Main-Post, 10.01.2016

Wie Franz Nagelstutz um Vertrauen buhlt

MAIN-POST , 21.08.2004 
von Anton SAHLENDER


Bürgermeister Franz Nagelstutz aus der Marktgemeinde Zell am Main irrt, wenn er sich in der Rolle eines Opfers der Redaktion unserer Zeitung sieht.
Er glaubt offenbar, dass hier seine Gegner die Bleistifte spitzen, um ihn politisch zur Strecke zu bringen. Und wenn er es nicht selbst sagt, werfen uns das zwei bis drei ihm geneigte Briefschreiber in seinem Sinne vor. Das ergeht anderen Medien, die über ihn berichtet haben, nicht anders.
Widerspruch und Argumente haben bisher wenig gefruchtet. Der Säuberungseinsatz der gemeindlichen Reinigungsfrau im Nagelstutz'schen Privatwagen, das folgende juristische Nachspiel und die Schmähung der guten Frau beim Zeller Faschingsumzug im Fahrzeug mit dem Ortsoberhaupt bleiben Nagelstutz und seinen getreuen Anhängern ein Dorn im Auge.

Nicht etwa die Fehlleistungen selbst, nein, vielmehr die Berichterstattung darüber in unserer Zeitung. Der Vorwurf der Bürgermeister- Freunde, so brächten wir Zell in Verruf, übersieht Ursache und Wirkung. Es war nicht das Auto eines Redakteurs, das von der Gemeindekraft gereinigt worden ist. Und als die auch noch geschmäht wurde, saß keiner von uns mit dem Bürgermeister im Faschingswagen. Es bringt Deutschland auch nicht in Verruf, wenn man Kritik am Bundeskanzler übt.

Das ist nicht anders mit Zell und Nagelstutz. Die Kontrollfunktion der Presse interpretieren Anhänger des Bürgermeisters freilich anders - gerade dann, wenn es um die Fehlgriffe mit der Reinigungskraft geht.
Wir verstehen, wenn es Nagelstutz gelegen kam, dass das Verwaltungsgericht Würzburg jüngst in seinem Sinne Recht sprach.

Hintergrund: Der Mitarbeiter unserer Zeitung für Zell, Thomas Fritz, hatte mit Unterstützung der Redaktion die Richter angerufen. Nagelstutz gab ihm nämlich auf seine Anfrage nicht alle gewünschten Auskünfte zu Neueinstellungen im Rathaus. Folglich hat Fritz versucht, diese auf dem Rechtswege zu bekommen, weil wir meinen, dass der Bürgermeister seiner gesetzlichen Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen ist.
Das Würzburger Gericht hat Fritz abblitzen lassen. Nun muss der Verwaltungsgerichtshof in München über unsere Beschwerde richten. Wenn dessen Entscheidung vorliegt, werden wir berichten. Erwähnt muss er heute schon sein, der Verwaltungsgerichts-Fall als solcher. Der Bürgermeister nennt ihn am liebsten beim Namen unseres Mitarbeiters, den "Fall Fritz".

Unschuldsvoll macht er das im kostenlos verteilten gemeindlichen Amtsblatt öffentlich. Nagelstutz lässt Gelegenheiten offenbar nicht ungenutzt, für die Verbreitung seiner speziellen Auffassungen über Grenzen für Informationen an die Presse zu sorgen. Da wartet er nicht auf den endgültigen Richterspruch aus der Landeshauptstadt.

Mit seinen Interpretationen von Verschwiegenheit schießt er sogar über das hinaus, was ihm Würzburger Verwaltungsrichter bestätigt haben. Da wird einiges von dem, was im Zeller Rathaus vor sich geht, zur geheimen Kommandosache. Damit buhlt er nun aber auch noch um das Vertrauen der Zeller. Denen hat er versichert, dass er gewiss keine Informationen über ihre Steuerbescheide und andere vertrauliche Unterlagen an die Presse erteile. Das ist brav. Die hat aber zumindest von uns niemand von ihm gewollt - auch wenn Herr Nagelstutz diesen Eindruck entstehen lässt. Der könnte schließlich die eigene Vertrauenswürdigkeit steigern.

