Viele kleine Schritte, die am Ende ein Gesamtbild entwarfen
Allein mit dem Rechercheinstrument versteckte Kamera war die Arbeit nicht getan: ein Informant spielte panorama den Stundenplan der KFA zu, ein anderer einen Aufsatz eines Schulkindes, das ein Internat des Vereins der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) regelmäßig besuchte, das Team führte Interviews mit Behörden und Hintergrundgespräche mit Personen aus Sicherheitskreisen, nahm Einsicht ins Handelsregister. Der vierte Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“ entstand, als panorama Hinweise auf ein Gutachten der Bonner Polizei bekam, das sich mit dem Umfeld der KFA befasste. „Das konnten wir uns besorgen“, so Thomas Berndt, „Was da drinstand, hat uns motiviert, die Geschichte noch einmal anzugehen.“ Die Recherchemittel und –wege waren also vielfältig.
Die Reaktionen bereits auf den ersten Beitrag: Anfeindungen von Seiten der KFA, eine Mail aus dem Unterstützerkreis der Akademie, die im Schneeballsystem verschickt das Postfach des panorama-Redakteurs Berndt zusammenbrechen ließ sowie ein großes Presseecho.
Weitreichende Folgen hatte der Bericht für den gezeigten Hassprediger, den die Schule auf Drängen der Bezirksregierung entlassen musste. Er verklagte panorama auf Schadensersatz wegen Verlust seiner Anstellung: ohne Erfolg.
Eine weiteres Resultat des ersten Beitrags „Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koranschulen“: die Bezirksregierung Köln zog die Schulbücher der KFA ein, um sie zu analysieren. Eine Analyse mit schockierendem Ergebnis, doch konsequenzlos. Stattdessen bedrängte das Auswärtige Amt in Bonn den Regierungspräsidenten Roters persönlich, aus außenpolitischen Gründen die Schule nicht zu schließen und um die Lage deutscher Schulen im arabischen Raum nicht zu gefährden. Roters gab dem Druck nach und sprach statt von Schließung plötzlich von „Zweiter Chance“.
Vier Beiträge innerhalb zwei Jahren, die Augen von Ahmet Senyurt und Thomas Berndt blieben seit den Recherchen zu dem ersten Beitrag "Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koran-Schulen" wachsam. Wichtig sei, bemerkt Thomas Berndt „dass man solche Geschichten weiterverfolgt, dass man schaut, was sich tut und sich verändert, auch dass man Politiker überprüft, die damals gesagt haben: „Wir werden das ändern, das wird sich nicht wiederholen“. Und dann weiterberichtet. (...) Dass das bei der KFA bis jetzt viermal sein musste, zeigt, wie schlampig und inkompetent die Behörden in Nordrhein-Westfalen mit diesem Problem umgehen.“
Informanten und Quellen – Pflege, Schutz und Verifikation
Keine These von Informanten ohne Verifizierung, keine Quellennutzung ohne Nachrecherche. panorama`s Credo für jeden Bericht ist das „Zwei Quellen-Prinzip“: Jede Information muss sich durch (mindestens) zwei unabhängige, d.h. zwei verschiedene Quellen, belegen lassen.
Beispiel: das Impuls gebende Gutachten der Bonner Polizei, das sich panorama für den vierten Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“ besorgen konnte, ließ sich das Team vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz bestätigen. Erst danach war für panorama das Material wirklich authentisch.
Kein Beitrag ohne Kontakte. panorama konnte für die Filme auf ein über Jahre hinweg auf- und ausgebautes Informantennetz greifen. Personen, welche Ahmet Senyurt und Thomas Berndt etwa durch vorherige Geschichten, bei Veranstaltungen von der Gewerkschaft der Polizei, wie Fachtagungen oder bei Journalistenseminare kennenlernten. Rückblick: Ein Impuls aus diesen Kreisen brachte die Geschichte erst ins Rollen.
