Kölner Stadtanzeiger, 18.01.2013

von Peter BERGER

Klinikleitung entschuldigt sich

Köln. War alles eine Kommunikationspanne? Haben die beiden Ärztinnen des Vinzenz-Hospitals und des Heilig Geist Krankenhauses in Köln einfach nicht gewusst, wie sie sich zu verhalten haben, als sie am 15. Dezember 2012 dem mutmaßlichen Opfer einer Vergewaltigung die Behandlung verweigerten? Das jedenfalls will der Träger der katholischenKrankenhäuser, die Stiftung der Cellitinnen zur hl. Maria, glaubhaft machen.

"Ich möchte mich ganz persönlich dafür entschuldigen, dass die Frau im Vinzenz-Hospital keine Hilfe erfahren hat und es auch im Heilig Geist-Krankenhaus zu einer bedauerlichen Situation und letztendlich zu eine Falschaussage gekommen ist", sagte Christoph Leiden für die Krankenhausleitung. Man müsse sich vorwerfen lassen, die Stellungnahme des Ethik-Komitees vom November 2012 nicht ausreichend kommuniziert zu haben. "Wir haben nicht umfänglich und durchdringend informiert. Es konnte nicht jeder wissen, in welchen Leitplanken er sich bewegt." Auch den Notarztpraxen in Köln war der Inhalt des Papiers nicht bekannt. "Wir hätten uns sonst gleich an eine Klinik gewandt, die nicht in katholischer Trägerschaft ist", sagt Irmgard Maiworm. Die Notärztin hatte das 25-jährige Opfer am 15. Dezember in ihrer Notfallpraxis betreut und musste die Spurensicherung, die zur Beweissicherung erforderlich ist, im Evangelischen Krankenhaus Kalk vornehmen lassen.

In der Stellungnahme, die unter Federführung der neuen Ethik-Beauftragten der Cellitinnen erarbeitet worden war, heißt es: "Im Rahmen einer Notfallbehandlung nach vermutetem Sexualdelikt muss die Patientin über alle weiteren Behandlungsmöglichkeiten informiert werden, damit sie selbst eine informierte und autonome Entscheidung treffen kann." Für die Leitung der beiden Kliniken stellte Leiden klar, dass "bei uns vergewaltigte Frauen nicht abgewiesen werden".

Eine "voll umfängliche medizinische Versorgung" sei gewährleistet, dazu komme eine seelsorgerische und psychologische Betreuung. Lediglich die Notfallkontrazeption, also das Verschreiben der Pille danach, sei einem Krankenhaus katholischer Trägerschaft nicht möglich. "Da liegt unsere Grenze." Das sei schon immer gängige Praxis. Für die behandelnde Notärztin Irmgard Maiworm bestehen zwar erhebliche Zweifel, ob das Opfer einer mutmaßlichen Vergewaltigung überhaupt in der Lage ist, eine "informierte und autonome Entscheidung zu treffen". Das spiele für ihre künftige Arbeit aber nur eine untergeordnete Rolle. "Jetzt ist klar, wie die Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft agieren. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich auch meine Kolleginnen in den beiden Krankenhäusern doch gar nicht in diese Situation gebracht."

Doch warum hat sich die Ethik-Kommission der Cellitinnen dann mit dieser Frage überhaupt noch beschäftigt? "Wir wollten den Rahmen, in dem Behandlungen stattfinden, noch einmal klarer ziehen", sagt Leiden. Noch sei das Papier nur eine Stellungnahme, es sei aber nicht auszuschließen, dass es zu einer Dienstanweisung werde. "Das muss aber erst mit allen diskutiert sein." Der Geschäftsführer des Vinzenz-Hospitals, André Meiser, wies Vorwürfe zurück, nach denen Ärzten im Zusammenhang mit der Behandlung von Vergewaltigungsopfern oder wegen des Verstoßes gegen ethische Grundsätze gekündigt worden sei. "Ich bin zwar erst wenige Monate in dieser Funktion, habe aber nachgeforscht. Uns ist kein solcher Fall bekannt." Meiser versicherte, dass die beiden Ärztinnen, die das Opfer im Dezember abgewiesen hatten, keine negativen Konsequenzen zu befürchten hätten.

Die Initiative zu den ethischen Handlungsempfehlungen sei allein von den Kliniken ausgegangen und beruhe nicht auf einer Intervention des Kölner Kardinals Joachim Meisner. Die Krankenhausleitungen der Cellitinnen stünden in der Pflicht, für umfassende Informationen zu sorgen, um solche Fälle für die Zukunft auszuschließen. In einer Stellungnahme des Erzbistums heißt es, man bedauere sehr, "dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, dass Opfer einer Vergewaltigung in katholischen Krankenhäusern nicht mehr behandelt werden dürfen". Dies sei falsch. Auch in katholischen Krankenhäusern erhielten die betroffenen Frauen die notwendige Heilbehandlung; dazu gehöre gegebenenfalls auch eine volle Kooperation mit der Anonymen Spurensicherung (ASS). "Wir haben das feste Vertrauen, dass der Träger der Krankenhäuser, in denen eine solche Heilbehandlung abgelehnt worden sein soll, die Gesamtsituation vollständig aufklären und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen wird, um eine Wiederholung eines solchen sehr bedauerlichen Einzelfalls auszuschließen", heißt es.

Nach Informationen des Notrufs für vergewaltigte Frauen ist die Zusammenarbeit mit den beiden betroffenen Kliniken der Cellitinnen bei der Anonymen Spurensicherung (ASS) schon vor Monaten beendet worden. "Beide Krankenhäuser sind ausgestiegen und werden von uns auch nicht mehr mit Untersuchungs-Sets versorgt", sagte Irmgard Kopetzky. Im Erzbistum gibt es nach Angaben des Diözesan-Caritasverbandes keine einheitlichen Richtlinien der dem Verband angehörigen Krankenhäuser zum Umgang mit Vergewaltigungsopfern. In der Praxis richteten sich die Kliniken nach den ethischen Grundsätzen der katholischen Kirche.