Main-Post, 10.01.2016

Gutmütigkeit wurde ihr zum Verhängnis

MAIN-POST , 25.10.2003 
von Thomas FRITZ

Von der Putzfrau des Rathauses hat Bürgermeister Franz Nagelstutz sein Privatauto reinigen lassen. Zeller Bürger sahen das und es kam zu einer Anfrage im Rat. Nagelstutz gab in geheimer Sitzung den Vorfall zu und versprach, dass sich dies nicht wiederholen wird.

Mehr Folgen hatte der Fall für die Reinigungskraft. Der Bürgermeister änderte die Arbeitszeiten der Beschäftigen so, dass sie ihren Job im Rathaus nicht mehr ausüben konnte. Nun sehen sich beide Parteien vor dem Arbeitsgericht. Die Reinigungskraft leidet unter der Auseinandersetzung mit dem Bürgermeister. Seit 1996 ist die gelernte Floristin bei der Gemeinde Zell als Reinigungskraft für das Rathaus angestellt. Ihr Pflichtbewusstsein ging weit über das "normale Putzen" hinaus. Stets sorgte sie dafür, dass im Eingangsbereich frische Blumengebinde standen. Besucher und Bedienstete sollten sich gleichermaßen wohl fühlen.

Spricht man mit Alt-Bürgermeister Dieter Weidenhammer, der bis 2002 der Chef der Reinigungskraft war, ist er voll des Lobes über die "gute Fee" des Rathauses. Er beschreibt sie als eine hilfsbereite und kreative Frau. "Das Rathaus war immer schmuck", schwärmt er rückblickend, und auf die Reinigungskraft lässt er nichts kommen. Im Gegenteil: "So stellt man sich eine Putzfrau vor", sagt er. "Sie hat durch ihre Tätigkeit die Amtsgeschäfte niemals gestört. Bevor sie in ein Zimmer gegangen ist, hat sie höflich angeklopft, und wenn dort jemand telefonierte, zog sie sich unauffällig zurück", berichtet Weidenhammer.

Bis April 2002 war für die Reinigungskraft die Welt in Ordnung. Dann allerdings kam der Tag, als Bürgermeister Franz Nagelstutz darum bat, sein privates Auto zu reinigen, da er auf die Regierung müsse, wie er sinngemäß gesagt haben soll. Die gute Fee des Rathauses jedenfalls reinigte des Bürgermeisters Wagen, ohne zu widersprechen. Doch wie das Leben so spielt, wurde sie dabei von Zeller Bürgern beobachtet. Und die wussten natürlich gleich, was Sache ist. Schnell sprach sich im Ort herum, dass die "Putzfrau der Gemeinde" des Bürgermeisters Auto säubert.

Dieter Weidenhammer hält diese Geschichte für einen "Skandal". Er selbst habe niemals die Reinigungskraft des Rathauses gebeten, sein Privatauto zu säubern. Schließlich wird den Bürgermeistern in Zell eine pauschale Aufwandsentschädigung von etwa 100 Euro für die dienstliche Nutzung des Privatautos zugebilligt. "Und die Kosten für das Reinigen des Autos sind in dieser Pauschale enthalten", betont Weidenhammer.
Gemeinderat Bernd Jordan sprach in einer öffentlichen Sitzung Bürgermeister Nagelstutz auf die "ungewöhnliche Autoreinigung" an. Daraufhin bekam er eine Rüge vom Ortsoberhaupt.

Personalangelegenheiten seien kein Punkt für eine öffentliche Sitzung, sagte Nagelstutz. Im nichtöffentlichen Teil gab der Bürgermeister dann zu, dass er die Reinigungskraft gebeten habe, sein Auto zu putzen. Es wäre allerdings ein einmaliger Vorgang gewesen, der nicht mehr vorkommen wird. Und zur Änderung der Arbeitszeiten sagte Nagelstutz sinngemäß nur, dass es ihm lästig sei, wenn tagsüber im Rathaus geputzt würde. Nachträglich wurde die Anfrage Jordans auch aus dem Protokoll der öffentlichen Zeller Ratssitzung entfernt. Dies sei in Absprache mit der Rechtsaufsicht des Landratsamtes geschehen, gab Nagelstutz Auskunft.

Am 12. Mai 2003 hat Nagelstutz der Reinigungskraft die Schlüssel für das Rathaus abgenommen, weil sie die neuen Arbeitszeiten nicht akzeptieren wollte. Die Betroffene wollte sich angesichts des laufenden Verfahrens zu den Vorwürfen nicht äußern. Der vorläufig letzte Akt der Geschichte findet am 3. Dezember im Arbeitsgericht Würzburg statt.