Nordbayerischer Kurier, 31.10.2001

von Udo MEIXNER

Als Strafe droht die Apokalypse

Bereits zweimal geriet die Realschule Auerbach in den letzten Wochen massiv in die Schlagzeilen. In beiden Fällen ging es um Biologiebücher -genauer gesagt um die darin enthaltenen Kapitel über Fortpflanzung und Sexualität. Doch was steckt hinter dem seltsamen Gebaren der Schul Schwestern, unter deren Ägide die Schule geführt wird?


Hinter vorgehaltener Hand wurde oft das Engelwerk genannt, das den Auerbacher Orden der Schulschwestern Von Unserer Lieben Frau unterwandern beziehungsweise beeinflussen soll. Öffentlich und ganz offiziell wollte sich bis dato allerdings niemand zum möglichen Einflnss der als sektenähnliche Gruppierung innerhalb der katholischen Kirche geltenden Bewegung in Auerbach äußern.
Umfangreiche KURIER-Recherchen ergaben jetzt allerdings: Es gibt eindeutige Hinweise für das Wirken von Vertretern nicht unumstrittener innerkirchlicher Bewegungen im Auerbacher Orden. Genauer gesagt geht es um die Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE), die nach Ansicht vieler kirchlicher wie weltlicher Sektenexperten dem Engelwerk nahe stehe. Dem KURIER liegen umfangreiche Unterlagen über Verflechtungen vor - auch wenn diese von Seiten des Ordens seit jeher dementiert werden.
Die KPE wurde im Februar 1976 von dem damaligen Jesuitenpater Andreas Hönisch gegründet und verfügt nach eigenen Angaben über etwa 3 000 Mitglieder in Deutschland. Hönisch selbst wurde wegen seiner KPE-Aktivitäten später aus dem Jesuitenorden ausgeschlossen. Die KPE wird in der Fachliteratur als elitäre Gruppe dargestellt, die die katholische Kirche auf einen konservativen Kurs bringen will - die Lockerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils sollen wieder rückgängig gemacht werden, Neuerungen soll es nicht geben. Nach Ansicht der KPE leide die Kirche wie die gesamte abendländische Welt an einem moralischen Niedergang. Als Strafe drohe die Apokalypse.

Ein Anhaltspunkt

Einen Anhaltspunkt für eine Unterwanderung des Auerbacher Ordens durch die KPE liefert die Ausgabe 47 von „Pfadfinder Mariens", der Hauszeitung der KPE. Unter der Überschrift „Eine Chance für ihr Kind" und der Aufforderung „Bitte weitergeben an Eltern von schulpflichtigen Kindern!" in großen Lettern heißt es dort wörtlich: „Bereits sieben Pfadfinderinnen sind wir in der Kongregation der Schulschwestern von Unserer Lieben Frau in Auerbach." Es folgt eine Beschreibung der Realschule Auerbach, in der unter anderem der „wertfreie Geist an manch anderer Schule" kritisier! wird, „der unsere Kinder orientierungslos werden lässt".
Zu den genannten Pfadfinderinnen, die im Auerbacher Orden tatig sind, gehören unter anderen Angelika Hammerl aus Todtenweis bei Augsburg sowie Julia Endres aus Wiesentheid. Der Name Angelika Hammerl taucht bereits in den achtziger Jahren in KPE-internen Schriften auf. Blatten man zum Beispiel in der Ausgabe 52 des KPE-Organs „Die Spur" vom Dezember 1957, so erfährt man, dass Angelika Hammerl zur „Wolflingsassistentin" (interne Rangbezeichnung) der KPE ernannt wurde.
Angelika Hammerl trat im August 1994 in den Auerbacher Orden ein. Zusammen mit Julia Endres übrigens. Stolz war man seinerzeit bei der Einkleidungsfeier in der Mutterhauskirche auf die Anwesenheit des damaligen Neupriesters Stefan Bernhard Brand, der bei der Messfeier assistierte. Und - welch Wunder - auch die Karriere des Stefan Bernhard Brand innerhalb der KPE lässt sich nachvollziehen: Im KPE-Organ „Die Spur", Nummer 70 vom Juni 1992, ist beispielsweise zu lesen, dass Brand zum „Hilfsfeldmeister" (ebenfalls eine interne Rangbezeichnung bei Pfadfindern) ernannt wurde. Im September 1994 vermeldete selbige Zeitung die Priesterweihe Brands (als Mitglied der „KPE-Familie") vom 25. Juni in Eichstätt.
Ein weiterer Beleg für die Präsenz von KPE-Angehörigen im Auerbacher Kloster: Am 17. August 1991 feierte Angela Braun ihre Einkleidung in der Mutterhauskirche. Die Novizin nahm damals den Ordensnamen Alexia an. Am 28. August 1993 legte Schwester Alexia das zeitliche Gelübde ab. Und Schwester Alexia Braun gehörte auch zu den sieben Pfadfihderinnen, deren Wirken in den Reihen der Schulschwestern in der KPE-Zeitung „Pfadfinder Mariens" vermeldet wurde.
Festprediger beim zeitlichen Gelübde von Schwester Alexia war Dr. Kurt Krenn, Bischof von St. Pölten (Österreich). Unter Krenn durften sich als innerkirchliche Sekten geltende Bewegungen wie der Orden Servi Jesu et Mariae oder eben das Engelwerk in St. Pölten ansiedeln. Übrigens: Der steirische Landtagsabgeordnete Martin Wabl hat 1999 gegen Krenn und die in dessen Diözese ansässigen Mitglieder des Ordens Servi Jesu et Mariae Anzeige erstattet. Gegenüber der Staatsanwaltschaft St. Pölten begründete Wabl seinen Schritt damit, dass der Orden, der von Krenn gefördert werde, neonazistisches Gedankengut verbreite, im Vereinsblatt „Pfadfinder Mariens" sei offene Nazipropaganda zu finden. So etwa der Satz: „Allen großen politischen, sozialen und ideologischen, wirtschaftlichen und sonstigen Kämpfen unserer Tage, liegt in Wirklichkeit ein furchtbarer Kampf zwischen Judentum und Christentum zugrunde. Und das Christentum ist heute die einzige Kraft (…), die fähig ist, dem jüdischen Triumph Einhalt zu gebieten."