Die Berichte der Abendzeitung zum Thema Familienwirtschaft, 04.05.2013

von Angela Böhm

Panik im Postpalast

Abendzeitung , 04.05.2013 

MÜNCHEN Auf den Stühlen im Postpalast liegen mittags weiß-blaue Schilder. Auf der Vorderseite steht CSU, auf der Rückseite Bayern. Die sollen die geladenen Parteifreunde am Abend jubelnd in die Höhe halten, wenn die CSU Horst Seehofer zu ihrem Spitzenkandidaten ausruft. Dem aber ist nicht nach Jubel zumute. Der Ärger mit den lieben Verwandten hat Seehofer die Lust auf Party verdorben. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt lässt die 1500 Schilder am Freitag vor der Krönung wieder einsammeln und wegräumen.

Draußen vor dem Postpalast empfangen Demonstranten mit Strohsombreros und einer Mariachi-Band Horst Seehofer. Sie halten ihm weißblaue Schilder mit "Saludos Amigos" entgegen. Und: "CSU Chronische Selbstbediener Union." Seehofer schaut weg.

"So, wo geht's jetzt hin?" fragt er seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt, als er aus dem Auto steigt. Diese Frage plagt jetzt viele in der Partei. Aus dem Lautsprecher dröhnt die Spider Murphy Gang: "I lauf' nackert durch den Englischen Garten, sitz' high auf dem Monopteros. Es ist wieder Sommer. . ."

Gott sei Dank ist noch nicht Sommer, mag es Seehofer da durch den Kopf schießen. Viereinhalb Monate sind's noch bis zur Wahl. Seehofer schreit gegen das "nackert durch den Englischen Garten" an. Nackert wird jetzt bald das Konto von seinen Kabinettsmitgliedern sein, die ihre Frauen beschäftigt haben. Ludwig Spaenle hat angekündigt, die Summe, die er als Kultusminister an seine Frau gezahlt hat, dem Landtag rückzuerstatten. Rund 34 000 Euro sind das. "Das ist ein guter Weg", versucht Seehofer die Spider Murphy Gang zu übertönen. "Der wird bei den anderen Kabinettsmitgliedern Fortsetzung finden."

Aus dem Parteikonvent nach US-Vorbild wird ein bayerischer Kinoabend. Eineinhalb Stunden lässt die CSU Filmchen vorführen. Den schönsten Beitrag hat der Regisseur Josef Vilsmaier für die Partei zusammen geschnitten. Generalsekretär Dobrindt lobt ihn und bedankt sich. Auch Vilsmeier kann sich bei der CSU bedanken. Seine letzten Filme "Traumreise durch Bayern", "Brandner Kasper" oder Nanga Parbat" wurden alle von der bayerische Filmförderung großzügig unterstützt.

"Grüß Gott, das ist die bayerische Begrüßung", grüßt Seehofer die rund 1400 geladenen CSU-Gäste von der Leinwand herab. Aus dem "Chancenland" erzählen zwölf Menschen ihre Geschichte. Ein Whisky-Produzent vom Schliersee, eine Studentin aus München, der Geburtshelfer vom Klinikum Großhadern, Ernst Weissenbacher. Dass er alle fünf Enkel von Edmund Stoiber auf die Welt gebracht habe, und den Sohn von Theo Waigel auch. Wer schon eingelullt ist, den schreckt Edmund Stoiber auf. Er will zehn Minuten reden. Er redet eine halbe Stunde und ruft Seehofer zum Spitzenkandidaten aus. 

Nach zwei Stunden kommt Seehofer auf die Bühne. Er verspricht: "Ich kann euch zusichern, und das sichere ich der gesamten bayerischen Bevölkerung zu: Wir machen konsequent reinen Tisch." Die Angriffe seines Herausforderers Christian Ude (SPD) wehrt er ab: "Eine Partei wie wir, die aufklärt und durchgreift, muss sich keine Diffamierungen von der SPD gefallen lassen, die selbst auch betroffen ist." Und: "Wir bekennen uns zu unseren Fehlern. Aber Schlittenfahren lassen wir mit uns nicht - dafür sind wir zu stolz."

Am Freitagmorgen hatte Ude zugeschlagen. Er forderte den Rücktritt der fünf Kabinettsmitglieder, die ihre Frauen beschäftig hatten. Allen voran Spaenle, der Münchner CSU-Chef ist. "Bayern hat eine schwere Regierungskrise", erklärte er. "Es gibt fünf Aufstocker im Kabinett. In Bayern ist das ein Spitzenverdiener, der Steuergelder drauflegt, um das Familieneinkommen zu steigern", so Ude. 

Unterdessen tat Barbara Stamm alles, damit die Affäre nicht nur an der CSU kleben bleibt. Sie veröffentlichtem am Nachmittag die Namen der Abgeordneten, die seit 2000 Frauen und Kinder beschäftigt haben. Bei der Gesetzesänderung 2000 waren es 79. Davon 56 CSUler. 21 von der SPD, darunter auch Renate Schmid, die 2002 als Familienministerin in die Bundesregierung wechselte. Eine Grüne und ein Parteiloser. 

In der nächsten Legislaturperiode (2003 bis 2008) nutzten noch 46 Abgeordnete ihr Altprivileg: 39 von der CSU, sechs aus der SPD, eine Grüne. Als 2008 das jetzige Parlament zusammentrat, kassierten nur noch 17 CSU-Abgeordnete für Ehefrauen und Kinder ab. FDP und Freie Wähler waren zuvor nicht im Parlament - kamen also nie in die Verlegenheit, die Altfallregelung zu nutzen.