Die Berichte des WESER-Kurier, 16.08.1970

von Ulrich MANZ

Als Baudeputierter Anwaltskosten berechnet

Dem Makler Lohmann vertrauliche Vorlagen der Baudeputation zur Kenntnis gebracht zu haben — dies hatte der WESER-KURIER bereits vor Wochen dem Rechtsanwalt, CDU-Bürgerschaftsabgeordneten und Baudeputierten Hans-Ludwig Kulenkampff vorgehalten. Der Vorgang (siehe nebenstehendes Faksimile) bezog sich auf die Erstellung des Bebauungsplanes „Nedderland" in Oberneuland, wo Lohmann handfeste Geschäftsinteressen verfolgte.

Der Vorsitzende der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Sieling, ist nun zur Ehrenrettung seines Parteifreundes angetreten, während der Landesvorsitzende der CDU, Müller-Hermann, in einer parteistrammen Stellungnahme „Zur Lage" die SPD/FDP Koalition als „Krisensenat'' angreift, aber verschweigt, daß auch seine Partei in der Person des Abgeordneten Kulenkampff in der Bauland-Affäre angesprochen ist.

Was Müller-Hermann dem Bremer Senat vorwirft — die rechte Hand wisse nicht was die linke tut —, trifft aber offenbar auch auf die Bremer CDU zu, denn Müller-Hermann und Sieling erwähnen mit keinem Wort, daß Kulenkampff am Bebauungsplan Nedderland neben politischen auch andere Interessen vertrat:

Nedderland-Grundbesitzer Gloistein suchte Kulenkampff in dessen Eigenschaft als Politiker und Baudeputierten auf und fragte nach Möglichkeiten, sein Grundstück zu Bauland zu machen. Kulenkampff bekundete politisches Interesse, setzte sich als Baudeputierter für die Umplanung ein und überreichte der Familie Gloistein später eine gesalzene Anwaltsrechnung. Doch diese Verquickung von Politik und Geschäft ist nicht der einzige Punkt, der Müller- Hermann und Sieling entgangen ist.

Gerade das „Informationsschreiben" Sielings unter anderem über die Vorgänge um den Bebauungsplan Nedderland, das im Mitteilungsblatt der Jungen Union abgedruckt wurde, gibt Anlaß zu einer näheren Betrachtung der Rolle Kulenkampffs als Bauexperte der CDU.

Sieling erklärt, Kulenkampff sei in der Angelegenheit Nedderland als Baudeputierter tätig geworden. Das hatte auch die am Nedderland ansässige Familie Gloistein gedacht, als eines ihrer Mitglieder im Jahre 1965 Kulenkampff in dessen Eigenschaft als Baudeputierten aufsuchte und einen rohen Bebauungsvorschlag mitbrachte. Kulenkampff behielt den Plan mit dem Hinweis, der Vorschlag interessiere ihn als Mitglied der Baudeputation und als Oppositionspolitiker.

Um so überraschter war die Familie Gloistein, als sie im Jahre 1968, nach Verabschiedung des Bebauungsplanes, von Rechtsanwalt Kulenkampff eine Rechnung in Höhe von 7.716,80 Mark für die „Bearbeitung der Neuplanung" des Nedderland-Grundstückes erhielt (siehe untenstehendes Faksimile). Dies war das erste Schriftstück des Deputationsmitgliedes Kulenkampff an die Familie, das mit dem Titel „Rechtsanwalt" unterzeichnet war. Die Rechnung ist allerdings bis heute noch nicht bezahlt und wurde nach Angabe der Familie zunächst auf 4.000 Mark heruntergehandelt.

Kulenkampff erklärte zwar vor dem Untersuchungsausschuß, „Wenn ich beruflich tätig bin, bin ich nicht als Abgeordneter tätig", doch Grundbesitzer Gloistein zieht heute das ironische Fazit: „Gehe ich zum Politiker und Baudeputierten Kulenkampff, muß ich damit rechnen, später von ihm eine Anwaltsrechnung zu bekommen."

Nachdem Rechtsanwalt Kulenkampff noch im vergangenen Jahr die Rechnung angemahnt hatte, machte er sich vor einigen Wochen schließlich gegenüber dem Untersuchungsausschuß bereits die Gloistein-Auffassung zu eigen und erklärte, er sei von dem Nedderland-Grundbesitzer in seiner Eigenschaft als Politiker und Baudeputierter aufgesucht worden. Die Anwaltsrechnung in der herabgehandelten Höhe von 4.000 Mark hatte er jedoch aufrechterhalten.

Erst gestern erhielt Gloistein von Kulenkampff einen Brief, in dem der Anwalt ohne Angabe weiterer Gründe unter anderem erklärt, daß Kosten nicht weiter geltend gemacht werden. Damit betrachtet Kulenkampff nunmehr seine Kostenrechnung als gegenstandslos.

