Das Making of Der "Ehrenämterkönig"

von Jörg KLOTZEK

Zur grundsätzlichen Erläuterung für Außer-Bayerische:

Bayern ist politisch seit langer Zeit sehr monokratisch ausgerichtet, die regierende CSU erhält regelmäßig Ergebnisse jenseits der 50-Prozent-Marke. Das hat durchaus seine Vorteile im Regieren und in der personellen Konstanz der Regierenden, birgt jedoch die Gefahr einer gewissen Verfilzung, was die Bayern „Spezl-Wirtschaft“ nennen, aber auch als „Amigo-Affäre“ schon Berühmtheit erlangt hatte.

Die, zumindest aus politischer Sicht, konstanteste Region des Freistaates ist Ostbayern mit seinen Bezirken Oberpfalz und Niederbayern. Hier erreicht die CSU stets Wahlergebnisse deutlich über 60 Prozent, in manchen Landkreisen und Kommunen noch weit darüber. Und da dies seit mehreren Jahrzehnten der Fall ist, versagen regelmäßig die politischen Selbstreinigungskräfte und demokratischen Kontrollen. So gehören die Politiker von Prüfinstanzen wie Rechnungsprüfungsausschüssen oft der gleichen Partei an wie der eigentlich zu kontrollierende Bürgermeister, Landrat oder Vorsitzende. Auch die Beamten in den Kontroll- und Aufsichtsbehörden unterliegen dem Weisungsrecht eines gewählten Amtsvorsitzenden, der meist der gleichen Partei angehört. Und oft sind selbst diese Staatsdiener Mitglied der Partei, was der Karriere nicht unbedingt abträglich sein muss. Zumindest gehören viele Leiter von Schulen, Behörden oder staatlichen Einrichtungen ebenfalls der CSU an.

Rein menschlich betrachtet ist es also durchaus nachvollziehbar, dass aus Freundschaften und Sympathie, langjähriger Gefährtenschaft und gegenseitigen Verpflichtungen gewisse Selbstverständlichkeiten entstehen, die streng genommen gar nicht entstehen dürften in einer Demokratie mit Gewaltenteilung.


Die Person Klaus HUBER:

Seit vielen Jahren ist Klaus HUBER in der Politik des Landkreises Passau aktiv und bekannt. Unwidersprochen schrieben die wenigen Medien der Region vom „Ämterkönig“, was HUBER wohl auch eher als Auszeichnung denn als Kritik verstand. Er war Gemeinde- und Kreisrat, vorübergehend stellvertretender Bürgermeister, Vorsitzender seiner Partei im Kreistag, Verbandsrat im Abfallwirtschaftsverband, Mitglied im Zweckverband der Volkshochschulen und vor allem geschäftsführender Vorsitzender des Berufsschulverbandes des Landkreises. Aus nahezu allen Ämtern und Positionen bezog Klaus HUBER über lange Jahre Sitzungsgelder und Aufwandsentschädigungen, was ihm ebenso unwidersprochen die nicht weniger satirisch gemeinte Bezeichnung „Berufspolitiker“ einbrachte. Ansonsten ging er in den letzten Jahren keiner weiteren beruflichen Tätigkeit nach außerhalb der gut dotierten politischen Ehrenämter. Doch außer dieser Kritik konnte man Klaus HUBER keine Unkorrektheiten nachsagen, wohl nicht zuletzt, weil die Prüfinstanzen . . . – siehe oben!


Die Entstehungsgeschichte der „Akte HUBER“:

Es war schon spät in der Nacht, als im Schlafzimmer von PNP-Redakteur Jörg KLOTZEK das Telefon klingelte. Er kenne den Journalisten von seiner Arbeitsweise her, sagte der nächtliche Anrufer, und ihn ermutige die Tatsache, dass KLOTZEK einst Kriminaloberkommissar gewesen sei. „Sind Sie an einer heißen Geschichte interessiert mit womöglich kriminellem Hintergrund?“, so die Frage. Man müsse allerdings ihm, dem Anrufer, vollste Vertraulichkeit zusichern, da durch ihn die Identität der Quelle der „heißen Geschichte“ zu erkennen sein könnte.

Nach dem Hinweis aufs journalistische Aussageverweigerungsrecht gemäß der Strafprozessordnung (StPO) schilderte der Anrufer, dass im Berufsschulverband des Landkreises Passau eine interne Prüfung laufe, deren Ergebnis den Vorsitzenden zumindest in den Verdacht von Betrug und Unterschlagung bringe. Es gehe um freihändige Vergaben von Klaus HUBER an seine eigene Firma, um die Beschäftigung des eigenen Sohnes im Berufsschulverband und um Aufwandsentschädigungen und Fahrgelder, die weit über das von der Verbandsversammlung genehmigte Maß hinaus gehen würden. Der Anrufer vermutete, dass das Prüfergebnis im engeren Zirkel der politisch Verantwortlichen „versanden“ und letztlich ohne Konsequenz bleiben könnte.

