Die Berichte der SZ, von kicker und der Ruhr Nachrichten, 23.12.2003

von Freddie RÖCKENHAUS

Eingeständnis einer Schieflage

Süddeutsche Zeitung

Dortmund - Die eilig anberaumte Pressekonferenz von Borussia Dortmund brachte gestern Nachmittag nur eine Erkenntnis. Klub-Manager Michael Meier bestätigte, dass "uns Verluste erwarten und dass wir uns deshalb um eine Anleihe bemühen". Der Umfang der nach Meiers Angaben in Zusammenarbeit mit dem Londoner Investment-Unternehmen Schechter & Co. Ltd. Geplanten Anleihe stehe allerdings noch nicht fest. Das zu erwartende schlechte Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres könne allerdings zusätzlich durch Spielerverkäufe in größerem Umfang gemildert werden, deutete Meier an. "Es gibt Branchen, die machen in einem Monat 90 Prozent ihres Jahresumsatzes." Allerdings sind fast alle BVB-Spieler langfristig an den Verein gebunden und beziehen herausragende Gehälter, so dass Transfers bei Licht betrachtet sehr schwierig sein dürften.
Der Manager bestätigte indirekt, dass alle übrigen Fakten in der Berichterstattung dieser Zeitung und des Fachmagazins kicker richtig seien. Meier: "Es hat keiner gesagt, dass die Fakten falsch sind." Der Manager und der ebenfalls angetretene Präsident Gerd Niebaum, beide sind auch gemeinsam Geschäftsführer der Borussia Dortmund Kommanditgesellschaft auf Aktien, bestritten allerdings, dass
sich der BVB bereits in aktuellen Liquiditätsengpässen befinde. Die Frage, warum der Klub sich dann ohne Not einer weiteren höheren Verschuldung per Schechter-Anleihe aussetze, blieb von dem Vorstands-Duo unbeantwortet. Meier erklärte allerdings, eine Anleihe würde die "Wachstumsdynamik" des BVB unterstützen.
Nur wenige Stunden zuvor hatte bereits Wilfried Straub, Geschäftsführer der DFL, gegenüber dem Sport-Informationsdienst klare Kritik an solchen Anleihe-Konstruktionen geübt, und dieses Verfahren eher als letztes Mittel der Geldbeschaffung eingestuft. "Wir sehen es nicht gerne, wenn die Zukunft
eines Vereins quasi verpfändet wird, weil dann die Ertragskraft dieses Vereines durch die hohen Rückzahlungsverpflichtungen natürlich belastet wird." Für Dortmund kommen Experten auf eine Rückzahlungssumme von jährlich fast 30 Millionen Euro, falls die Anleihe im geplanten Umfang realisiert würde. Eine Radiomeldung des Westdeutschen Rundfunks, nach der bereits zwei Spieler des BVB an ein
Düsseldorfer Bankhaus verkauft und wieder zurück geleast seien, dementierte Meier mit einem knappen: "Nein." Nicht mehr dementiert wurde von Meier und Niebaum, dass als eine Möglichkeit der Absicherung der geplanten Millionen-Anleihe (man geht von einem Volumen von 80 bis 100 Millionen Euro aus) die Verpfändung künftiger Zuschauereinnahmen in Frage komme. Insider aus dem Klub berichten aber, dass für die Sicherung anderer Darlehen (im letzten Geschäftsbericht sind rund 49
Millionen Euro ausgewiesen) bereits die meisten denkbaren anderen Einkünfte eingesetzt seien. Meier und Niebaum verweigerten nähere Auskunft über das Volumen des neuen Ausrüstervertrages mit Nike, und auch darüber, wie viel von dem erst ab der kommenden Saison geltenden Deal bereits in der abgelaufenen Saison 2002/2003 in die Bilanz aufgenommen wurde. Auch die Höhe der derzeit
zu erwartenden Verluste für das laufende Saisonjahr wollten Meier und Niebaum nicht beziffern.
Meier hatte jedoch selbst zu einem früheren Zeitpunkt eine Summe von "etwa 44 Millionen" als möglichen Fehlbetrag errechnet, der sich aus dem aktuellen sportlichen Misserfolg ergeben würde. Dortmund hat in der laufenden Serie die Teilnahme an der Champions League verpasst. Offensichtlich waren aber die Geschäftspläne so kalkuliert, dass eine Teilnahme an der europäischen Königsklasse unbedingt erforderlich war, um finanziell einigermaßen über die Runden zu kommen.
Der Aufsichtsratsvorsitzende des BVB, Software-Unternehmer Winfried Materna, hat bereits angemahnt: "Wir müssen zu realistischen Einschätzungen des realistisch Machbaren kommen und die Kostenstrukturen dem anpassen." Materna ist im Ehrenamt Präsident der Dortmunder Industrie- und Handelskammer. Der sehr erfolgreiche Unternehmer sagt außerdem: "Es gibt allgemein im Profifußball etwas ungewöhnliche Gepflogenheiten, an die ich mich nur zum Teil gewöhnen möchte."
In Dortmunder Wirtschaftskreisen, die das Gros der Sponsoren des Klubs ausmachen, regt sich reger Widerstand gegen die Geschäftsführung und die riskante Vereinspolitik. "Es geht hier auch um eine Beschädigung des Standorts Dortmund", glaubt ein Mitglied des Sponsorenkreises.