Der Tri Kita - Korruptions- und Schmuggelskandal

Die Tri Kita - Korruptions- und Schmuggelaffäre, die 2000 begann und sich bis ins Jahr 2006 hinzieht, kreuzt sich 2006 mit dern Vorgängen in Wladiwostok, als die russische Regierung 'aufräumen' will: Staatspräsident Wladimir PUTIN hat sich inzwischen internationalen Verträgen und Konventionen verpflichtet, die Korruption einzudämmen.

Das Durcheinander in Moskau ist anfänglich vor allem dem politischen Kampf um die Vorherrschaft zwischen der "Familie" des Staatspräsidenten und Vorgängers von PUTIN, JELTSIN auf der einen Seite, und den so genannten Siloviki, den vielen Verwaltungs- und Sicherheitsleuten in den unzähligen Behördenapparaten auf der anderen Seite geschuldet. PUTIN gelingt es nur teilweise, dieses Chaos zu beenden. Gerechtigkeit und faire Auseinandersetzungen, z.B. vor Gericht, gibt es für viele Betroffene auch unter PUTIN nicht.

August 2000

Zollbeamte beschlagnahmen eine Warensendung bestehend aus rund 400 Tonnen Möbeln. Der potenzielle Verkäufer: die große Möbelhauskette Tri Kita, deren Firmenemblem aus 3 Walen besteht. Die am offiziellen Zoll vorbeigeschmuggelten Waren wurden von 2 Firmen angeboten bzw. organisiert: Bastion und Liga Mars.
Der Inhaber von Tri Kita, Sergej ZUEV, hätte dafür eigentlich rd. 5 Mio $ höhere Zollgebühren bezahlen müssen. Durch Angabe von falschen Importpreisen und geringeren Gewichten in den Frachtpapieren wollte die ZUEV Geld sparen. Geld, das dem russischen Staatshaushalt zustehen würde. 

Zoll-Kapitän Pawel SAITSEV, von der Abteilung Innere Angelegenheiten der Moskauer Regionsverwaltung von "Oblast" beauftragt, eröffnet im Oktober ein offizielles Ermittlungsverfahren. 

SAITSEV ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was da auf ihn zukommen würde. Die ermittelnden Zollbeamten stellen fest, dass die Möbelkette, die Sergej ZUEV gehört, vor allem von 1 Mann 'kontrolliert' wurde: von Eugen ZAOSTROWTSCHEV (Yevgeny ZAOSTROVTSEV), dem früheren Chef des jetztigen FSB-Direktors Nikolai PATRUSCHEV und Vater des FSB-Generals Juri ZAOSTROWTSCHEV (Yury ZAOSTROVTSEV), der Chef der Abteilung Ökonomische Sicherheit beim FSB und gleichzeitig einer der Direktoren des FSB war


November 2000

Mitarbeiter aus dem Büro des russischen Generalstaatsanwalts Wladimir USTINOV bringen die Ermittlungen zum Stillstand. Sie konfiszieren alle Ermittlungsakten


Dezember 2000

Der Zollbeamte, der bis dahin die Ermittlungen gegen Tri Kita geführt hat, Pawel SAITSEV, wird plötzlich des "Amtsmissbrauchs", konkret der "Überschreitung seiner Kompetenzen" beschuldigt: Er soll 12 Hausdurchsuchungen ohne staatsanwaltschaftliche Billigung veranlasst und illegal 2 Verdächtige festgesetzt haben.

SAITSEV wird im Jahre 2002 von einem Moskauer Gericht freigesprochen werden. Ein Jahr später, im November 2003, wird das Oberste Gericht Russlands diese Entscheidung wieder aufheben und den Fall an das Moskauer Stadtgericht zurückverweisen. In dieser Zeit sieht sich SAITSEV und seine Familie mehreren Morddrohungen gegenüber. 