Mit der Vertraulichkeit war es beim Ortsoberhaupt nämlich nicht immer so arg weit her. Dafür hat sich Nagelstutz bereits eine Rüge des Landratsamtes eingefangen. Es war ihm wohl selbst nützlich gewesen, Inhalte einer nichtöffentlichen Sitzung auszuplaudern. Das Abstimmungsverhalten einer politischen Gegnerin hatte ihm nicht in den Kram gepasst. Auch dafür fürchten sie ihn, die Kritiker, den Bürgermeister. Er schont sie nicht. Bevor sie sich zur Zielscheibe seiner Reden oder des Amtsblattes machen lassen, sprechen sie lieber hinter vorgehaltener Hand. Ja, das von der Gemeinde finanzierte Amtsblatt hat Nagelstutz zuletzt weidlich für sich genutzt - aus unserer Sicht mehr als es zulässig ist.

Seine amtlichen Ausflüge in den Journalismus zu beurteilen wäre Sache der Rechtsaufsicht des Landratsamtes. In deren Aufgaben möchten wir uns heute aber nicht einmischen. Ins Amtsblatt geschrieben hat der hauptamtliche Zeller Bürgermeister auch: "Wir hoffen, dass nach Vorliegen des Gerichtsbeschlusses sich das Verhältnis von Fritz zu unserem Markt Zell a. Main normalisiert." Was? Fritz' Verhältnis zu der Marktgemeinde war und ist normal! Aber die Geheimniskrämerei des Bürgermeisters gegenüber der Presse gibt nicht nur Fritz Anlass zur Missbilligung. Und Nagelstutz ist wichtig, aber er ist nicht Zell. Eigentlich - das sei hier nach so vielen Zeilen endlich festgestellt - wollten wir uns im "Fall Nagelstutz" in Zurückhaltung üben. Zumindest vor der Weg weisenden Entscheidung des Münchner Verwaltungsgerichtshofes.

Jetzt hat aber Nagelstutz im Amtsblatt mit Auszügen aus einer selbstkritischen Betrachtung zur Rolle der Presse aufgewartet. Sie ist aus der Feder des Chefredakteurs der Neuen Ruhr Zeitung in Essen, Dr. Richard Kiessler, geflossen. Anlass genug, das Oberhaupt (wir meinen, so sieht er sich gerne) der schönen Marktgemeinde vorzeitig zum Thema dieses Beitrages zu machen, der nun doch wieder kritisch ausfallen muss. In unserer Redaktion ist nämlich der Eindruck entstanden, der schlaue Zeller hat uns die Worte des geschätzten Kollegen von der Ruhr gewidmet. Sie haben unser Interesse gefunden. Immerhin hat Kiessler sie in der Herbert-Quandt-Stiftung vor führenden Vertretern der bedeutendsten deutschen Medienhäuser (u.a. Burda, Holtzbrinck) gesprochen. Deshalb sei hier speziell für die Zeller festgehalten, so sie über den Amtsblatt-Abdruck zum Journalismus ("Versuchungen der Macht") von Zweifeln befallen sein sollten: Gerade im Sinne von Kiesslers Rede stehen wir zu dem, was wir bisher über ihren Bürgermeister schreiben mussten.

Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und versichern, dass das so bleiben wird. Wir wollen auch über das informieren, was Bürgermeister Nagelstutz uns nicht sagen will und über das, was er nicht ins Amtsblatt schreiben wird. - Von ihrem Steuerbescheid ist dabei nicht die Rede. Damit kein schiefes Licht entsteht, soll das Positive nicht übersehen werden. Der Marktgemeinderat Zell hat unter der Führung des Bürgermeisters einen ausgeglichenen Gemeindehaushalt verabschiedet. Gegenwärtig eine Rarität, die besonders hervorzuheben ist - selbst wenn er Teile aus dem Zahlenwerk für uns unkenntlich gemacht hat. Der Haushalt soll uns also nach den Ferien noch ein Interview mit Bürgermeister Nagelstutz wert sein. Er hat es uns sogar schon zugesagt.