Fragen zum Islam

Wir haben uns mit dem Hamburger Islam-Experten Ali Özgür ÖZDIL unterhalten. Er steht uns Rede und Antwort:

Was bedeutet überhaupt das Wort Islam? Kann man beschreiben, was das ganz konkret für einen Muslim bedeutet? Wie sich das auf das tägliche Leben auswirkt?

„Das Wort Islam bedeutet „Hingabe zu Gott“ bzw. „Gottergebenheit“. So wird jeder, der an Allah glaubt und entsprechend diesem Glauben lebt (d.h. an die Glaubenspfeiler glaubt und die Pflichten erfüllt) als Gottergebener bezeichnet. Beispiel aus dem Koran: Jesus fragte seine Jünger: „Wer sind meine Helfer zu Gott? Die Jünger sagten: Wir sind die Helfer Gottes. Wir glauben an ihn. Bezeuge Du, dass wir Ihm ergeben (Muslime) sind“ (Sure 3:52 und 61:14).

Islam bedeutet für einen Muslim, von Gott rechtgeleitet zu sein und Gottes Wohlgefallen gewonnen zu haben. Es bedeutet, dass der Mensch sich auf dem richtigen Lebenspfad befindet, der ihn zu Gott und somit zum Seelenfrieden führt. Es bedeutet für ihn, dass sein Leben einen Sinn hat und dass es ein ewiges Leben nach dem Tod gibt. Das tägliche Leben, das alle körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnisse des Menschen betrifft, wird für den Gläubigen durch eine gottgefällige Lebensweise harmonisch. Alle Handlungen, die dem entgegenwirken, d.h. Gott missfallen, zerstören diese Harmonie, so wie das Beispiel Adam und Evas, die solange in einer gottgefälligen Harmonie (im Paradies) lebten, bis sie von der verbotenen Frucht aßen, wodurch die Harmonie zerstört wurde (Vertreibung aus dem Paradies). Dieses Beispiel durchleben die Menschen tagtäglich, es sei denn, sie folgen dem Islam, d.h. einem Leben, dass auf Gott ausgerichtet ist.“

Was bedeutet die Bezeichnung Muslim?

Die Wortwurzel des arabischen Begriffs "Muslim" ist die gleiche wie die von Frieden [salam] und Ergebenheit [taslim], somit kann man den Begriff folgendermaßen verstehen: „Ein Muslim ist jemand, der Frieden [salam] im Herzen erreicht durch Ergebenheit [taslim] in den Islam (Gottes wahre Religion).“Ein Muslim wird erst zu einem Muslim wenn er erklärt, dass es keinen anderen Gott außer dem einen gibt und Muhammad der Gesandte Gottes ist.

Wie man den Willen Gottes erfährt, dazu sagt der Islamexperte Ali Özgür ÖZDIL folgendes:

„Gott offenbart im Koran sein Wort, nicht seinen Willen. Niemand kennt den Willen Gottes, aber der Mensch strebt mit seinen Handlungen danach, dem zu entsprechen, was Gott von ihm „will“. Im Islam gilt jedoch, dass jede Handlung des Menschen für oder gegen ihn selbst ist. Was immer er für Gott tut (um sein Wohlgefallen zu erlangen, um sich Ihm näher zu fühlen), tut er im Endeffekt für sich selbst, da Gott nicht auf die Handlungen der Menschen angewiesen ist. Wenn der Mensch jedoch Gottes Offenbarung folgt, bekommt er dadurch das Gefühl, etwas Wertvolles getan zu haben, was wiederum seiner Seele gut tut.“


Stimmt dieser Satz:

„Alle Propheten, von Adam über Abraham, Moses, Jesus, bis hin zu Muhammad, sind die Propheten eines gläubigen Muslims. Er glaubt an sie und verehrt sie ohne Unterschied.“

Ist das wirklich so? Ist Muhammad für einen Muslim nicht der wichtigere Prophet?

„Ja, dieser Satz ist richtig. Zu den sechs Glaubenspfeilern des Islam gehört auch „der Glaube an die Gesandten Gottes“. Das schließt alle im Koran erwähnten Propheten und Gesandte (von Adam bis Muhammad) ein. In der Koransure 2, Vers 285 heißt es: „Der Gesandte glaubt an das, was von seinem Schöpfer zu ihm herabgesandt worden ist, und (mit ihm) die Gläubigen. Alle glauben an Allah, seine Engel, seine Schriften und seine Gesandten - wobei wir bei keinem von seinen Gesandten einen Unterschied machen...“.

