Altaigate - die Chronologie aller Ereignisse

09.01.2009 Freitag

Am frühen Morgen und noch mitten in der tiefen Dunkelheit steigt vom Flughafen der Stadt Biysk in der Region Altai (100 km entfent von der Hauptstadt Barnaul) ein Hubschrauber der Marke "Mi-171" in die Lüfte. Der Helikopter gehört zur Gazpromavia-Flotte. Kurs: die Viertausender-Berge des südlichen Altaigebirges kurz vor der Monogolei. Im Hubschrauber: eine illustre Jagdgesellschaft. Sie besteht aus 11 Personen plus zwei Piloten. Unter den VIP's befinden sich unter anderem

  • Alexander KOSOPKIN, der Vertreter des russischen Präsidenten in der Duma (Parlament)
  • Viktor KAIMIN, der Chef der regionalen Tierschutzbehörde
  • der Vizegouverneur der Region Altai, Anatoli BANNYCH
  • Boris BELINSKI, Generaldirektor des russischen Baukonzerns INEKO
  • Nikolaj KAPRANOV, stellv. Direktor des (staatsnahen) Instituts für Wirtschaft und Gesetzgebung in Moskau
  • sowie andere VIP's.

Eigentlich wollte/sollte auch der Präsident der benachbarten Republik Altai, Alexander BERDNIKOV, mit an Bord sein. Allein er hatte Stunden zuvor zuviel getrunken und hatte es nicht mehr aus dem Bett geschafft.

  • Jagen - aus einem fliegenden Hubschrauber heraus - ist verboten, Paragraph 258 des russischen Strafgesetzbuchs.
  • Jagen - im Winter - ist verboten. Eine Vorschrift der Tierschutzbehörde.
  • Das Jagen des Argali-Schafs ist ebenfalls verboten. Es steht auf der so genannten Roten Liste der IUCN , der "International Union for Conservation of Nature", der sich auch die Russische Föderation angeschlossen hat. Von den Argali-Schafen mit dem stolzen Geweih (ovis ammon) zählt man nur noch 300 Exemplare, die in der Grenzregion zwischen der Mongolei und China und dem Altai leben.

Um 5:26 schießen die VIP's am Schwarzen Fluss das erste Argali-Schaf. Um 5:45 das zweite. Um 6:10 wird das dritte Schaf vom Hubschrauber aus erlegt. Die Jagdgesellschaft kommt so richtig in Fahrt: mehr als 20 Schafe werden zur Beute.

Beim Versuch, aus dem fliegenden Hubschrauber eines der Tiere an Bord zu hieven, kommt es am so genannten Schwarzen Berg ("Chernaja") zum Crash: der "Mi-171" schlägt mit der Ausgleichsschraube des Heckrotors in einer Senke gegen den schneebedeckten Fels. Der Helikopter stürzt ab - mit dem Hinterteil in eine Schneemulde. Obwohl der Hubschrauber aus nicht allzugroßer Höhe absäuft: 7 Personen überleben den Vorfall nicht, darunter der Vertreter des russischen Präsidenten in der Duma, Alexander KOSOPKIN. Zwei weitere Teilnehmer der Jagdgesellschaft werden schwer und zwei andere leicht verletzt. Es ist 12 Uhr und 11 Minuten.

Die aktuellen Temperatur an diesem sibirischen Wintertag: 35 Grad, minus.
Hilfe kommt erst einmal nicht. Der Pilot hatte auftragsgemäß vor Abflug eine andere, sprich: eine falsche Flugroute angegeben.

