Die Berichte des WESER-Kurier, 28.06.1970

von Ulrich MANZ

Bundesrechnungshof fordert Stellungnahme an

Der letzte Rest Hoffnung von Beamten der Bauverwaltung, die Bundesrepublik werde die Provisionen des Grundstücksmaklers Wilhelm Lohmann aus dem Grunderwerb für die Verbreiterung der Blocklandautobahn doch erstatten, hat sich zerschlagen. In einem Schreiben an Bausenator Wilhelm Blase hat der Bundesrechnungshof in dieser Woche die bereits abgeschlossenen Verträge beanstandet und den Senator um eine Stellungnahme gebeten. Damit bestätigt sich erneut, daß der Bund nicht willens ist, die Maklerprovision zu zahlen, und daß diese Kosten in Höhe von mehreren hunderttausend Mark der Bremer Steuerkasse zur Last fallen werden (WESER-KURIER vom 24. Juni: „Bund verweigert Maklerprovision").

Auf Grund der Hinweise, die den WESER-KURIER nach diesem Bericht erreichten, ist folgendes festzustellen: Makler Lohmann ist weder von 95 Prozent der Grundstücksverkäufer, wie er selber behauptet, beauftragt worden, noch hat die Bremer Liegenschaftsverwaltung ihm einen Verhandlungsauftrag erteilt. Dennoch haben sowohl Lohmann als auch Beamte der Liegenschaftsverwaltung und darüber hinaus die Rechtsanwälte Dr. Herbert Lampe und Hans-Ludwig Kulenkampff in zahlreichen uns bekannten Fällen alles getan, um die Bedenken von Landverkäufern gegen die Einsetzung Lohmanns in die Verträge zu zerstreuen.

So konnte Wilhelm Lohmann Gewinne auf Kosten der Öffentlichkeit einstreichen, weil ihm Beamte, Notare und auch Politiker — bekannte Mitglieder der SPD wissen seit Monaten von diesen Vorgängen — dies ermöglichten. Dennoch steht dieser Fall in der an Merkwürdigkeiten reichen Geschichte der Bremer Grundstücksverkäufe nicht einzig da, im Gegenteil. Während der Makler an der Autobahnverbreiterung „nur" maximal 1,2 Millionen Mark verdienen kann, ermöglichten ihm zugesagte Steuervorteile und Spekulationstips von Politikern im Hollerland — um nur ein Beispiel zu nennen — ungleich höhere Gewinne, die letztlich ebenfalls aus Steuergeldern getragen werden müssen. Und auch beim Verkauf des Hollerlandes versucht die Verwaltung noch heute offenbar, die tatsächliche Höhe der Millionengewinne des Maklers Wilhelm Lohmann zu verschleiern.

Die Frage, wieso Wilhelm Lohmann bei der Autobahnverbreiterung Provisionen kassieren konnte, ohne jemals einen Auftrag erhalten zu haben, ist leicht zu beantworten. Als zum Beispiel ein Landverkäufer den Lohmann betreffenden Vertragstext bei der Unterzeichnung monierte, erklärte der anwesende Beamte der Liegenschaftsverwaltung: „Das macht nichts, das brauchen Sie ja nicht zu bezahlen. Der Makler gehört in den Vertrag."

Als bei einem anderen Vorgang ein Verkäufer die Lohmann-Passage im Vertrag beanstandete, wurde ihm von seinem Anwalt Dr. Lampe erklärt, das habe schon seine Richtigkeit, das müsse so sein. Lampe deutete dabei an, die Stadt habe Lohmann mit den Verhandlungen beauftragt. Schon am 25. November vergangenen Jahres wurde in der Munte II auf einer Versammlung der Grundbesitzer aus dem zweiten Bauabschnitt der Autobahnverbreiterung das Mißtrauen gegen den Namen Lohmanns in den Verträgen weitgehend zu zerstreuen versucht.

