Die Berichte der Abendzeitung zum Thema Familienwirtschaft, 17.05.2013

Aufräumer unter Druck

Abendzeitung , 17.05.2013 

MÜNCHEN So hatte sich Horst Seehofer den gestrigen Tag im Landtag nicht vorgestellt. Mit geschwellter Brust kam er ins Maximilianeum, um sich als der große "Aufräumer" feiern zu lassen. "Wir verabschieden das strengste Abgeordnetengesetz Deutschlands", sagte die neue CSU-Fraktionschefin Christa Stewens. Doch das interessierte kaum jemanden. Eine Anfrage der AZ hatte für neuen Wirbel gesorgt.

Im November 1999, als die Familienbande im bayerischen Landtag aufflogen und daraufhin das Gesetz geändert wurde, gab es laut Landtagsamt 45 Abgeordnete, die ihre Ehefrau beschäftigten. Nach der Gesetzesänderung am 1. Dezember 2000 aber gab es plötzlich 79 sogenannte "Altfälle", die Frau und Kinder unbegrenzt weiterbeschäftigen durften. 

Der CSU-Mann Georg Winter, der kurz vor der Gesetzesänderung noch schnell seine damals 13- und 14-jährigen Söhne anstellte, war also offensichtlich kein Einzelfall. Auch andere Abgeordnete mit Familienunternehmen wussten genau, was sie taten.

Wer die Gelegenheit außer Georg Winter noch nutzte, das will Landtagspräsidentin Barbara Stamm geheim halten. Auch den Betrag, den Winter für die illegale Kinderarbeit zurückzahlte, weigert sie sich zu veröffentlichen.

Seehofer, der Transparenz verspricht, hat nun plötzlich dafür Verständnis, dass im Landtag gemauert wird. Auch auf eine Anfrage der "Süddeutschen Zeitung" verweigerte Stamm die Antwort. Sie beruft sich nun auf den Obersten Rechnungshof, der den Landtag wegen der Beschäftigung von Verwandten prüft. So lange werde sie keine Fragen mehr beantworten, sagte sie.

Bei seiner Ankunft im Landtag geriet Seehofer deswegen unter heftigen Druck, als er Stamm Schützenhilfe gab. "Da läuft ja jetzt nichts weg", verteidigte er das Schweigen der Landtagspräsidentin. Die Presse könne ja auf den Bericht des Obersten Rechnungshofs warten. "Dann kann man noch fragen: Was ist nicht beantwortet worden", so Seehofer. Als die Vertreter der Landtagspresse dagegen protestierten, verteidigte er sich: "Ich bin die Exekutive. Ich bin nicht das Parlament. Ich kenne die Akten nicht."

Am Mittwochabend hatten sich CSU, FDP, SPD und Grüne bei ihren Forderungen noch gegenseitig übertrumpft. 

Ab 1. Juni dürfen in Bayern Familienangehörige bis zum vierten Verwandtschaftsgrad nicht mehr als Abgeordneten-Mitarbeiter angestellt werden. Die Beschäftigung von Cousinen und Vettern ist damit auch verboten. Ab 1. Oktober dürfen die Vertreter des Parlaments ihre Angestellten nicht mehr selbst verwalten. Die Abrechnung übernimmt das Landtagsamt. Nur Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger wollte nicht so recht mitziehen, knickte gestern dann aber doch noch ein. "Sonst heißt es, die Freien Wähler wären uneinsichtig", erklärte er.

Ex-Fraktionschef Georg Schmid ließ sich gestern im Landtag nicht mehr blicken. Er hatte seiner Frau bis zu 5500 Euro plus Mehrwertsteuer monatlich gezahlt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen des Verdachts der Scheinselbständigkeit. Gestern kappte die CSU auch die letzten Bande zu Schmid. Sie berief ihn auch noch aus dem Rundfunkrat ab und ersetzte ihn dort durch seine Nachfolgerin an der Fraktionsspitze, Christa Stewens.
Georg Winter hingegen saß brav auf seinen Platz. Zur Gesetzesänderung meinte er ganz lapidar: "Wichtig und dringend notwendig."