Um 14:00 hätten sich die Piloten eigentlich bei der Flugleitung melden müssen. Dies geschieht nicht


tags darauf am Samstag

Weil sich der Hubschrauber nicht mehr meldet, wird eine Suchaktion gestartet, bei der 283 Menschen im Einsatz sind und 13 Flugzeuge eingesetzt werden - schließlich geht es um "VIP"s, z.B. um einen Vertreter des höchsten russischen Staatsoberhaupts


10.01.2009

Das Onlineportal von Altapress , das zur großen Tageszeitung Svobodny Kurs gehört, meldet um 13:26 Uhr in einer kurzen Nachricht, dass ein Hubschrauber mit prominenten Personen vermisst wird


11.01.2009 Montag

Nach mehr als zwei Tagen wird der vermisste Helikopter gefunden. Es ist 15:15 Uhr. Jene vier, die nach 2 Tagen bei minus 35 Grad Celsius noch am Leben sind, werden sofort in Krankenhäuser geflogen, drei von ihnen in das Krankenhaus von Barnaul, der Hauptstadt der Region Altai. Darunter auch der Vizegouverneur Anatolj BANNYCH.
Wer alles vermisst wurde, hatte bereits um 9:09 Uhr die große Nachrichtenagentur RIA Novosti gemeldet, als sie ihrerseits die Nachricht verbreitete, dass ein Hubschrauber mit VIP's vermisst wird. Unter anderem der Vertreter des russischen Präsidenten bei der Duma. Hier geht es zur vollständigen Namensliste der Jagdgesellschaft .
Im Laufe des Tages werden die Informationen auch von anderen Agenturen verbreitet. Außerdem gibt das Zwischenstaatliche Kommittee der Luftfahrt innerhalb der GUS bekannt, dass insgesamt 7 Personen zu Tode gekommen sind und dass der Flugschreiber gefunden wurde


12.01.2009 Dienstag

Weil sich an Bord ein offizieller Regierungsvertreter befunden hat, leitet die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation in Moskau Ermittlungen ein.
In Barnaul treffen am selben Tag Spezialisten des Zwischenstaatlichen Kommittees der Luftfahrt innerhalb der GUS (Межгосударственного авиационного комитета - МАК) ein.
Das russische Katastrophenschutzministerium veröffentlicht 2 Fotos von der Absturzstelle. Auf den beiden Bildern: nur der verunglückte Hubschrauber: 


13.01.2009 Mittwoch

Die vom russischen Katastrophenministerium veröffentlichten bzw. freigegebenen Fotos lösen Reaktionen aus. Irgendjemand aus dem Suchtrupp oder aus einer Abteilung, der über alle Fotos verfügte, gibt die nicht veröffentlichten Bilder an altapress weiter, den unabhängigen Verlag in der Region Altai, der auch die Tageszeitung Svobodny Kurs herausgibt. www.altapress.ru veröffentlicht die Fotos sofort auf seiner Website. Die zusätzlichen Bilder erzählen eine andere Geschichte. Ganz deutlich zu sehen: Hubschrauber, Hubschrauberteile, Schnellfeuerwaffen und vor allem tote Tierkörper:

Jetzt wird offenkundig, dass der Absturz noch einen anderen Hintergrund haben könnte


14.01.2009

Die Zeitung Novaya Gazeta berichtet über den Absturz und weiß zu berichten, dass der Pilot, der überlebt hatte, ausgesagt hat, dass der Helikopter deswegen zu Fall gekommen sei, weil einer der Motoren ausgefallen wäre. Experten hingegen weisen darauf hin, dass der Hubschrauber selbst in einer Höhe von 60 Metern auch mit 1 Motor weiterfliegen könne. Wenn der Hubschrauber dennoch abgestürzt ist, könne dies nur bedeuten, dass er in sehr geringer Höhe geflogen oder beim Landen abgestürzt sein müsse. Außerdem habe ein Teilnehmer des Suchtrupps der Zeitung gegenüber ausgesagt, dass sich am Absturzort auch Körperteile eines sibirischen Steinbocks befunden hätten.
Der Fernsehsender vesti24 meldet, dass eine erste Prüfung des Zwischenstaatlichen Luftfahrtkommittees der GUS (MAK) ergeben hat, dass beide Motoren des Hubschraubers intakt sind. Gleichzeitig veröffentlicht vesti24 um die Mittagszeit in einem Filmbericht das Interview, in dem der junge Pilot, der überlebt hatte, behauptet, eines der beiden Triebwerke sei ausgefallen


