Covers: "Wenn Ihr Euch nicht totlacht, gibt es 100 Peitschenhiebe!".

Kurz darauf werfen Unbekannte einen Brandsatz in das Redaktionsgebäude - alles brennt aus und wird verwüstet. Die Redaktion muss vorübergehend umziehen.

Doch die Redaktionsmannschaft von Charlie Hebdo gibt nicht auf. Rechtsextreme, Politiker, Wirtschaftsbosse und die Religionen bleiben nach wie vor satirische Zielscheibe des journalistischen Teams - trotz mehrfacher Todesdrohungen. Die Behörden gewähren daraufhin t.w. Polizeischutz.

Am 7. Januar 2015 versagt das Schutzsystem: Unbekannte Täter, ideologisch verblendete Terroristen, erschießen erst den Pförtner, dringen in die laufende Redaktionssitzung ein, erkundigen sich nach den Namen und richten mehrere Redaktionsmitglieder durch Erschießen mit Maschinengewehren hin. Darunter den Chefredakteur Stéphane CHARBONNIER (47). den Zeichner Jean CABUT alias "Cabu" (76), einen der Mitbegründer Bernd MARIS 68, Pseudonym "Uncle Bernhard"), Georges WOLINSKI (80), den Karikaturisten Bernhard VELHAC (57). Die Mörder begründen ihre Tat mit "Rache für Allah!". 

Frankreich und der Rest der (westlichen) Welt reagieren schockiert über diesen brutalen Angriff auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Für die Franzosen ist dies eine Art "Nine-Eleven". Das Ereignis löst Schockwellen, aber auch Solidarität aus. Das Bekenntnis der überlebenden Redakteure auf der Website www.charliehebdo.fr wird von Tausenden Menschen übernommen:


 

(JL)