Oder in Sure 3, Vers 84 heißt es: Sprich: "Wir glauben an Allah und an das, was auf uns herabgesandt worden ist, und was herabgesandt worden ist auf Abraham und Ismael und Isaak und Jakob und die Stämme (Israels), und was gegeben worden ist Moses und Jesus und den Propheten von ihrem Herrn; wir machen keinen Unterschied zwischen ihnen, und Ihm (Gott) sind wir ergeben."

Der Prophet Muhammad sagt über sich selbst: „Mein Gleichnis mit den anderen Propheten ist das eines schönen Gebäudes, um das die Menschen herum gehen und dessen Schönheit bestaunen und die sagen: „Wir haben kein besseres Gebäude gesehen“. Doch als sie einen noch fehlenden Stein entdecken, sagen sie: „Es wäre aber schöner gewesen, wenn dieser Stein an dieser Stelle nicht gefehlt hätte!“ Ich bin dieser Stein gewesen." (überliefert von Abu Hureira, bei Bukhârî, Muslim und Ahmad Ibn Hanbal). Somit hat der Prophet Muhammad, als das Siegel der Propheten, das Gebäude vollkommen gemacht. Das ist seine besondere Rolle im Islam. Demnach ist er weder der erste, noch der einzige Prophet des Islam, sondern der letzte.“

Was behaupten die Muslime über Jesus?

Jesus (genannt Isa) wird im Islam als Sohn der heiligen Maria und Prophet beschrieben. Er wird nicht als Sohn Gottes angesehen. Seine Geburt durch die Mutter Maria wird als unbefleckte Empfängnis anerkannt. In seinen Leben als Prophet verbrachte Jesus viele Wunder. Der Koran erkennt nicht die Kreuzigung Jesu an sondern spricht von der Erhebung Jesu in den Himmel.

Wie steht der Islam zum Thema Gewalt und Terrorismus?

"In seiner Essenz ist der Islam eine den Frieden fördernde Religion. Zu seinen Hauptzielen gehört das „Allgemeinwohl“, wie dies einst der Rechtgelehrte Malik ibn Anas (gest. 795) oder der Gelehrte al-Ghazzali (gest. 1111) formuliert haben. Gewaltanwendung oder Krieg ist nur zur Selbstverteidigung erlaubt, wobei selbst im Krieg Maßlosigkeit verboten ist. Terror dagegen oder die Tötung von Zivilisten und Unschuldigen ist definitiv verboten. Mord und Selbstmord gehören zu den größten Sünden (siehe Sure 5:32).

Der Islam ist keine Religion, die die Natur des Menschen verleugnet. Die Gebote des Korans sind für den Menschen, der von Natur aus zur Gewalt neigt. Dies wird im Koran bereits vor der Schöpfung des Menschen von den Engeln unterstrichen: „Und als dein Herr zu den Engeln sprach: «Ich will einen Statthalter auf Erden einsetzen», sagten sie: «Willst Du denn dort solche Wesen haben, die darauf Unfrieden stiften und Blut vergießen? - und wir loben und preisen Dich und rühmen Deine Heiligkeit.»…“ (2:30)

Das Gegenteil von Frieden ist nicht Krieg, sondern „Unfrieden“ bzw. „Unheil“ jeder Art: „Und Allah unterscheidet wohl den Unheilstifter vom Friedensstifter.“ (2:291f.) „Ruft zu eurem Herrn in Demut und im verborgenen. Wahrlich, er liebt die Übertreter nicht. Und stiftet nicht Unfrieden auf Erden, nach ihrer Regelung, und ruft Ihn an in Furcht und Hoffnung. Wahrlich, Allahs Barmherzigkeit ist nahe denen, die Gutes tun. (7:55ff.)