15.01.2009

Der WWF und Greenpeace stellen daraufhin eine Anfrage an die russische Staatsanwaltschaft, ob sie in dieser Angelegenheit Ermittlungen wegen illegaler Wilderei führe?
Die Staatsanwaltschaft gibt bekannt, dass sie Ermittlungen nach § 263 russisches Strafgesetzbuch führe: Verstöße gegen die Sicherheitsregeln beim Luftfahrttransport. Höchststrafe: 7 Monate Gefängnis


16.01.2009

Inzwischen fangen Blogger an, auf eigene Faust zu recherchieren


17.01.2009

Eine Woche nach dem offiziellen Bekanntwerden des Absturzes schreiben der Direktor des Sibirischen Ökologischen Zentrums und der Leiter einer anderen ökologischen Vereinigung an die Föderale Aufsichtsbehörde über die Naturnutzung ("Rosprirodnadzor"): Inzwischen seien ja Fotos bekannt geworden, bei denen man davon ausgehen könne, dass es sich um eine Jagd gehandelt habe. Frage: Ob die Jäger überhaupt eine Jagderlaubnis gehabt hätten? Und falls nein, was die Behörde zu tun gedenke?


21.01.2009

Der WWF in Moskau, die NGO Greenpeace und einige ökologisch engagierte Personen in Russland wenden sich an den Ermittlungsausschuss bei der russischen Staatsanwaltschaft. Sie bitten darum, eine Untersuchung wegen Wilderei durchzuführen. Alexej VAISMAN, Chefkoordinator des Programms "TRAFFIC WWF" Russlands, weist insbesondere darauf hin, dass auf den veröffentlichten Fotos alle Beweise zu sehen seien. Dies berichtet einen Tag später auch ausführlich die Novaja Gazeta unter der ironisch gemeinten Überschrift "Beweise in den Bergen kann man nicht mehr finden" , wie der Vorsitzende der Verwaltung des Naturbenutzungsüberwachungsdienstes für Republik Altai, Jurij IWANOW, zu dem Vorschlag von Journalisten, den Tatort zu besuchen um Indizien zu finden, geantwortet hatte.
Die Zeitung zitiert auch den Politikwissenschaftler Jurj TSCHERNYSCHOW, der meint, dass die entlarvenden Fotos nur deshalb öffentlich geworden seien, weil der überlebende stellvertretende Gouverneur der "Region Altai", BANNYCH, eine Art Krieg mit den Regionalmächten und insbesondere mit dem amtierenden Gourverneur Alexander KARLIN führe: "Wenn sich die korrumpierte Macht einig wäre, würden wir die Wahrheit gar nicht wissen." Denn auch der amtierende Präsident der "Republik Altai" (wo der Hubschrauber in den Bergen abgestürzt war), Alexander BERDNIKOV, sagt, es habe sich um eine "legale Jagd" gehandelt


23.01.2009

Die Republik Altai erlässt schärfere Kontrollen für die Nutzung des Luftraums bei kommerziellen Flügen


28.01.2009

Boris BELINSKI, Generaldirektor des russischen Baukonzerns INEKO, der beim Absturz schwer verletzt wurde, wird mit einer Cessna nach Österreich abgeholt - dort sind die Krankenhäuser besser ausgestattet und auch nobler.
Am selben Tag äußert sich auch der Vorsitzende des Russischen Föderationsrates, Sergej MIRONOV, in seinem Blog http://sergey-mironov.livejournal.com über den Vorgang - seine Leser/User wollen seine Meinung wissen und insbesondere, ob auch wegen Wilderei ermittelt werde. Antwort: "Ich bin der Meinung, dass die Ermittler verpflichtet sind allen (ich betone - allen!) Umständen im gegebenen Fall nachzugehen und ihnen eine rechtliche Einschätzung zu geben.
Bei dieser Geschichte kommen wirklich viel Fragen auf, jedoch sollte man die Sache nicht zu doll aufblasen, das wäre absolut fehl am Platz und der Sache nicht dienlich." (im Original hier zu finden)


