Die Berichte des Hamburger Abendblatt, 20.10.2007

von Ulrich GASSDORF

Gnadenhof: Neue Vorwürfe gegen Poggendorf

Hamburger Abendblatt , 20.10.2007 

Bernd Grossmann erinnert sich noch gut an den 13. Februar 2003. Um die Mittagszeit fährt die Immobiliensachverständige Katja F. auf dem Gnadenhof des Hamburger Tierschutzvereins (HTV) in Ellerhoop nahe Elmshorn vor. Sie soll ein Gutachten über den Wert des Anwesens erstellen. Doch lange brauchte Katja F. dafür nicht: "Frau F. wirkte sehr gehetzt, war ungefähr 20 Minuten vor Ort. Doch sie hat sich weder das Hauptgebäude, noch die Stallungen von innen angeschaut. Außerdem hat sie sich nicht auf dem Gelände umgeschaut", erinnert sich Bernd Grossmann, der damals als Verwalter auf dem Gnadenhof gearbeitet hat. Den Wert des Anwesens bezifferte Katja F. schließlich auf 620 000 Euro. Kurz darauf hat der HTV den Gnadenhof für 610 000 Euro an Dirk Z. verkauft.
Kein allzu hoher Preis für ein rund 350 Quadratmeter großes Wohnhaus mit diversen Stallungen auf einem rund 100 000 Quadratmeter großen Grundstück.

Jedenfalls interessiert sich auch die Staatsanwaltschaft Hamburg für das Geschäft - es ist Bestandteil der Ermittlungen gegen den HTV-Vorsitzenden Wolfgang Poggendorf wegen des Verdachts der Untreue.
16 Jahre lang hat Bernd Grossmann den Gnadenhof des HTV verwaltet und dort mit seiner Frau Giesela und drei Kindern gelebt. Bislang hatte das Ehepaar über seine Zeit auf dem Gnadenhof geschwiegen - nur in einer stundenlangen Vernehmung durch Beamte des Landeskriminalamtes darüber gesprochen. Doch jetzt bricht das Ehepaar sein Schweigen und erhebt im Abendblatt schwere Vorwürfe gegen den HTV-Vorsitzenden Poggendorf. Dabei geht es um aufwendige Renovierungsarbeiten und vor allem um den umstrittenen Verkauf des Gnadenhofs - bei dem es zahlreiche Ungereimtheiten gibt.
Der Hof wurde an Dirk Z. verkauft, obwohl es dafür durchaus weitere Interessenten gab. Doch die kamen laut HTV nicht infrage. Dazu ist in der aktuellen Ausgabe der HTV-Mitgliederzeitschrift "ich & du" zu lesen: "Sie wollten nicht nur die Gnadenhoftiere nicht übernehmen, sondern hatten große Pläne mit dem Hof, die mit dem Tierschutzgedanken nicht in Einklang zu bringen gewesen wären."

Fakt ist jedoch, dass der Gnadenhof-Verkauf ein großes Verlustgeschäft war: Im Jahre 1986 hatte der HTV den Hof, auf dem in erster Linie "in Not geratene Pferde" untergebracht wurden, für umgerechnet rund 960 000 Euro gekauft. In einer HTV-Bilanz von 1993 wurde der Wert des Gnadenhofs mit 2,43 Millionen D-Mark (etwa 1,2 Millionen Euro) angegeben. Dirk Z. bekam den Gnadenhof zehn Jahre später für die Hälfte - und vom HTV noch ein Geschenk dazu: "Herr Poggendorf hat ihm einen neuwertigen "Fendt"-Trecker einfach so dazugegeben, obwohl ich dafür bereits einen Käufer an der Hand hatte", sagt Bernd Grossmann.

Als er seinen Chef Poggendorf darauf aufmerksam machte, habe dieser nur gesagt: "Das Geld brauchen wir nicht. Der Herr Z. bekommt alle Maschinen."

In der aktuellen Ausgabe der "ich & du" versucht Poggendorf, den Verkauf für nur 610 000 Euro zu rechtfertigen. Allein die "dringend erforderliche Grundsanierung" des Hauptgebäudes habe 150 000 Euro "verschlungen". Dem aber widerspricht Bernd Grossmann: "Das Gebäude war seit 1987 ständig renoviert worden und in einem guten Zustand." Dem Abendblatt gab er Beispiele für aufwendige Renovierungen: "Das Bad im Erdgeschoss war zwar nicht schön, aber eine Sanierung wäre nicht nötig gewesen. Doch Herr Poggendorf ließ das Bad komplett neu machen." Bei einem späteren Besuch des Gnadenhofs soll Poggendorf dann dem Ehepaar Grossmann gesagt haben, dass die Sanierung des Bades 70 000 DM gekostet habe. In einem anderen Fall ist laut Grossmann das rund 15 Quadratmeter große Hundezimmer auf Anweisung von Wolfgang Poggendorf komplett gefliest worden. Vorher hatte hier ein Filzteppich gelegen: "Es wölbten sich einige Holzlatten unter dem Teppich, das wollte ich ausbessern lassen. Doch dann wurde plötzlich der gesamte Raum mit Fliesen ausgestattet."

In der"ich & du" heißt es: "Der Gnadenhof drohte zu einem Fass ohne Boden zu werden und den HTV langsam in den Ruin zu führen." Bernd Grossmann weiß anderes zu berichten: "Es war Herr Poggendorf, der es jahrelang verhinderte, dass wir weitere Pensionspferde, die Geld gebracht hätten, auf dem Gnadenhof aufnehmen." An Geld hat es wohl dennoch nicht gemangelt.

Nach Abendblatt-Informationen erhielt der HTV mehrere Erbschaften, die ausschließlich zugunsten des Gnadenhofs verwendet werden sollten. 

Noch wenige Jahre vor dem Verkauf vererbte etwa Vera Margarete G. die Hälfte ihres Vermögens dem Gnadenhof, darunter eine Eigentumswohnung in Blankenese.

Das Abendblatt hätte gerne Wolfgang Poggendorf, gegen den die Staatsanwaltschaft zurzeit in zahlreichen Fällen wegen des Verdachts der Untreue ermittelt, die Möglichkeit zu einer Stellungnahme gegeben. Aber, wie berichtet, hatte der Hamburger Rechtsanwalt Hartmut Reclam das Abendblatt im Namen des HTV schriftlich dazu aufgefordert, "ab sofort jegliche Anfragen bei unserem Mandanten, seien sie telefonisch, schriftlicher oder elektronischer Art, zu unterlassen". Auch Katja F., die Immobilien-Gutachterin, die häufig für den HTV arbeitet, war nicht bereit, sich zu äußern.