Folgende Verse bringen jedoch das Wesentliche auf den Punkt: „Und gehorcht nicht dem Befehl der Maßlosen, die auf Erden Unheil, statt Heil stiften.»“ (26:151f.) „…Und sinne nicht (überall) im Land auf Unheil! Gott liebt die nicht, die Unheil anrichten. (28:77) „…und verübt nicht Unheil auf Erden, indem ihr Unfrieden stiftet.“ (2:60)"

Gibt es Bekleidungsvorschriften sowohl für Frauen als auch für Männer? Warum tragen muslimische Frauen ein Kopftuch?

"Ja, für beide gilt eine ethisch-sittsame Kleidung, die drei Kriterien erfüllen muss: Die Kleidung darf weder durchsichtig noch zu weit ausgeschnitten noch zu eng sein, so dass die Körperkonturen sichtbar sind. Das Kopftuch bei Frauen hat neben religiösen Aspekten auch kulturelle und soziale Aspekte. In vorislamischer Zeit hatten Frauen auf der arabischen Halbinsel (wobei dieser Umstand nicht nur auf den arabischen Raum beschränkt war) kaum Rechte. Sklavinnen und Prostituierte durften sich das Haupt (trotz Hitze und Wüstenstaub) nicht bedecken, damit man sie von den freien Frauen unterschieden konnte. Als diese jedoch den Islam annahmen und somit ihre Freiheit erlangten, konnten auch sie ihr Haupt bedecken. Somit waren sie durch die Kopfbedeckung als freie Menschen mit gewissen Rechten erkennbar. In seiner Abschiedspredigt sagte der Prophet Muhammad unter anderem „die Frauen haben Rechte“ und „ein Schwarzer ist nicht vorzüglicher als ein Weißer und ein Weißer ist nicht vorzüglicher als ein Schwarzer und ein Araber ist nicht vorzüglicher als ein Nichtaraber und ein Nichtaraber ist nicht vorzüglicher als ein Araber“. Der Vorzug eines Menschen vor dem anderen wird nur in seiner/ihrer „Gottesfurcht“ begründet, wie dies auch in der Sure 49:13 zum Ausdruck gebracht wird."

Ist Scharia vergleichbar mit den 10 Geboten im Christentum? Oder dem Katechismus?

"Die 10 Gebote kommen auch im Koran vor (siehe Sure 6:151-153 und 17:22-39) und auch der Islam kennt etwas Ähnliches wie ein Katechismus, was allerdings nicht „Scharia“, sondern „Ilmihal“ genannt wird. Das Wort Scharia kommt aus dem Beduinischen und bedeutet „Weg zu einer Wasserstelle“. Muslime verbinden diesen Weg mit dem Weg für den Gläubigen, den Gott durch seine „äußeren Umrisse“ festgelegt hat. Der Gläubige ist auf einer ständigen Suche nach einem gottgefälligen Leben. Doch dieses Bemühen des Menschen, herauszufinden, was Gott will, kann nie endgültig entschieden werden. Scharia wird somit zu einem ständigen Versuch der Rechtsfindung, welcher ein dynamischer Prozess ist, der sich den Veränderungen der Zeit und den damit verbundenen Bedingungen anpasst.

Deshalb kann die Scharia auch nie kodifiziert werden. Im Koran und zu Lebzeiten des Propheten Muhammad wird Scharia nicht als „islamisches Recht“ bezeichnet. Lediglich durch die Entwicklung von Rechtschulen und die häufige Verwendung dieses Begriffs durch Rechtsgelehrte, hat der Begriff von seiner allgemeinen Bedeutung im Sinne eines „von Gott vorgegebenen Weges“ eine engere Bedeutung gewonnen. Scharia ist das ethisch-rechtliche Gesamtsystem des Islam.

Der Koran, als göttliche Offenbarung und die Sunna (die Lebenspraxis des Propheten Muhammad) sind die wichtigsten Quellen dieses Systems. Nach dem Verständnis vieler Muslime ist Scharia auch gleich „Islam“, also „eine islamische Lebensweise“, „ein islamischer Weg“, „ein breiter Pfad“, mit all den Zeichen Gottes, die den Gläubigen zu Ihm führen. Wer von der Scharia als „das religiöse Gesetz des Islam“ oder „das islamische Recht“ spricht, schränkt Scharia zu sehr ein. Dies führt auch zu falschen Assoziationen, wenn Begriffe wie „Recht“ oder „Gesetz“ nur im säkularen Sinne verstanden werden."


Weiterführende Literatur und Quellen:

(AJ)