Ein Protokoll, das einer der anwesenden Landverkäufer von der Sitzung anfertigte, sagt dazu, die Rechtsanwälte Dr. Lampe und Kulenkampff sowie der Geschäftsführer des Bremischen Landwirtschaftsverbandes, Abel, hätten übereinstimmend erklärt, die Firma Wilhelm Lohmann sei von der Stadt Bremen mit den Grunderwerbsverhandlungen beauftragt worden. Lohmann, der dieser Versammlung beiwohnte, soll nicht widersprochen haben.

Das Fazit: Vermittlungsaufträge sind dem Makler, soweit bekannt, von keiner Seite erteilt worden. Die Liegenschaftsverwaltung — so Regierungsdirektor Harald Reichenbach — hat den Makler jedoch mit einer einzigen, dem WESER-KURIER bekannten Ausnahme in die Verträge aufgenommen, weil Dr. Lampe und Kulenkampff dem Amt einen Maklerauftrag seitens der Grundbesitzer bestätigt haben. Vor Unterzeichnung der Verträge haben jedoch die Anwälte, der Makler und auch die Behörde den Verkäufern gegenüber häufig erklärt, Lohmann handele im Stadtauftrag. Der einzige Fixpunkt in diesem undurchsichtigen Wirrwarr: Der Makler Wilhelm Lohmann verdient etliche hunderttausend Mark. Beim Verkauf seiner eigenen Grundstücke an den Bund ließ er seine Schwester als Makler einsetzen, was von der Liegenschaftsverwaltung nicht beanstandet wurde.

Wenn sich hier die Vermutung aufdrängt, daß ein Personenkreis, der mit den Geschäften von Privatunternehmern eigentlich nichts zu tun haben dürfte, dem Makler ganz bewußt dieses Geschäft erst ermöglicht habe, so muß das mindestens für mehrere zurückliegende und ebenso für einige aktuelle Vorgänge im Bremer Grundstückswesen als bestätigt angesehen werden.

Dazu gehören unter anderem die Bodenverkäufe im Hollerland, die durch die jüngste Empfehlung des Gründungssenats für die Bremer Universität zur Verflechtung der Bremer Hochschule mit städtischen Einrichtungen wieder höchst aktuell geworden sind. Das Grundstücksgeschäft im Hollerland war von der zur Hälfte städtischen Grundstücksgesellschaft „Weser" eingeleitet worden. Lohmann hatte seine Tätigkeit in diesem Gebiet dann kurze Zeit später auf einen Spekulationstip und auf die Zusicherung von Steuervorteilen hin aufgenommen und auf diese Weise viele Millionen Mark verdient, die letztlich zu Lasten der Steuerzahler gehen werden, wenn in diesem Gebiet 15.000 Sozialwohnungen gebaut werden sollen.

Nach eigenem Bekunden Lohmanns hat der damalige SPD-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzende Richard Boljahn ihm seinerzeit geraten, im Hollerland auf eigene Rechnung Gelände aufzukaufen und ihm dafür Befreiung von der siebenprozentigen Grunderwerbsteuer zugesagt. Boljahn war damals auch Aufsichtsratsvorsitzender der Gemeinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft Gewoba und Aufsichtsratsvorsitzender der Grundstücksgesellschaft „Weser". Im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft, dem auch Bausenator Wilhelm Blase und Finanzsenator Rolf Speckmann angehörten, ist die Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach Auskunft Lohmanns ebenfalls besprochen worden.

Lohmann kaufte, wie Boljahn ihm geraten hatte, Gelände im Hollerland für Preise zwischen zehn und 16 Mark pro Quadratmeter auf und verkaufte das Land meist nach kurzer Zeit an den „Neue-Heimat-Konzern" für Preise zwischen 19 und 21 Mark pro Quadratmeter weiter. Allein aus dem Verkauf eines einzigen von vielen Geländestreifen erzielte der Makler knapp 1,2 Millionen Mark Gewinn. Boljahn hat demnach mit seinem Spekulationstip unmittelbar gegen die Interessen der von ihm vertretenen Gemeinnützigen Baugesellschaft gehandelt und mittelbar gegen die öffentlichen Interessen verstoßen.