Das Moskauer Stadtgericht wird SAITSEV am 3. November 2003 zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilen. Olga KUDESCHKINA (KUDESHKINA), eine Richterin des Moskauer Stadtgerichts, wird später zugeben, dass sie vom Ersten Stellvertreter beim Generalstaatsanwalt Juri BIRIUKOV (Yury BIRYUKOV) unter Druck gesetzt worden war, SAITSEV schuldig zu sprechen. 
Sie verweigert sich. Die Gerichtspräsidentin entzieht ihr den Fall und gibt ihn an ein einen anderen gefügigeren Kollegen, der SAITSEV verurteilt. KUDESCHKINA wird 2004 ihren Richterjob verlieren


07.05.2001

Der Erste Stellvertreter beim Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation, Juri BIRIUKOV, unterzeichnet eine Direktive, alle Ermittlungen offiziell zu stoppen. Begründung: Es gäbe keine Beweise für den Schmuggel


Herbst 2001

Stattdessen beschuldigt BIRIUKOV jetzt zwei weitere hochrangige Zollbeamte des Amtsmissbrauchs:

  • den Chef der Zollfahndung, Marat FAISULIN (Marat FAYZULIN)
  • den Chef der Zollinspektion, Alexander VOLKOV.

Sie sollen den Tri Kita-Besitzer und einen Mitarbeiter mit Geldforderungen erpresst haben.
2003 wird das Moskauer Stadtgericht beide freisprechen.
Dafür wird Sergej ZUEV, der Eigentümer von Tri Kita im Oktober wegen Hinterziehung von Zollgebühren und des Aufbaus eines illegalen Schmuggelnetzwerks verurteilt


Februar bis April 2002

Der Abgeordnete in der Staatsduma (russisches Parlament) Juri SCHEKOCHIKIN(Yury SHCHEKOCHIKHIN), der gleichzeitig als Journalist für die regierungskritische Zeitung Novaya Gazeta schreibt, veröffentlicht am 18. Februar einen Artikel, in dem er detailliert über den Tri Kita-Schmuggel und die korruptive Verwicklung von Behördenangestellten im Innenministerium und der Generalstaatsanwaltschaft berichtet. SCHEKOCHIKIN hatte bereits im Sommer 1988, kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, mit dem Generalleutnant der sowjetischen Armee,Alexander GUROV, ein Interview geführt, in dem dieser ganz offiziell die Existenz von Organisierter Kriminalität auch in der Sowjetunion bestätigt hatte. Das Interview hatte beide russlandweit bekannt gemacht. GUROV wurde später Leiter einer Spezialeinheit, die OK bekämpfen sollte.

Jetzt arbeitet GUROV im Innenministerium und ist ebenfalls Mitglied im russischen Parlament. SCHEKOCHIKIN und GUROV arbeiten zusamamen - sie wollen beide Bestechung und Korruption eindämmen. Dazu initiieren sie am 13. März in der Duma eine Untersuchung, die die Affäre aufklären soll. Das Büro des Generalstaatsanwalts hat bereits im Vorfeld bzw. nach der Veröffentlichung in der Novaya Gazeta alle Vorwürfe zurückgewiesen.
Um die Sache wirklich voranzubringen, suchen sich beide einen weiteren Verbündeten aus der Duma, Nikolai KOWALJOV (Nikolay KOVALYOV), der früher ein hoher FSB-Mitarbeiter war, und bitten den Wladimir PUTIN, den Staatspräsidenten, um Hilfe. 

PUTIN reagiert. Er setzt den Staatsanwalt des Leningrader Umlands ein: Wladimir LOSKUTOV


2003

Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Affäre mehrere Opfer auf Seiten der Ermittler gefordert: Der Chef der Operativen Zollabteilung wurde im Februar 2002 ermordet, einer der Ermittler beim Zoll wurde einen Tag später zusammengeschlagen und erlitt ein Schädeltrauma, und am selben Tag geht wird das Auto einer Ermittlerin vom Innenministerium durch eine Bombe zerfetzt.

