Es ist vor allem auf eine Person zugeschnitten, den Oberbürgermeister der Stadt. Wolfgang Tiefensee, SPD, trat 1998 diese Amt an, als Ziehsohn seines Vorgängers, des aus Hannover stammenden Hinrich Lehmann-Grube, einem ehemaligen ‚Westimport’. Der agierte seit 1990 als Motor der Veränderungen in der Nachwendestadt. Sein Erfolgsmodell: den „geräuschlosen, aber im Ergebnis spektakulären Wiederaufbau“ (Süddeutsche Zeitung v. 09.01.2003) zu initiieren.
Bereits Lehmann-Grube entwickelte das weithin bekannte ‚Leipziger Modell’ - eine auf Konsens ausgerichtete, parteiübergreifende Stadtpolitik. Ergebnis: Politische oder inhaltliche Opposition gibt es nur in einzelnen (wenigen) Bereichen, politische Konkurrenz existiert faktisch nicht - das politische Leben ist ganz auf die Person des Oberbürgermeisters ausgerichtet.
Wolfgang Tiefensee führt die Tradition des Leipziger Modells fort. Der charismatische Bürgermeister gibt den Auftritten seiner Stadt in der Öffentlichkeit eine persönliche Note: Bei der offiziellen Bewerbung vor dem Nationalen Olympischen Komitee (NOK) in München am 12. April 2003 gibt er seinem Publikum „Dona nobis pacem“, gespielt auf seinem Cello, zum Besten. Leipzig hat nun ein eloquentes stets freundliches und offenes Gesicht.Es vermittelt Ruhe und Bodenständigkeit. Es ist dasselbe Gesicht, das Porsche als prestigeträchtigen Arbeitgeber nach Leipzig holt und ebenso Milliardeninvestitionen von BMW.
Bundeskanzler Schröder hatte Anfang 2002 Tiefensee als Leiter des Ministeriums „Ost und Verkehr“ in sein Kabinett berufen wollen. Tiefensee lehnt das Angebot ab. Seine Liebe zu Leipzig und das bevorstehende Olympiaprojekt 2012 halten ihn.
Bekanntlich scheitert dieses Projekt im Frühjahr 2004, allerdings nicht an den inneren Leipziger Machenschaften.Die Stadt, die um die 500 000 Einwohnermarke kämpft, ist schlichtweg zu klein, befindet das Internationale Olympische Komitee (IOC). Die „Leipzig kommt“- Strategie – Teil des offiziellen Stadtmarketings – erleidet einen tiefen Einschnitt. Trotzdem: Wolfgang Tiefensee schadet dies nicht; er wird im April 2005 mit 67,1% der Stimmen als OB in seinem Amt bestätigt.
Leipzig und die Leipziger Volkszeitung
Ein Rathaus, in dem es keine (wirkliche) Opposition gibt, ist auch für Lokalredakteure vergleichsweise unspektakulär: Es gibt keine hitzigen Debatten oder strittige Themen und so auch wenig Anlass zu kritischer oder intensiver Recherche – man transportiert ganz unbewußt das Leipziger Modell der Eintracht auch in den Zeitungsseiten.
Der damalige Chefredakteur Hartwig Hochstein der Leipziger Volkszeitung (www.lvz.de) hat dies 2003 in einem Kommentar seiner Zeitung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht (siehe unter Vorbemerkung zu „Olympia“). Begeisterung, Jubel und Hurra für den Traum von Olympia in Leipzig verstellten offenbar den kritischen Blick. Und dies, obwohl die Lokalredaktion der LVZ bei anderen Themen beispielsweise einen anderen begehrten Preis mehrmals zugesprochen bekam: den Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung (1995, 1998, 2002).
Jene Berichte, die Probleme bei diesem Großprojekt sahen oder kritisch analysierten, waren in einem kleinen Medium, der Leipziger Zeitschrift „Kreuzer“, das „Leipziger Stadtmagazin“ (www.kreuzer-leipzig.de), zu lesen (Auflage: rd. 15.000 Exemplare).
Heute präsentiert sich die Leipziger Volkszeitung anders, nicht nur mit neuem Chefredakteur, sondern auch mit veränderter Redaktionsphilosophie. Die LVZ ist zu gleichen Teilen im Besitz der Axel Springer AG; Hamburg und Berlin, sowie dem Verlag Madsack in Hannover. Mit einer verkauften Auflage von runden 220.000 Exemplaren ist sie die unbestrittene Nummer eins in Leipzig und Umgebung. Madsack verlegt ebenso kleinere Umlandausgaben der Volkszeitung.
Andere Medien
Der Mediensektor definiert sich in Leipzig nicht nur über die LVZ oder den Kreuzer. Auch der MDR hat hier seinen Standort. Leipzig verfügt hier – ähnlich wie beim Sport – über eine jahrhundertelange Tradition. Vor rd. 350 Jahren erschien hier die allererste Tageszeitung. Das berühmte „Institut für Zeitungskunde“ unter seinem legendären Gründer und Forscher, Prof. Karl Bücher, ist hier entstanden. Zu Zeiten der DDR war die Sektion Journalistik an der Karl-Marx-Universität das zentrale journalistische Ausbildungsmonopol für alle DDR-Medien. Auch nach der Wende bildet die Journalistenausbildung einen Schwerpunkt der Universität bzw. der Stadt, natürlich unter veränderten Vorzeichen (www.uni-leipzig.de/~kmw/ und www.uni-leipzig.de/journalistik/)