Der WESER-KURIER versuchte kürzlich, einige dieser Preise genauer nachzuprüfen, stieß aber unerwartet auf Schwierigkeiten: In einer Reihe von Grundbüchern über Grundstücke im Hollerland fehlten die Kaufverträge, aus denen Preise und Gewinnspannen zu ersehen wären, obwohl laut Gesetz die Verträge im Grundbuchamt aufgehoben werden müssen.

Der vorherige Ankauf einiger Grundstücke im Hollerland durch die Grundstücksgesellschaft „Weser" zeigt, daß ein öffentliches Interesse an diesem Gebiet bestand. Warum haben dann aber die Politiker, wie sie es heute nennen, „entschieden zu hohe Bodenpreise" gefördert oder geduldet oder jedenfalls zugelassen? Warum hat niemand Gewinnspannen bis zu 100 Prozent für den Makler unterbunden?

Warum Bausenator Blase und Finanzsenator Speckmann nichts gegen die im Widerspruch zu den öffentlichen Interessen stehenden Millionengewinne des Maklers unternommen haben, ist unklar. Von Bausenator Blase ist lediglich bekannt, daß er um jene Zeit, als Lohmann gerade in das Hollerland-Geschäft einstieg, im Sommer 1966, mit Boljahn und dem Makler Gespräche in dessen Sommerhaus auf Mallorca geführt hat.

Bei der SPD-Fraktion, damals im Parlament in Besitz der absoluten Mehrheit, ist deutlicher, warum sie nichts unternommen hat. Zunächst war mit Boljahn der eigene Fraktionsvorsitzende betroffen, und außerdem verstand es Lohmann, seit Dezember 1959 ebenfalls SPD-Mitglied, sich Freunde in der Fraktion zu schaffen, indem er im Keller seines Hauses Schwachhauser Heerstraße 222 intensiv Kontakte mit einflußreichen SPD-Politikern pflegte. Ständige Gäste in diesem „Club 222" waren außer Richard Boljahn der heutige Sprecher der Baudeputation, Heinz Klemmer, und der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Willy Schelter. Anscheinend hat keiner dar Gäste des „Club 222" — dem Gemeinwohl verpflichtete Abgeordnete und Beamte mit öffentlichem Auftrag — jemals etwas unternommen, um die Gewinne des Maklers einzudämmen.

Wenn Lohmann heute sagt, „Ich hätte dem Herrgott gedankt, wenn ich in Bremen nie einen Politiker kennengelernt hätte", dann wohl nur deshalb, weil er nach dem Rücktritt Boljahns Anfang 1968 die Grunderwerbsteuer doch noch nachzahlen mußte. Bei seinen enormen Gewinnen aus den Hollerland-Transaktionen dürfte ihm das kaum schwergefallen sein.

Demgegenüber sitzen die Baugesellschaften „Neue Heimat" (die frühere Gewoba) und Bremer Treuhand auf rund 3,6 Millionen Quadratmeter Land, auf dem sie — entgegen ihren Erwartungen auf Jahre hinaus — noch nicht bauen können. Das Land ist knapp 60 Millionen Mark wert, und die Zinsen für diese Summe werden zwangsläufig die Gesamtbaukosten für die geplanten 15.000 Sozialwohnungen im moorigen Hollerland nicht unbeträchtlich erhöhen. Die Mehrkosten sind heute noch nicht abzusehen. Und auch diese bestimmt nicht kleine Summe wird eines Tages den Haushalt der Stadt Bremen belasten, wenn die öffentliche Förderung des Wohnungsbaues in diesem Gebiet, woran kaum noch zu zweifeln ist, beschlossen wird.

Am Montagvormittag wird sich der Unterbezirksvorstand der SPD mit der ersten Veröffentlichung des WESER-KURIER über die Autobahnverbreiterung befassen. Zu dieser Sitzung sind auch Regierungsdirektor Harald Reichenbach von der Liegenschaftsverwaltung, ebenfalls SPD-Mitglied, und Bausenator Blase geladen. Blase ist am Dienstag vom Senat mit der Prüfung der im WESER-KURIER veröffentlichten Tatsachen beauftragt worden.