03.02.2009

Einige Tageszeitungen, so z.B. die Izvestia und die Rossijskaya Gazeta berichten, dass das Zwischenstaatliche Kommittee der Luftfahrt innerhalb der GUS (Межгосударственного авиационного комитета - МАК) offiziell festgestellt hat, dass der abgestürzte Hubschrauber keinerlei technische Probleme hatte


04.02.2009

Die Telengiten-Gemeinde aus dem Kosh Agach (Kosch-Agatsch)-Bezirk) , in dessen Nähe der Helikopter abgestürzt war (Republik Altai), fordert in einem Brief an

  • Präsident Dmitri Anatoljevitsch MEDVEDEV
  • Ministerpräsident Vladimir Vladimirovitsch PUTIN
  • und an den russischen Generalstaatsanwalt Jurj CHAIKA


eine umfangreiche Untersuchung der Umstände des Unfalls sowie eine moralische Einschätzung des Verhaltens der hohen Beamten wegen Wilderei 

Am selben Tag beantwortet auch die Generalstaatsanwaltschaft der russischen Föderation den Brief von WWF und Greenpeace:
Man bestätige den Eingang des Schreibens und die darin vorgetragenen Argumente würden untersucht, insbesondere nach § 263 des Strafgesetzbuches, der auf illegale Jagd laute


12.02.2009

Der stellvertretende Leuter der Förderalen Aufsichtsbehörde für die Naturnutzung (Rospripodnadsor) bestätigt dem Direktor der Sibirischen Ökologischen Zentrums, dass es keine Genehmigung für die Jägerei gegeben hat


19.02.2009

Der WWF Russland und Greenpeace reichen eine Beschwerde beim Generalstaatsanwalt Juri CHAIKA ein mit der Forderung, die Untersuchung wegen illegaler Jagd von unter Artenschutz stehenden Tieren durchzuführen. Grundlage: der § 258, Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuches


22.02.2009


04.03.2009

Der Vizegouverneur der Region Altai, der ebenfalls im Hubschrauber saß und den Absturz überlebt hatte, Alexander BANNYCH, einer der Oligarchen des Landes, dem auch ein großer Teil der Medien gehört, tritt zurück. Seine Pressestelle teilt dazu folgendes mit, wie die Nachrichtenagentur RIA Novosti einen Tag später veröffentlichen wird:

  • Die Tragödie vom 9. Januar habe eine breite gesellschaftliche Resonanz erfahren
  • In den Massenmedien werden die Vorgänge aber verzerrt dargestellt und es werde fleißig phantasiert
  • Diese Entstellung der Tatsachen sei für ihn nicht hinnehmbar
  • weswegen es für ihn nur konsequent sei, zurückzutreten,
  • um das Ansehen der Republik Altai nicht zu diskreditieren

29.03.2009

Es kommt zu erneuten Protesten in Gorno-Altaisk


21.04.2009

Das Untersuchungskommittee bei der Generalstaatsanwaltschaft legt die beiden eingeleiteten Strafverfahren wegen illegaler Tierjagd (§ 256) und wegen Verstoßes gegen die Sicherheitsregeln beim Luftfahrttransport (§ 263) zusammen


03.05.2009

Der WWF und Greenpeace schreiben gemeinsam einen Brief an Präsident MEDVEDEV folgenden Inhalts:
Das zynische Verhältnis hoher Beamter zu Recht und Gesetz - darunter auch Mitarbeiter des Präsidenten - hat in der Gesellschaft das Ansehen des Staates moralisch degradiert. Ein offizielles Schweigen zu solchen Vorgängen werde als Missachtung von Gesetz und Moral angesehen. Dies vermittele den Eindruck, dass hohe Beamte in Russland nach anderen Regeln leben als Recht und Gesetz es für alle anderen vorsehen. Deshalb "bitten wir Sie, zu diesem Vorgang eine moralische Bewertung abzugeben."


05.05.2009

Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau übergibt alle bisherigen Unterlagen an das Untersuchungskommittee bei der Generalstaatsanwaltschaft wegen illegaler Tierjagd


06.05.2009

Der WWF und Greenpeace wenden sich erneut an den Generalstaatsanwalt, um ein Strafverfahren wegen illegaler Tierjagd anzuregen.


