Die Berichte des WESER-Kurier, 23.07.1970

von Ulrich MANZ

Bauskandal wieder eine Runde weiter

Der Einleitungssatz ist kurz und trocken: „Ich habe das Verfahren eingestellt.“

Die juristisch interessante Begründung für diese Entscheidung, mit der der Bremer Staatsanwalt Dr. Janknecht die Strafanzeigen der drei Bürgerschaftsabgeordneten Richard Boljahn, Heinz Klemmer und Willy Schelter zurückwies, hat für die Öffentlichkeit darüber hinaus auch eine eminent politische Bedeutung. Janknecht hatte darüber zu befinden, ob die Strafanzeigen gegen den ehemaligen WESER- KURIER-Redakteur Ulrich Manz wegen dessen Veröffentlichungen im Baulandskandal berechtigt waren oder nicht. Sie waren es nicht, denn, so Janknecht, die „öffentlich aufgestellten ehrenrührigen Behauptungen über die Abgeordneten... Richard Boljahn, Heinz Klemmer und Willy Schelter sind … auf Grund der Beweiserhebungen des parlamentarischen Untersuchungsausschusses... sowie meiner Ermittlungen überwiegend wahr..."

Kurz gefaßt ging es bei der Strafanzeige um die Meldungen des WESER-KURIER, Boljahn habe Lohmann einen Spekulationstip gegeben und die Befreiung von der Grunderwerbsteuer zugesagt, außerdem hätten Boljahn, Klemmer und Schelter anscheinend niemals etwas unternommen, um die Gewinne des Maklers einzudämmen. Zudem seien sie ständige Gäste in Lohmmans privater Kellerbar „Club 222“ gewesen.

Hinsichtlich des Spekulationstips Boljahns stellt sich die Behauptung des WESER-KURIER für Janknecht als „in der Sache... wahr" dar. Zwar habe Lohmann in einer eidesstattlichen Erklärung den „Tip“ als „Anheimstellen“ ausgegeben, jedoch sei dies lediglich als „vorsichtige und sorgfältig gewählte Umschreibung des wahren Sachverhalts anzusehen". Außerdem hält Janknecht den „Tip“ schon allein wegen des Ablaufs der Hollerland-Transaktionen Lohmanns für bestätigt. Meint der Staatsanwalt doch, daß Lohmann wohl kaum zu einem Zeitpunkt allgemeiner wirtschaftlicher Stagnation gerade auf dem Grundstückssektor dieses Millionengeschäft eingegangen wäre, wenn er sich nicht gleichzeitig sicher gewesen wäre, die weit über zehn Millionen Mark kostenden Flächen innerhalb kurzer Frist an einen potenten Käufer veräußern zu können.

Noch unwahrscheinlicher wird die Übernahme eines solchen kaufmännischen Risikos durch Lohmann nach staatsanwaltschaftlicher Auffassung unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Lohmann der Neuen Heimat 1967 rund eine Million Quadratmeter Geländefläche angeboten hat, obwohl er davon noch keinen einzigen Quadratmeter besaß. Janknecht stellt denn auch unumwunden fest: „Den ... entscheidenden Hinweis ... konnte Lohmann nur von Boljahn erhalten haben." Boljahn habe das im wesentlichen selber einräumen müssen.

Das Geschehen um diesen „steuerlich spekulativen An- und Weiterverkauf" Lohmmans sei mit dem Ausdruck „Spekulationstip" vom WESER-KURIER durchaus treffend gekennzeichnet worden. Daß sich daraus Millionengewinne ergeben hätten, könne nicht mehr ernstlich bestritten werden.

Diese Gewinne gingen, zumindest wenn es zum sozialen Wohnungsbau komme, zu Lasten des Steuerzahlers. Nichts anderes hatte der WESER-KURIER prophezeit. Auf Grund des ganzen Geschehens kann laut Janknecht auch die Zusage einer Grunderwerbsteuerbefreiung für Lohmann als erwiesen angesehen werden. Soweit der WESER-KURIER-Artikel den Eindruck erweckt, Boljahn und Lohmann hätten unzulässig zusammengewirkt, bleibt für Janknecht festzustellen, daß Boljahn Lohmann wegen einer sogenannten „Spendenaktion" verpflichtet gewesen sei.

Im Zusammenhang mit den Personen Klemmer und Schelter sieht Janknecht den Akzent des Manz-Artikels in der Aussage, daß diese beiden Politiker sich möglicherweise wegen der Inanspruchnahme der Gastfreundschaft Lohmmans im „Club 222" zu dem Makler in politische Abhängigkeit begeben hätten, die den Verdacht aufkommen lasse, sie hätten aus diesem Grunde nichts unternommen, die Gewinne Lohmmans einzudämmen. Da bereits in früheren Veröffentlichungen der Verdacht geäußert worden war, bei Grundstücksqeschäften würden Privat-unternehmer von der öffentlichen Hand begünstigt, sei es zumindest naheliegend gewesen, Klemmer (Sprecher der Baudeputation) und Schelter (Geschäftsführer der SPD-Fraktion) namentlich zu nennen, da wegen ihrer herausgehobenen Stellung eine intimere Kenntnis des Sachverhalts habe angenommen werden dürfen.

Bei Klemmer komme hinzu, daß dieser sich gegenüber dem WESER KURIER über die Hollerlandgeschäfte informiert gezeigt habe. Insoweit könne sich Manz aber in jedem Fall auf das Grundrecht der Pressefreiheit berufen.

Soweit die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die wir auf Seite 14 im Wortlaut veröffentlichen. Die Konsequenzen müssen auf politischer Ebene gezogen werden.