Die Berichte der SZ, von kicker und der Ruhr Nachrichten, 22.12.2003

von Thomas HENNECKE

Borussia Dortmund bemüht sich um eine Riesen-Anleihe - Die Summe in Ziffern: 100.000.000!

kicker-Sportmagazin

Irgendwann im Januar wird Borussia Dortmund seine Aufsichtsräte zusammentrommeln. Zu einer außerordentlichen Sitzung. Dann sollen die Mitglieder des Gremiums abnicken, was Gerd Niebaum und Michael Meier in den vergangenen Wochen vorgeschoben haben – eine Anleihe von bis zu 100 Millionen Euro, für die der Club seine Zuschauereinnahmen verpfänden wird.

Was auf den ersten Blick wie ein neuer Coup der in finanziellen Fragen ungemein kreativen Klubführung aussieht, wirft in Wirklichkeit ein düsteres Licht auf die bedrohliche wirtschaftliche Verfassung des Vereins. Alles deutet darauf hin, dass sich Borussia Dortmund in einem akuten Liquiditätsengpass befindet und frisches Geld benötigt, um riesige Haushaltslöcher im laufenden Geschäftsjahr zu stopfen. Sich dabei einer Anleihe, eines hochverzinslichen Darlehens, zu bedienen, bereitet Dr. Winfried Materna, dem BVB-Aufsichtsratsvorsitzenden, Bauchschmerzen: "Ich bin kein Freund von solchen Wechseln auf die Zukunft. Das entspricht nicht meinem unternehmerischen Weltbild."

Verhandlungen der Dortmunder Geschäftsführung mit der englisch-amerikanischen Investmentbank "Schechter & Co. Ltd" sind weit fortgeschritten. Die Anleihe soll eine Laufzeit von zwölf Jahren haben, elf Jahre weniger, als Stephen Schechter, Inhaber des Geldhauses, mit seinen ersten Vertragspartnern aus der Bundesliga verabredete: Bereits im April 2003 platzierte Schechter eine 75-Millionen- Euro Anleihe für den FC Schalke 04, der das inzwischen um zehn Millionen Euro aufgestockte Kapital verwendete, um alte Kredite abzulösen und Transferschulden zu begleichen. Dass Dortmund "in allen Geschäftsfeldern gut aufgestellt" sei, wie Niebaum als Geschäftsführer der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) bei den Mitglieder- und Aktionärsversammlungen im November glauben machen wollte, hält einer kritischen Überprüfung nicht mehr stand. Gegenüber der Bilanzrekordsaison 2002/2003 (Umsatz: 162,3 Millionen Euro) kündigt sich im laufenden Geschäftsjahr ein dramatischer Verlust an. Peter Thilo Hasler, Analyst der HypoVereinsbank, bewertete den zu erwartenden Einbruch gegenüber "Focus Money" sogar als "gigantisch, wenn nicht noch ein Wunder geschieht".

Allein 27 Millionen Euro gegenüber der vergangenen Saison betragen die Mindereinnahmen des BVB, weil er sich nicht für die Champions League qualifizierte und sich anschließend im UEFA- Cup vom französischen Provinzklub FC Sochaux vorführen ließ. Die 23 Millionen Euro aus dem Verkauf der Stadionanteile an die MOLSIRIS Vermietungsgesellschaft hübschen das Betriebsergebnis 2002/03 auf, können aber nur einmal auf der Habenseite verbucht werden. Addiert man zu diesem Fehlbetrag von 50 Millionen Euro noch die 15 Millionen Euro hinzu, die Dortmund einem Geheimvertrag von 2001 zufolge für den Spieler Evanilson an den AC Parma überwies, klafft im Vergleich zur Vorsaison schon jetzt ein 65(!)- Millionen-Euro-Loch.

Das Kostensenkungsprogramm, das der Verein inzwischen auflegte, und die Mehreinnahmen durch die Stadionerweiterung lindern die wirtschaftliche Not nicht wirklich. Das Geld ist knapp geworden in Dortmund, wo auch Sponsorenverträge an die Tabelle gekoppelt und entsprechend eingeschmolzen sind. Obwohl seit dem Jahr 2000 weit mehr als 200 Millionen Euro durch Börsengang (130 Millionen) und Stadionverkauf (75,4 Millionen) in die Kassen flossen, ächzt der Verein unter den Lasten, die ihm besonders von dem nach Prestige trachtenden, streng wachstumsgläubigen Niebaum in den vergangenen Jahren auferlegt wurden. Inzwischen warnen Intimkenner der Dortmunder Szene sogar vor dem totalen Kollaps. Dem wirtschaftlichen, wohlgemerkt.