11.06.2009

Das Ermittlungskommittee bei der Moskauer Staatsanwaltschaft veröffentlicht seinen 56seitigen Endbericht über den Hubschrauberabsturz: 

Die wichtigsten Ergebnisse: Es werden nur technische Erklärungen aufgeführt. So habe z.B.

  • der zweite Pilot Aufgaben des ersten Piloten übernommen und dabei einen Fehler gemacht, nämlich an einer ebenen Stelle zu landen, die viel zu klein gewesen ist
  • außerdem habe der zweite Pilot die Aufwinde am Hang völlig falsch eingeschätzt und die notwendige Flughöhe nicht eingehalten
  • zudem hatte er garnicht die Qualifizierung für einen solchen Hubschrauber des Typs Mi-171
  • und die Mannschaft hatte die Luftüberwachung mit falschen Daten über ihre wirkliche Flugroute getäuscht.

Dass man jetzt vor allem den 2. Piloten, den jungen Maxim D. KOLBIN, verantwortlich machen würde, weil der als einziger der Crew überlebt hat, hatte schon der Politikwissenschaftler aus Altai, Jurij TSCHERNYSCHOW, im Januar gemutmaßt


24.07.2009

Die Duma erlässt ein neues Gesetz für die Russische Föderation "Über die Jagd", das illegale Wilderei begrenzen soll. Es wird am 1. April 2010 in Kraft treten


05.08.2009

Die föderale Agentur für Lufttransport "Rosaviation" (Федеральное агентство воздушного транспорта) verbietet der Gazpromavia-Hubschrauberflotte kommerzielle Flüge durchzuführen, ausgenommen eigene Firmenflüge


11.08.2009

Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau stellt die Ermittlungen ein. Begründung: die meisten der Verunglückten sind tot.
Allerdings: Der ehemalige stellvertretende Gouverneur der Region Altai, Anatolj BANNYCH, hat überlebt. Ebenso der 2. Pilot


09.09.2009

In Moskau kommt es zum Protest gegen die "Zarenjagd". Teilnehmer: mehr als 30 Tier- und Naturschützer, Aktivisten und normale Bürger:


15.09.2009

Russlands Generalstaatsanwalt Jurij CHAIKA ist zu Besuch in Barnaul, der Hauptstadt der "Region" Altai. Während einer Pressekonferenz wird er gefragt, wie die Untersuchungen vorangehen. CHAIKA (TSCHAIKA) ignoriert die Frage und antwortet, dies sei hier nicht das Thema. Nochmals darauf angesprochen, sagt er: "Alles Gute"" , berichtet altapress.ru


29.09.2009

Während der Parlamentsversammlung der Republik Altai, "El Kurultaj" in Gorno-Altaisk, wollen die Mitglieder Vladimir AMURGUSHEV und Viktor CHABAROV (Vertreter der Deputiertenvereinigung "Pro Heimat Altai") vom Leiter des Untersuchungskommittees bei der Generalstaatsanwaltschaft in Moskau, Alexander BASTRYKINU, wissen, wie es mit den Untersuchungen weitergeht. Gleichzeitig fordern sie der Fortgang der Ermittlungen. Die Initiative wird von 30 der 37 anwesenden Parlamentariern der Republik unterstützt


06.11.2009

Die Tageszeitung Izvestia berichtet, dass das Untersuchungskommittee darauf beharrt, dass die Untersuchungen eingestellt sind, obwohl Abgordnete aus der Republik Altai eine neue Untersuchung fordern


11.11.2009

Das staatliche Ermittlungskommittee in Moskau nimmt die Ermittlungen doch wieder auf - im August hatte man (zunächst) die Akten geschlossen. Vladmir MARKIN, der Vorsitzende des Untersuchungskommittes sagt, es solle alles nochmals sorgfältig untersucht werden, insbesondere ob die bisherige Untersuchung auch ausführlich genug durchgeführt worden sei


