Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 26.03.2008

von Jörg SCHINDLER

Die gläserne Sammelbüchse

Nach dem Unicef-Skandal ist unter deutschen Hilfsorganisationen ein Wettbewerb um Transparenz entstanden, der die ganze Spendenbranche reformieren könnte. Seht her und schöpft Vertrauen, lautet die Botschaft: Wir haben nichts zu verbergen.

"Die Diskussion führt zu mehr Transparenz im Spendenwesen", sagt Daniela Felser, Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats. Ihre Forderungen nach neuen Gesetzen (siehe Infobox) verdeutlichen aber auch, wie viel bislang im Argen lag. Vom Spendenrat über den Fundraisingverband bis zum Spendensiegel arbeiten derzeit alle an neuen Standards für das Spendengeschäft. Das Imagedesaster von Unicef hat die Akteure der Branche in Aufruhr versetzt. So intransparent und unprofessionell wie bisher wird es nicht weitergehen – das ist die gute Nachricht für Spender.

Die für ihre Transparenz ausgezeichnete Welthungerhilfe geht jetzt voran. Gemeinsam mit anderen Organisationen will sie am 7. April in Berlin verbindliche Regeln zur Kontrolle, Transparenz und zu ethischen Grundsätzen bei Hilfsorganisationen vorstellen.

Danach diskutieren die Mitglieder des Verbands Entwicklungspolitik (Venro), dem mehr als 100 Nichtregierungsorganisationen angehören, über künftige Schritte und das Selbstverständnis der ganzen Branche. Auch die Offenlegung der Gehälter von Führungskräften soll nach FR-Informationen dann zum Standard werden.

Unicef unterstützt die Initiative für mehr Transparenz und hat auch noch mit der Aufarbeitung des Skandals zu tun. Das Kinderhilfswerk greift weiter mit großem juristischem Aufwand bereits erschienene FR-Berichte an. Am 10. April wählen die Mitglieder einen neuen Vorstand.
Das Spendensiegel DZI arbeitet derzeit an einer Verschärfung seiner Kriterien. "Alle Verträge mit externen Beratern müssen uns künftig vorgelegt werden", sagte DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke der FR. Oftmals gebe es "problematische Vertragskonstruktionen mit Fundraising-Agenturen".

Ordnungsämter oft überfordert

Wilke fordert zudem die Gründung einer "Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft" zur Bekämpfung von Kriminalität im Spendenwesen: "Es wäre gut, wenn eine Staatsanwaltschaft sich in dem Sektor besonders auskennt, um unseriöse Dinge zu verfolgen." Auch die sogenannten Sammlungsgesetze der Bundesländer, die das Spendenwesen regeln, müssten strikter durchgesetzt werden. Bislang seien die oft überforderten kommunalen Ordnungsämter für die Aufsicht zuständig.

Wünschenswert seien eigene Landeszentralen zur Überwachung der Spendensammler, wie es sie bislang nur in Rheinland-Pfalz gebe. Diese Behörde könne "intensiver recherchieren, weil sie mit hoheitlicher Autorität ausgestattet ist", so Wilke. "Das ist ein wirksamer Basisschutz für den Spender." In sieben Bundesländern wurden die Sammlungsgesetze jedoch abgeschafft. Die Politik müsse die Gesetze wieder einführen.
Auf Freiwilligkeit setzt der Transparenzpreis, den die Wirtschaftsprüfer Price Waterhouse Coopers zusammen mit der Universität Göttingen vergeben. "Wir gehen in diesem Jahr von einem deutlichen Anstieg der Bewerbungen aus", sagt Lothar Schruff, Professor für Rechnungslegung, dessen Lehrstuhl die Einsendungen auswertet. Schruff bietet allen Spendenorganisationen an, ihre Jahresberichte prüfen zu lassen.

Kritik am Krisenmanagement

Der Unicef-Skandal habe die Diskussion um größere Offenheit beschleunigt, sagt Silvia Stark, Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbandes. "Die Langzeitwirkung schätzen wir positiv ein." Der Verband der professionellen Spendensammler hat seine Mitglieder zu den Auswirkungen des Skandals befragt. Ergebnis: Die öffentliche Diskussion sei eine "Chance, Aufwand und Ertrag bei der Spendengewinnung realistischer darzustellen als bisher". Viel Kritik gab es seitens der Sammelprofis am "sehr schlechten Krisenmanagement" von Unicef. Auch jetzt suchten einzelne Vorstandsmitglieder noch Ausflüchte, obwohl Offenheit angesagt sei, monierten die Fundraiser. Der Verband erarbeitet gerade Richtlinien für ethisches Fundraising und will diese am 18. April auf einem Fachkongress vorstellen.

Was alle Initiativen bewirken werden, ist noch nicht klar, wohl aber die Richtung: Mehr Offenheit gegenüber dem Spender und größere Sorgfalt bei der Verwendung des geschenkten Geldes.