Von einem Verstoß gegen die Vertraulichkeitsbestimmungen der Baudeputation kann nach Ansicht Sielings im Zusammenhang mit dem Brief Kulenkampffs an Lohmann nicht gesprochen werden. Schon sechs Monate vorher sei der betreffende Bebauungsplan im Beirat des Ortsamtes Oberneuland diskutiert worden. Das ist zwar richtig, nur fehlt dabei der Zusatz, daß auch diese Beiratssitzung als streng vertraulich anzusehen war, wie uns aus dem Ortsamt mitgeteilt wurde.

Außerdem gilt in Bremen grundsätzlich die Regel, daß Bebauungspläne bis zu ihrer öffentlichen Auslegung vertraulich sind. Das gilt auch gegenüber Grundstücksmaklern. 

Ein weiterer Absatz des Sieling-Schreibens, wo es heißt, Kulenkampff habe sich mit seinem Brief über vertrauliche Deputationsvorlagen an Lohmann „als den Vertrauten der SPD in dieser Sache" gewandt — ähnlich hatte sich Kulenkampff selbst schon geäußert —, wäre nur dann richtig, wenn die beiden großen Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft ihre Grundstückspolitik in diesem Fall in die Hände des Maklers Lohmann gelegt haben sollten, der allerdings nach der bisherigen Kenntnis ausschließlich Geschäftsinteressen verfolgte und keineswegs mit einem offiziellen politischen Auftrag ausgestattet war.

 

„Berufsstand ins Zwielicht geraten“ - Rechtsanwälte wollen die Spitze ihrer Kammer abwählen

Zahlreiche Bremer Rechtsanwälte sind offenbar über die Rolle, die insbesondere ihre Berufskollegen Hans-Ludwig Kulenkampff und Dr. Herbert Lampe in der Grundstücksaffäre spielen, schockiert. Sie wollen den Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer auffordern, so schnell wie möglich eine außerordentliche Kammerversammlung einzuberufen.

Wichtigster Tagesordnungspunkt laut Antrag:

Abwahl des derzeitigen Kammerpräsidenten Hermann Wentzien, der ein Sozius von Kulenkampff ist, und des Vizepräsidenten Dr. Andreas Mahlstedt, der zu einer Anwaltssozietät mit Dr. Lampe gehört.

„Durch die Verhandlung des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und die dadurch hervorgerufene öffentliche Diskussion ist der Berufsstand der Bremer Anwälte und Notare in ein Zwielicht geraten.“ Mit dieser Feststellung wird der Antrag begründet, der in den nächsten Tagen dem Kammervorstand zugeleitet werden soll.

Die Anwälte wollen bei der außerordentlichen Kammerversammlung einen Bericht des Vorstandes über den bisherigen Stand der Untersuchungen hören, soweit davon einzelne Kollegen oder die Anwaltschaft in ihrer Gesamtheit betroffen seien. Außerdem soll der Vorstand berichten, welche Maßnahmen von ihm bereits getroffen oder beabsichtigt sind. Neben der Abwahl des Präsidenten und Vizepräsidenten werden zugleich Ergänzungswahlen zum Vorstand beantragt.

 

Boljahns Urlaubsgesuch zur Kenntnis genommen

Der Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Kreis Bremen, hat gestern das Beurlaubungsgesuch des DGB-Kreisvorsitzenden Richard Boljahn zur Kenntnis genommen. In einer Erklärung heißt es, der Vorstand respektiere den Wunsch Boljahns, genügend Zeit zu erhalten, um sich im Zusammenhang mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen voll zu rehabilitieren. Nach eindeutiger Erklärung des Sachverhaltes werde der Vorstand abschließend Stellung nehmen.

 

Senator a. D. Blase jetzt Abgeordneter

Bausenator a. D. Wilhelm Blase, der im Zusammenhang mit der Grundstücksaffäre am 1. Juli aus der Landesregierung ausgeschieden war, gehört seit dem 15. August als SPD-Abgeordneter der Bürgerschaft an. Blase hat damit, wie Bürgerschaftspräsident Hermann Engel mitteilte, von seinem Recht aus Artikel 108 Absatz 2 der Landesverfassung Gebrauch gemacht, wonach er Mitglied der Bürgerschaft werden kann, wenn er als Senator zurücktritt. Gleichzeitig ist damit, entsprechend den Vorschriften des Wahlgesetzes, der SPD-Abgeordnete Hermann Lürssen aus der Bürgerschaft ausgeschieden, da er als letzter über den Wahlvorschlag seiner Partei in das Parlament eingezogen war.