Die Berichte der Abendzeitung zum Thema Familienwirtschaft, 03.05.2013

von Angela Böhm

Die CSU in der Krise

Abendzeitung , 03.05.2013 

MÜNCHEN Horst Seehofer wähnte sich schon im weiß-blauen Himmel. Völlig losgelöst schwärmte er in Kreuth: "Bayern ist ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten, denn Bayern ist die Vorstufe zum Paradies." Vier Monate danach muss sich der CSU-Chef wie in der Hölle fühlen. Seine Partei befindet sich in ihrer größten Krise seit der Amigo-Affäre vor 20 Jahren. 

Ausgerechnet heute, wenn Seehofer im Postpalast feierlich zum Spitzenkandidaten der CSU gekürt und Bayern als "Chancenland" gefeiert wird, steht eins fest: Der Freistaat bietet tatsächlich unbegrenzte Möglichkeiten. Für gierige Abgeordnete und durchtriebene Minister. Die können sich wie im Paradies fühlen. 

"Zuhören, verstehen und handeln!" Sein Lebensmotto nennt Seehofer das. Zuhören will er nicht mehr, verstehen kann er nicht mehr. Jetzt wird nur noch gehandelt, um zu retten, was noch zu retten ist. "Da fehlt mir jedes Verständnis", schüttelt er nur noch den Kopf. 2008 war er in Bayern angetreten, um in der CSU aufzuräumen. Funktioniert hat's nicht. Was ihm jetzt bleibt, ist nur noch abzuräumen. 

Die Abzocker-Affäre ist der vorläufige Höhepunkt: Fraktionschef Georg Schmid beendet seine Karriere. Er hatte für seine Frau monatlich bis zu 5500 Euro abgerechnet. Einen Tobsuchtsanfall habe Seehofer bekommen, heißt es in seiner Umgebung, als er aus den Zeitungen erfuhr, dass Schmid auch noch mehr verdient hat als ein Minister. 

Daraufhin habe Seehofer den Daumen gesenkt. Schmid wird im Wahlkampf nicht mehr auftreten. Die CSU fürchtet, dass der Landtag kurz vor der Wahl seine Immunität aufheben muss, wenn die Staatsanwaltschaft gegen ihn und seinen Frau wegen "Scheinselbstständigkeit" ermittelt. Inzwischen purzeln im Landtag Geständnisse (siehe unten). 

Die Familienunternehmen sind aber längst nicht alles - sie sind eine der vielen Facetten, die das Bild der CSU trüben, das heute doch auf Hochglanz poliert werden sollte. 

Da ist der Fall Uli Hoeneß. Sein Steuerbetrug ist besonders peinlich für die CSU. Mit ihm als Zugpferd wollte Seehofer in den Wahlkampf ziehen.

Oder die internen Schiebereien. "Schmutzeleien" hatte Seehofer auf seiner legendären Weihnachtsfeier seinem Kronprinzen Markus Söder attestiert - und damit für einen Riesenaufstand in der Partei gesorgt. Jetzt kam heraus: Söder und sein Spezl, der Münchner CSU-Chef und Kultusminister Ludwig Spaenle, haben sich gegenseitig für das Bundesverdienstkreuz nominiert. Den bayerischen Verdienstorden haben sie ja schon. So wie der Großteil aller CSU-Abgeordneten. Nirgendwo ist der schwarze Filz dicker als bei der Ordensverleihung. Ex-Ministerpräsident Stoiber zeichnete sogar seinen Zahnarzt mit dem Verdienstorden aus. 

Oder der Doktor-Schwindel. Diesen Orden hat natürlich auch Jakob Kreidl, der ehemalige Chef des Innenausschusses, Landrat von Miesbach und Präsident des Bayerischen Landkreistags. Aber keinen Doktor-Titel mehr: Vor vier Wochen war aufgeflogen, dass sein Titel erschwindelt war. Er hatte betrogen und abgeschrieben. Seinen Doktor hat Kreidl freiwillig zurückgegeben. An seinen Ämtern aber klebt er. Oder die Sprecher-Affäre. Es sind aber nicht nur die anderen, die noch immer in der alten Staatspartei CSU tief verwurzelt sind. Im Herbst war Seehofer selber in die Schusslinie geraten, als sein Sprecher Michael Strepp Druck auf das ZDF machte, einen Bericht über die Krönung von Christian Ude zu verhindern. Er musste zurücktreten. Und die vielen Schwenks. Seehofers Meinungswechsel sind bei Freund und Feind bekannt. Die SPD widmet ihnen die Kampagne "Drehofer.de". Die ärgert Seehofer sehr. Er füllt sie aber regelmäßig: Allein in den vergangenen sieben Tagen waren es fünf Kursänderungen der bayerischen Regierung. Verwandte als Mitarbeiter werden nun doch verboten, Abgeordnete müssen ihre Nebeneinkünfte offenlegen, Bayern beteiligt sich am Kauf von Steuerdaten-CDs und ist für eine Grenze bei Selbstanzeigen, es werden mehr Steuerfahnder beschäftigt. Andere jüngere Fälle von Kehrtwenden sind die Studiengebühren, die Frauenquote oder der Donauausbau, größere mittelfristige waren zuletzt die Atomkraft oder Wehrpflicht.

In der Wähler-Beliebtheit wirkt sich das alles nicht aus: In einer neuen Umfrage von Sat1 kommt die CSU auf 47 Prozent. Das ist gerade mal ein Punkt weniger als im Herbst und reicht für die absolute Mehrheit.