Jörg KLOTZEK nahm mit Martin RIEDLAICHER Kontakt auf, den für die Berichterstattung von Landkreisangelegenheiten zuständigen Redaktionsleiter von Passau-Land. Beide beschlossen, die Angelegenheit in Angriff zu nehmen, jedoch die Identität des Informanten wie versprochen zu schützen. Nach weiteren Recherchen entstand der Auftakt-Bericht „Klaus HUBER vergibt Verbands-Aufträge an sich selbst“ vom 19. März 2005 mit den bis dahin bekannten Details. Damals sagte Klaus HUBER: „Ich sehe da keine Probleme auf mich zukommen“.

In der Folgezeit berichtete Martin RIEDLAICHER intensiv über die vertraulichen Informationen von Jörg KLOTZEK, aus den öffentlichen Sitzungen, die er und teilweise seine Mitarbeiter besuchten, stellte intensive Recherchen an und kommentierte die Vorgänge. Dabei konnte RIEDLAICHER eigene Quellen und Bekanntschaften im Berufsschulverband und Landratsamt nutzen, um die Informationen abzusichern. Nach und nach setzten die üblichen politischen Reflexe ein. Kleine Parteien und Gruppierungen kritisierten und forderten HUBER's Rücktritt, die SPD schwieg und die CSU stärkte HUBER den Rücken. Obwohl immer mehr Details in der Zeitung bekannt und berichtet wurden, schien Klaus HUBER die Sache relativ unbeschadet überstehen zu können. Er selbst gab sich keiner Schuld bewusst, die Vorwürfe seien alle zu widerlegen. Der Landrat tat sich schwer mit der Sache. Schließlich war Huber dessen treuer Weggefährte und Strippenzieher schon seit den Zeiten der Jungen Union gewesen. Die Sprachregelung des Landrats: Erst mal die Veröffentlichung des Prüfberichts abwarten. Das brachte Zeit.

Wochen vergingen. Wieder war es Nacht, wieder klingelte im Schlafzimmer KLOTZEK das Telefon, erneut meldete sich der geheime Informant. Man habe zu wenig Beweise, gab ihm Jörg KLOTZEK zu verstehen, man müsse stets auch die Rechte von Klaus HUBER im Auge behalten. Am besten wäre es, die Erkenntnisse aus den Untersuchungen des Kommunalen Prüfungsverbandes einsehen zu können. Die Unterlagen waren jedoch nur einer Handvoll Eingeweihter, darunter Klaus HUBER selbst, zugänglich.
Es dauert ein paar Tage, bis sich der Informant erneut anrief – wieder in der Nacht. Er mache sich unter Umständen strafbar, befand der nächtliche Anrufer, doch die Sache müsse lückenlos geklärt werden. Er befürchte, dass nur die halbe Wahrheit ans Licht komme und die Aufklärungswut der politisch Beteiligten sich in Grenzen halten werde. Erneut verlangte er strengste Verschwiegenheit, was ihm erneut zugesichert wurde. Am nächsten Tag lag eine Kopie des Untersuchungsberichtes des Kommunalen Prüfungsverbandes im Briefkasten.

Es folgte nach einigen Tagen mit Gesprächen und Recherchen am 18. Juni 2005 der Bericht „Die Akte HUBER: Was der Prüfer kritisiert“ auf der Passauer Landkreisseite der Passauer Neuen Presse. Parallel dazu hatten am Vortag überraschend hektische Aktivitäten der Behörden eingesetzt. Die Polizei durchsuchte im Auftrag der Staatsanwaltschaft Passau die privaten Räume von Klaus HUBER sowie dessen Büro im Berufsschulverband. Ein förmliches Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet. Das Ergebnis steht bis zum heutigen Tag aus.

Die Redaktion hatte aus Polizeikreisen erfahren, dass am späten Nachmittag des 17. Juni eine Razzia beim Berufsschulverband angesetzt sei. Fünf Stunden lang hielten mehrere Kollegen in sengender Sonne aus, bis sie schließlich um 18.15 Uhr Glück hatten. Die überraschten Polizeibeamten sowie der Geschäftsführer des Berufsschulverbands wurden von einem Fotografen erwartet. Der Bericht über den Prüfungsbericht und über die Razzia markierten einen Wendepunkt in der Affäre. Selbst die getreuesten Weggefährten sahen ein, dass HUBER nicht mehr zu halten war, in keinem Amt.

Dann ging alles sehr schnell: HUBER, der am Tag zuvor seinen Vorsitz im Berufsschulverband auf Druck aus den eigenen Reihen hatte ruhen lassen, wurde als Vorsitzender der Kreistagsfraktion abgelöst und in der Folgezeit aus allen politischen Ämtern entfernt.
Zu seinem Nachfolger im Berufsschulverband wurde mit der Mehrheit der Stimmen der CSU der stellvertretende Landrat Walter TAUBENEDER (CSU) gewählt. Er war bisher Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses, hatte aber vom Ämtermissbrauch durch Klaus HUBER nach eigener Aussage nichts mitbekommen. Klaus HUBER sitzt derzeit als Fraktionsloser im Kreistag.