Voraussetzung für eine kritische Berichterstattung ist eine genaue Recherche. An dieser Stelle scheint jedoch bereits der erste große Knackpunkt in der deutschen Sportjournaille zu liegen: die Mehrzahl der Sportjournalisten halten es schlicht für nicht notwendig, kritisch zu berichten, wie Sebastian FLEISCHMANN von der Uni Eichstätt mit Hilfe einer Online-Befragung unter deutschen Sportjournalisten im Rahmen seiner Diplomarbeit herausarbeitete. Statt kritisch zu hinterfragen begnügen sie sich mit der Rolle als „Vermittler“. Dies wiederum hängt eng mit der oftmals vorhandenen fehlenden Distanz zum „Objekt der Berichterstattung“ zusammen, die Kritik nahezu ausschließt.
Lars-Marten NAGELvon der Uni Leipzig deckte in seiner Diplomarbeit vor allem fehlende Strukturen in der deutschen Sportjournaille auf, die eine investigative Arbeit unmöglich machen. Vor allem fehlende Recherche-Profis, die für die schreibende Zunft Fakten und Hintergründe, Interviews und Informationen ausarbeiten könnten, fehlen in den meisten Redaktionen – zumeist aufgrund fehlender Finanzmittel. Aus diesem Grund sind bei den Sportjournalisten keine Kapazitäten frei, um gründlich zu recherchieren, schreibt er.
Damit sind wir wiederum bei „unserer Geschichte“ und Borussia Dortmund. Freddie RÖCKENHAUS stimmt Lars-Marten NAGEL und seiner Aussage nach fehlender Zeit und fehlendem Geld in seinem Beitrag indirekt zu. Bei der Aufdeckung im Fall Borussia Dortmund arbeitete RÖCKENHAUS als freier Journalist. Zudem hatte er keine Zeit- und Geldnöte, da er zusätzlich eine florierende Film-Produktionsfirma betrieb. So konnte er sich völlig der Recherche widmen, was am Ende zu den bekannten Enthüllungen führte.
Auch die Tatsache, dass die Süddeutsche Zeitung in München erscheint, also in weiter Entfernung zu Dortmund, war für RÖCKENHAUS von Vorteil. Durch die fehlende Nähe aller Beteiligter, konnte die Berichterstattung leichter durchgeführt werden, da emotionale Bindungen zu Borussia Dortmund in München ‚äußerst selten’ sind.
Eine andere Zeitung hatte nämlich mit der offensichtlichen Nähe zu Borussia Dortmund zu kämpfen: die Ruhr Nachrichten, die eine offizielle Medienpartnerschaft mit Borussia Dortmund pflegten, mussten zunächst abwägen, wie kritisch ihre Berichterstattung ausfallen sollte. Angesichts der Fakten entschied man sich für die kritische Berichterstattung und stieg bereits kurz nach den ersten Veröffentlichungen aus Süddeutscher Zeitung und kicker voll in die Recherche ein.
Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche kritische Berichterstattung ist, und dies klang bereits kurz an, die Distanz zum Objekt der Berichterstattung zu wahren. Andererseits muss ein Sportjournalist möglichst nahe an die zentralen Persönlichkeiten heran, um wichtige Informationen zu erhalten. Ein Dilemma, dem Jens WEINREICH, freier Journalist, in seinem Filmporträt über FIFA-Boss Joseph BLATTER durch drei Verhaltensweisen entging: durch
- Ausschalten der eigenen Emotionen
- ständige Selbstkontrolle
- Hinzuziehen andere Journalisten als ‚Berater’
Ein weiterer, langjährig tätiger Sportjournalist ist Dieter MATZ, der für das Hamburger Abendblatt u.a. über die Spiele von Fußball-Bundesligist Hamburger SV berichtet. Auf unsere Anfrage berichtete er kurz über seine Arbeitsweise und wie er der Schwierigkeit zwischen Kritik und Nähe begegnet: