Kein Blick zurück - eine Reflektion unserer Rekonstruktion

Jeder möchte den "Fall Poggendorf" abschließen - sogar Wolfgang POGGENFORF selbst will mit "der ganzen Sache" nichts mehr zu tun haben.

Wolfgang POGGENDORF ist in die Jahre gekommen. Langsam und unsicher öffnet er uns die Tür. Seine Wohnung: Teil einer gediegenen Wohnanlage für Senioren am Rande von Hamburg. Rotes Gesicht, kahler Schädel und mindestens 30 Kilo Übergewicht – der einstige Strahlemann und hochmütige 'Bösewicht' ist kaum wieder zu erkennen.

Als er begreift, dass es wieder um seine Machenschaften im Hamburger Tierschutzverein geht, murmelt er brüchig nur ein paar Worte und schließt seine Wohnungstür mit einem lauten Knall. Auch wenn er uns nur seine Sicht der Ereignisse 2007 schildern sollte, löst das Wort "Presse" bei ihm eine abwehrende Reaktion aus. Uns geht es wie Ulrich GAßDORF - Wolfgang POGGENDORF antwortet einfach nicht. 

Jahrelang manipulierte POGGENDORF Tierschutzverein-Mitglieder und Kollegen, schürte Unruhen und schreckte nicht einmal vor Bestechung zurück. POGGENDORF spielte mit dem Vorstand, nutzte die Mitarbeiter solange aus, bis er sie nicht mehr brauchte.

Rita SPIERING war nur ein Beispiel. Nachdem sie ihn 1995 hinter dem Rücken der Ersten Vorsitzenden als Geschäftsführer eingestellt hatte, war ihr Zweck erfüllt und POGGENDORF zeigte wieder sein wahres Gesicht. In der Position des Geschäftsführers spielte er den Vorstand gegeneinander aus, versuchte soviel Verantwortung und Macht wie möglich zu bekommen. 

Rita SPIERING wollte dieses Spiel dann irgendwann nicht mehr mitspielen, trat 4 Jahre später zurück. In ihrem Rücktrittsschreiben wird ihr absolutes Unverständnis deutlich: "Schon generell halte ich eine faktische Beherrschung des Vorstandes durch den Geschäftsführer- wie es sich tatsächlich darstellt - nicht für satzungs-und gesetzeskonform." 

Robert HEIDEMANN*, ein langjähriger Mitarbeiter des HTV, erinnert sich bei einem Gespräch mit uns an POGGENDORF's harte Hand: „Er duldete weder Fehler, noch Widerstand. Es blieb auch kaum Platz für Protest, denn Poggendorf wusste alles. Er hatte überall seine Spitzel“ 

Es fallen Sätze wie: "Wenn ich will, kann ich aller fünf Minuten erfahren, wo Sie sind und was Sie gerade machen!" 

POGGENDORF macht kein Geheimnis aus seiner Machtposition und viele Mitarbeiter leisten "aus Angst um Ihren Arbeitsplatz" keinen Widerstand. 

Nach der ersten Geschichte im Hamburger Abendblatt meldete sich HEIDEMANN bei Ulrich GAßDORF. Über Wochen versorgte er den Journalisten mit Informationen. Aus Angst vor Entlassung will HEIDEMANN anonym bleiben. „Um nicht den Eindruck einer 'undichten Stelle' zu erwecken, traf ich mich heimlich mit Gaßdorf. Meistens in einer Hotelbar.“ 

Trotz der kontinuierlichen Berichterstattung in der großen Hamburger Tageszeitung weigerte sich POGGENDORF lange sein Amt zu räumen. Selbst nach der Razzia der Hamburger Staatsanwaltschaft, die HEIDEMANN als einen der "schönsten Momente" in dieser Zeit auch heute noch empfindet, versuchte er, seine Fehler einfach auszusitzen. "Als ich von der Razzia erfuhr, wusste ich, da kommt er nicht mehr raus und ich war darüber sehr erleichtert." 

Nach und nach versammelten sich immer mehr engagierte HTV-Mitglieder und einige wenige Mitarbeiter und ratschlagten über eine Taktik, den Vorstand zu kippen. Am 20.12.2007 dann die Erlösung: Der gesamte Vorstand hielt dem öffentlichen Druck nicht mehr stand. POGGENDORF, ELSEN, WECKEL – sie alle traten zurück. 

POGGENDORF hat offenbar gar keine Kräfte mehr - weder für eine inhaltliche Diskussion noch für neue 'Taten'. Scheinbar will er jetzt nur noch vergessen. 

Dem heutigen Vorstand des HTV geht es nicht anders. Auf eine Interviewanfrage von uns antwortete die Leitung knapp: „Unser Ziel ist es, nach vorn zu schauen und alle Aktivitäten und Energien darauf zu richten.“ 

Ein Weg in diese Zukunft sind die neu aufgestellten 10 Regeln des Tierschutzvereins. Nie wieder soll jemand die Chance haben, einen gemeinnützigen Verein so zu seinen (egoistischen) Gunsten 'kontrollieren' zu können. Das ist ein enormer Schritt nach vorne. 

Und das sind die neuen Regeln im HTV: 

  1. Das „Vier Augen“-Prinzip 
  2. Keine „In-sich-Geschäfte“ 
  3. Keine ausschließlichen Geschäftsbeziehungen 
  4. Umgang mit Immobilien und Bankschließfächern aus Nachlässen 
  5. Dokumentationspflicht 
  6. Umgang mit Geldspenden und Schenkungen 
  7. Mündelsichere Kapitalanlagen 
  8. Keine Annahme von Geschenken 
  9. Verbot der Vergabe von Geschenken 
  10. Ahndung von Verstößen 


Wer sich genauer über die Inhalte der 10 Regeln des HTV informieren möchte, kann das auf der Homepage des Tierschutzvereins tun.


Jetzt müssen auch die Mitglieder versuchen, das Vergangene hinter sich zu lassen. Der Tierschutz braucht eine neue Chance. Die Menschen müssen begreifen, dass es in Hamburg jetzt ausschließlich um die Tiere geht und nicht um die einstigen Machenschaften eines Gauners. 

 

(AP/JO) 

Foto: Jenny OPITZ

 

* Name von der Redaktion ansTageslicht.de geändert