29.11.2009

In Gorno-Altaisk, der Hauptstadt der gebirgsreichen, aber bevökerungsarmen "Republik" Altai, kommt es erneut zu Protest. Die Polizei zählt 90, die Organisatoren 300 Demonstrationsteilnehmer, darunter Vertreter einiger Parteien wie Yabloko, der Kommunistischen Partei und der Rechten Partei. Ebenfalls anwesend der ehemalige liberale Duma-Abgeordnete Vladimir RISHKOV, der bis 2007 die Interessen von Barnaul in Moskau vertreten hatte 


03.03.2010

Über ein Jahr nach dem Absturz treffen sich Vertreter des Untersuchungskommittees aus Moskau mit Beamten aus Altai. Sie besprechen die bisherigen Ergebnisse. Sie wollen weiter untersuchen


05.05.2010

Die Untersuchung wird weitergeführt, jetzt vom Westsibirischen Untersuchungskommittee. Es sollen der Unfallort besichtigt und weitere Personen befragt werden


22.06.2010

Auf der Website des Staatlichen Untersuchungskommittees taucht plötzlich der Name von Anatoly BANNYCH auf der Fahndungsliste auf:


23.06.2010

Das Untersuchungskommittee bei der Generalstaatsanwaltschaft stellt auf seiner Website eine Erklärung in Sachen BANNYCH et al online: Der Aufenthaltsort von BANNYCH sei derzeit unbekannt.

Ebenso wisse man nicht, wo sich der ebenfalls zu den Überlebenden zählende stellvertretender Direktor des Institits für Wirtschaft und Gesetzgebung in Moskau, Nikolaj KARPANOV, aufhalte; er sei seither nicht mehr an seinem Arbeitsplatz erschienen - vielleicht sei er krank oder im Ausland


14.07.2010

Jetzt hat man Anatolj BANNYCH doch noch ausfindig gemacht - er soll zur Rechenschaft gezogen werden: das staatliche Untersuchungskommittee bei der Generalstaatsanwaltschaft in Moskau klagt ihn in Barnaul, der Hauptstadt der Region Altai, an, in der er früher als Vizepremier gewirkt hatte.
BANNYCH hat zuvor eine Pressekonferenz veranstaltet, auf der er das Zustandekommen der Aktion zu sprechen kam:

  • Der Flug sei auf Bitten des Vertreters des russischen Präsidenten bei der Duma, Alexander KOSOPKIN, zustande gekommen
  • "Und wenn ein Mensch solchen Standes eine Bitte äußert, klingt das wie ein Befehl" , erklärt BANNYCH.

Die Pressekonferenz ist in Ausschnitten auf der Website der Nachrichtenagentur RIA Novosti u.a. in Form eines Videos dokumentiert: "Ein Beschuldigter stellt seine Version des Absturzes vor" .


Unmittelbar nach seinem öffentlichen Auftritt begibt sich BANNYCH zusammen mit seinem Rechtsanwalt zu dem angereisten staatlichen Ermittlungskommittee, wo ihm die Anklage erläutert wird: "Illegale Jagd" nach § 258 des russischen Strafgesetzbuchs


12.11.2010

Der Sohn des ums Leben gekommenen Flugkapitäns Alexej BAYANDIN, Dmitrij BAYANDIN, wendet sich an die Redaktion von altapress.ru - er hat eine eigene Untersuchung durchgeführt und übergibt deren Ergebnisse den Redakteuren


Dezember 2010

Inzwischen liegt der Ermittlungsvorgang bei der Verkehrstransportstaatsanwaltschaft in Bernaul, der Hauptstadt der "Region" Altai. Dort wird auch vor dem Kosch-Agatschskij Kreisgericht Anklage erhoben: wegen illegalen Jagens von geschützten Tieren unter Benutzung eines Luftfahrzeuges. Die Angeklagten: der zurückgetretene stellv. Gouverneur BANNYCH, der Baumanager BELINSKIJ sowie ein weiterer Überlebender


Frühjahr 2011

Der Richter vertritt, nachdem er die Verhandlungen seit Dezember 2010 mehrfach verschoben hat, die Meinung, dass die Angeklagten zwar schuldig seien, aber die Verjährungsfrist von 2 Jahren inzwischen eingetreten sei. Dies sagt er im April. Am 23. Mai fällt er dann sein Urteil: Freispruch!
Dagegen legt die Staatsanwaltschaft vor Ort Widerspruch ein