Informanten würden panorama vertrauen, sagt Thomas Berndt, da sauber recherchiert werde und man sich an Verabredungen halten würde. Kontakte zu Informanten pflege panorama auch noch nach veröffentlichten Berichten, etwa um Reaktionen aufzufangen. Der persönliche Schutz und Informantenschutz habe stets Priorität, so Thomas Berndt: „Man muss schon etwas aufpassen, nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf die Leute, die für uns vor die Kamera treten.“
Wie im Fall Harun Aydin. Der ehemaliger Schüler eines Internats des Verbands der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), sprach im ersten Bericht „Brutstätten der Gewalt – Hass und Hetze an deutschen Koranschulen“ offen über die dort herrschende Indoktrinierung. Ahmet Senyurt kannte den Aussteiger aus dem VIKZ durch sein breites Informantennetz zu seinem journalistischen Schwerpunkt Migration und Integration. Da Ahmet Senyurt selbst Ausländer ist, waren keine Berührungsängste vorhanden. Ganz im Gegenteil: laut Thomas Berndt musste der junge Mann eher gebremst werden, da ihm die Brisanz seiner Aussagen und die damit verbundenen Folgen nicht bewusst schienen. Zwar war er des öfteren schon in Nordrhein-Westfalen bei kleineren Podiumsdiskussionen aufgetreten, doch panorama erreicht ein weitaus größeres Publikum.
Eine Offenheit, die glücklicherweise gut ausging: Harun Aydin und seine Familie wurde massiv vom VIKZ bedrängt, Auftritte in der Öffentlichkeit und derartige Äußerungen zu unterlassen. Aus Sicherheitsgründen ging der Aussteiger nach dem Beitrag für drei Wochen ins Ausland, mittlerweile lebt er in einer anderen Stadt. Er sei wohlauf, so Thomas Berndt. „Natürlich wollen wir solche Leute nicht gefährden. Man muss diese Menschen auch manchmal vor sich selbst schützen. Aber er wollte es unbedingt. Er hat ein persönliches Anliegen, weil er sich um seine Kindheit und Jugend betrogen fühlt.“
Die einen offen, die anderen verschlossen:
Weder die KFA und noch der Schulträger, die saudi-arabische Botschaft in Berlin waren nach einem der vier panorama-Beiträge und auch auf Nachfragen zu Stellungnahmen bereit.
Durch die Bekanntheit von panorama würden es sich dagegen Behörden zweimal überlegen, sich nicht zu einem Thema zu äußern, meint panorama-Redakteur Berndt. Obgleich sie wüssten, dass es sich nicht um Gefälligkeitsinterviews handle. Sie waren neben Informanten aus Kontaktnetzen Ansprechpartner Nummer eins. Etwa die Bezirksregierung Köln, Schulaufsicht der KFA, mit ihrem Regierungspräsidenten Jürgen Roters. Interviewanfragen liefen stets über Pressestellen mit offizieller Fax-Bestätigung hinterher. Interviewpartner bekamen vorab keine Fragen vorgelegt, doch panorama skizzierte die Themengebiete. Trotz allem stand der ein oder andere blauäugig oder unvorbereitet Rede und Antwort. Etwa Jürgen Roters nach Vorlage des Handelsregisterauszuges.
Die Islamische Gemeinschaft in Deutschland IGD war auch noch 2004 nach der angekündigten Änderung Begünstigter im Gesellschafter-Vertrag der König Fahd-Akademie. Nach dem vierten panorama-Bericht „Viel versprochen, nichts gehalten – Behörden kapitulieren vor Islamistenschule“, mit dem verhängnisvollen Satz des Regierungspräsidenten „Kann ich davon mal eine Ablichtung haben?“ beschwerte sich die Bezirksregierung. Thomas Berndt meint schlichtweg dazu: „Aus journalistischer Sicht ist es geradezu ein Gottesgeschenk. Wie kann man die Hilflosigkeit, die Ahnungslosigkeit, seine eigene Ahnungslosigkeit, besser dokumentieren als durch einen Nachsatz wie „Darf ich mir das mal kopieren?“
König Fahd-Akademie die fünfte
Vier Berichte von panorama - die KFA ist nach wie vor geöffnet.
Die Bezirksregierung Köln als Schulaufsichtsbehörde setzt auf ihre zweite Chance-Strategie. Die taz wies am 11. März 2005 in einer Kurzmeldung „Bonn als Islamistentreff“ darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden Bonn nach wie vor mit der ins Zwielicht geratenen KFA als einen Standort für verdächtige Islamisten sehen würden. Dagegen titelte der Bonner General-Anzeiger in seinem am 01. Juni 2005 online erschienenen Bericht positiv: „Die Fahd Akademie will sich öffnen“. Das Thema scheint nicht ausgereizt. Auch aus panorama-Kreisen ist hinter vorgehaltener Hand von einem angedachten fünften Beitrag zu hören.