Auf Seiten der Tri Kita-Connection gibt es ebenfalls mehrere mysteriöse Todesfälle.
Juri SCHEKOCHIKIN, der sich seit seiner Veröffentlichung im Februar mit Morddrohungen konfrontiert sieht, veröffentlicht nach über einem Jahr am am 2. Juni 2003 einen weiteren Artikel in der Novaya Gazeta. Darin beschuldigt er Generalstaatsanwalt BIRIUKOV persönlich der Mittäterschaft im Korruptionskartell.
Wenige Wochen drauf will er in die USA fliegen. Ein Visum hat er bereits erhalten. SCHEKOCHIKIN will sich mit Leuten vom FBI treffen, um Informationen auszutauschen, u.a. über die Bank of New York, über die ein Teil der Geldwäscheaktivitäten gelaufen sein soll.

Zwei Wochen nach seinem letzten Artikel und kurz vor seiner geplanten Reise in die USA wird SCHEKOCHIKIN plötzlich krank. Es ist eine merkwürdige Krankheit - eine Art schleichender Vergiftung von innen. Am 3. Juli erliegt SCHEKOCHIN seiner Krankheit und stirbt im Krankenhaus.

Seine Krankenakte wird sofort als "geheim" eingestuft und von den Gesundheitsbehörden eingezogen


2004

Weitere Ermittler beim Zoll verlieren ihren Job, z.B. Michail WANIN (Mikhail VANIN), einem Verbündeten des Oligarchen Roman ABRAMOWITSCH, der vormals Boris JELTSIN gestützt hatte


2006

Erst in diesem Jahr verlieren erstmals auch andere hochrangige Mitarbeiter in Behörden ihren Job - bisher hat es nur jene getroffen, die gesetzestreu ermittelt hatten.

Nun müssen offizielle Vertreter aus der Zollbehörde, dem FSB, dem Innenministerium und der Generalstaatsanwaltschaft ihre Ämter und Funktionen aufgeben. Die Entlassungen werden - in der Öffentlichkeit - im Zusammenhang mit der Tri Kita-Affäre gesehen.

Kurz danach, im Juni, gibt Russlands oberster Generalstaatsanwalt Wladimir USTINOV auf und tauscht seinen Job: Jetzt wird er Justizminister.

Umgekehrt wechselt der bisherige Justizminister der Russischen Föderation, Juri TSCHAIKA (Yury CHAIKA) seinen Posten: Jetzt wird er Generalstaatsanwalt und tauscht damit den Posten mit USTINOV.
TSCHAIKA gibt nur kurz darauf, am 14. Juni 2006, bekannt, dass er das Verfahren in Sachen Tri Kita wieder eröffnet hat - vor allem gegen eine Reihe von darin verwickelten Geschäftsleuten.

Am 15. Juni, also einen Tag später, erklärt Wladimir PUTIN auf einem Staatsbesuch in Shanghai vor ausländischen Journalisten, dass er einen weiteren Staatsanwalt aus dem Leningrader Umland mit Ermittlungen beauftragt habe. PUTIN muss etwas unternehmen - in drei Wochen wird der G 8 - Gipfel in St. Petersburg stattfinden und PUTIN ist Gastgeber. Dort wird es dann auch um die internationale Bekämpfung der Korruption gehen.

Bevor sich die Staatsoberhäupter der 8 'wichtigsten' Staaten der Welt bei PUTIN treffen, gibt der Erste Stellvertreter beim Generalstaatsanwalt, Juri BIRIUKOV auf. Nach dem Gipfel, Mitte September, erklärt TSCHAIKA, dass er im Zusammenhang mit der Schmuggelaffäre aus China die Entlassung von weiteren 19 hochrangigen Staatsdienern erreicht hat, die er namentlich aber nicht nennen möchte.

Damit ist der Tri Kita - Skandal für ihn beendet. Die 19 entlassenen Beamten werden nicht angeklagt.
Im Oktober konzentriert TSCHAIKA seine Kräfte auf Wladiwostok: Ende Oktober lässt er eine eigens dafür zusammengestellte Spezialeinheit aus dem russischen Innenministerium heimlich auf dem Militärflughafen in der Nähe von Wladiwostok landen. Die 30 Ermittler sollen jetzt dort 'aufräumen'.

Mehr dazu in der Chronologie aus Wladiwostok


(JL)