Juni 2011

Das Internetportal e-rubtsovsk.ru stellt den Ergebnisbericht des Sohnes des abgestürzten Hubschauberkapitäns, Dmitrij BAYANDIN, online.
Parallel dazu erscheint in der englischen Wikipedia -Site erstmals ein kleiner Eintrag: Altaigate-Scandal


September

Mehrere Hubschrauberpiloten, die Erfahrungen mit dem russischen Mehrzwecktransporthubschrauber des Typs "Mi 8" haben, zu dessen Typenkategorie auch die Variante des abgestürzten "Mi 171" gehört, sehen sich in ihrer Berufsehre und jener ihrer beiden toten Kameraden getroffen. Sie haben inzwischen selbst eine eigene Untersuchung durchgeführt, weil sie sich nicht mit den offiziellen Ergebnissen und Schlussfolgerungen zufrieden geben (wollen). Sie schreiben einen  Brief an den russischen Staatspräsidenten MEDWEDEW, den amtierenden Ministerpräsidenten PUTIN sowie weitere politisch Verantwortliche. Hier gibt es den Offenen Brief in Russisch .
Die 21 Flugexperten, zumeist Kommandeure bzw. Hubschrauberkapitäne, wollen aber auch die Ehrenrettung der 4 Überlebenden, darunter jene des ehemaligen stellv. Gouverneurs BANNYCH. Sie sehen die Absturzursache v.a. darin, dass ein Schuss aus einem "verbotenen Gewehr" (gemeint: Maschinengewehr) einen der Hauptdrehflügel zerschossen hat und dies den Absturz herbeigeführt haben würde. Sie dokumentieren dies alles mit insgesamt 14 Fotoaufnahmen relevanter Teile des Hubschrauberwracks - zu besichtigen im Onlineportal von altapress.ru .
Zeitgleich veröffentlicht der Bernauler Journalist Sergej TEPLIAKOV ein Buch über die ganze Affäre: "Дело архаровцев" ("Ein Fall von Wüstlingen")


Dezember 2011

Jetzt wird das Verfahren endgültig beendet bzw. der Einspruch der Staatsanwaltschaft wegen Verjährung zurückgewiesen. Die Zeitung Kommersant frotzelt: "Drei der Überlebenden, die mit dem Bevollmächtigten des Staatspräsidenten befreundet sind, bleiben frei und erhalten sogar noch eine finanzielle Entschädigung. ... Vor Gericht sagte BANNYCH, er wäre nur ein 'Begleiter' gewesen, der Baumanager meinte, er habe sein Gewehr garnicht ausgepackt und KAPRANOV wäre es schlecht gewesen, er habe versucht während des Fluges zu schlafen."


ein Jahr später, im Dezember 2012

verklagt das Tierschutzkommittee der "Republik" Altai die Überlebenden: Sie sollen den Verlust der abgeschossenen Tiere ersetzen, insbesondere den Verlust der - eigentlich - geschützen Argali-Schafe.

Ein halbes Jahr zuvor hat das Ministerium für Natur neue Regeln fürs Jagen erlassen.
Danach

  • ist das Jagen von Tieren aus einem mechanischen Gefährt heraus, also mit Auto, Schiff oder Flugzeug, erlaubt,
  • allerdings nicht das (Er)Schießen.

Weil man erstens bereits mit dem zu Tode-Hetzen Tiere zu Tode bringen kann, zweitens das Erschießen aus einem fahrenden Gefährt heraus nachträglich kaum nachweisen ist, wird sich vermutlich nicht wirklich viel an den Realitäten ändern. Jetzt tritt Greenpeace mit einer Petition an den Naturminister auf den Plan, auch das Aufspüren und Verfolgen von Tieren aus mechanischen Verkehrsmitteln heraus zu verbieten


(Akop, AE, EKh, Kosh, DM, RYZ; PR)