Die Berichte der Abendzeitung zum Thema Familienwirtschaft, 16.05.2013

Stamm verschanzt sich

Abendzeitung , 16.05.2013 

MÜNCHEN Alle sind um Aufklärung bemüht. Die Obersten Rechnungshüter überprüfen seit gestern die Familienbande im bayerischen Landtag. Heute wird das Abgeordnetengesetz im Schweinsgalopp geändert: Ab 1. Juni dürfen im Freistaat Abgeordnete keine Familienmitglieder mehr beschäftigen - und zwar bis zur Verwandtschaft vierten Grades. Das betrifft auch Cousinen und Vettern (siehe Kasten). 

Nur Landtagspräsidentin Barbara Stamm will nicht mehr aufklären. Was der CSU-Mann Georg Winter für seine "illegale Kinderarbeit" an die Staatskasse zurückgezahlt hat, soll ein Geheimnis bleiben. Die Abendzeitung hat jetzt eine Anwaltskanzlei beauftragt, um die Auskunftspflicht, die Stamm als Landtagspräsidentin gegenüber der Öffentlichkeit hat, durchzusetzen.

Gestern verweigerte sie erneut die Beantwortung einer Anfrage. Georg Winter hatte seine damals 13- und 14-jährigen Söhne angestellt, um die kommende Gesetzesänderung zu umgehen. Das war rechtswidrig. Seit Dezember 2000 dürfen Bayerns Volksvertreter keine Ehefrauen und Kinder mehr beschäftigen. Eine unbegrenzte Ausnahme gab es nur für "Altfälle". 

Bereits im November 1999 hatte die AZ öffentlich gemacht, wie Abgeordnete mit ihren Ehefrauen im Landtag abkassieren. Damals hatten 45 Parlamentarier ihre Gattin auf Kosten der Steuerzahler auf ihrer Lohnliste.

Nach den aktuellen Zahlen von Stamm gab es nach der Gesetzesänderung 79 Altfälle, die ihre Ehefrau oder Kinder beschäftigten. Georg Winter war also nicht der einzige, der wusste, was er tat, als er mit seinen Buben noch schnell einen Vertrag schloss. Bereits am Dienstagmorgen hatte die AZ bei Stamm nach den Namen der Abgeordnete gefragt, die noch kurz vor der Gesetzesänderung die Gelegenheit am Schopf gepackt haben - so wie Georg Winter. 

Stamm reagierte überhaupt nicht und verschanzte sich. Erst auf Druck ließ sie dann gestern am späten Nachmittag mitteilen: Während der Prüfzeit des ORH werde es "keine weiteren Verlautbarungen zu Einzelheiten des Prüfungsgegenstandes" geben.

Vor vier Wochen hatte die AZ die Beschäftigungsaffäre in Bayern ausgelöst. Mit einer Anfrage am 15. April wollte sie von Landtagspräsidentin die Anzahl und Namen der Abgeordneten wissen, die immer noch Ehefrauen und Kinder beschäftigen. In einer Pressekonferenz zwei Tage später weigerte sich Stamm, Zahlen und Namen zu nennen. Erst als die AZ drohte, vor Gericht zu ziehen und die Auskunft einzuklagen, knickte Stamm ein und gab die Namen der Familienunternehmen nach und nach heraus.