Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 12.04.2008

von Jörg SCHINDLER

Ein ehrbarer Kaufmann soll Unicef retten

Einmal ist Jürgen Heraeus gefragt worden, was ein erfolgreiches Unternehmen ausmache. "Am Ende ist das Vertrauen in das Management entscheidend", hat er da geantwortet – und dass es nicht schaden kann, wenn an der Spitze einer sitzt, der die "moralischen Werte des ehrbaren Kaufmanns" noch kennt. Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum ausgerechnet Heraeus auf seine alten Tage noch mal ein angeschlagenes Unternehmen sanieren soll. Auch bei Unicef könnten sie wieder etwas mehr Vertrauen gebrauchen.

Heraeus hatte keiner auf der Rechnung gehabt. Bevor sich die Mitglieder des deutschen Unicef-Komitees am Donnerstag in eine ganztägige Klausur begaben, waren die abenteuerlichsten Namen auf dem Markt: Norbert Blüm, Rita Süssmuth, Sabine Christiansen, Thomas Anders… So als könne allein ein Star mit seiner Strahlkraft Unicef wieder zum Leuchten bringen. Jetzt ist es doch nur ein 71-jähriger Manager geworden. Aber einer, der darin geübt ist, dicke Bretter zu bohren.

Mehr als ein Grüß-August

Als sich Heraeus am Freitag mit dem neuen Vorstand – darunter als Stellvertreterinnen die Journalistin Maria von Welser und die Ex-Dressurreiterin Ann Kathrin Linsenhoff – der Presse stellte, ließ er denn auch keinen Zweifel daran, dass nicht alles neu, aber vieles anders werden soll. Man werde, versprach er, künftig glasklare Geschäftsberichte vorlegen und neue Standards in Sachen Transparenz setzen. Ähnlich "freihändig" wie in den vergangenen 18 Jahren werde keiner im Komitee mehr Geld ausgeben können. Den neuen Geschäftsführer, der noch zu suchen ist, werde der neue Vorstand deutlich besser kontrollieren als bisher.

Gerade mal 40 Minuten dauerte der Auftritt des hageren Hanauers. Aber die reichten, um klarzumachen: Heraeus wird bei Unicef nicht den Grüß-August geben – er strebt erkennbar in die Chefrolle. Die liegt ihm. Auch das hat er mal gesagt: "Sie müssen ein Unternehmen fest in der Hand halten, das ist keine demokratische Veranstaltung." Das Unternehmen, das Heraeus seit Jahrzehnten in der Hand hält, ist der gleichnamige Edelmetall- und Technologiekonzern aus Hanau. Den formte der Manager binnen 17 Jahren zu einem globalen Unternehmen mit rund 12 000 Mitarbeitern, bevor er sich im Jahr 2000 in den Aufsichtsrat zurückzog. Müßiggang aber ist Heraeus’ Sache offenkundig nicht. Auch heute, mit 71 Jahren, leitet er vier Aufsichtsräte und hockt in etlichen weiteren als Mitglied. Der Theater- und Segelfreund, der angeblich zu den 100 reichsten Deutschen zählt, ist zudem Vorsitzender des Hochschulrats der TU Darmstadt und Präsidiumsmitglied im Bundesverband der Deutschen Industrie.

Und doch ist Heraeus eher ein Unternehmer der alten Schule, einer, den astronomische Managergehälter anwidern und für den der Satz "Eigentum verpflichtet" noch keine Worthülse ist. Daheim in Hanau kennt man ihn denn auch als Mäzen und Sponsor, dort sitzt der Vater von fünf Töchtern zwei sozialen Stiftungen vor. Sein jetziges, ehrenamtliches Engagement für Unicef kommt nicht von ungefähr. Wie der Vielbeschäftigte indes noch die Zeit finden will, das komplette Kinderhilfswerk vom Kopf auf die Füße zu stellen, bleibt einstweilen sein Geheimnis.

Gleichwohl zeigten sich die restlichen Verantwortlichen bei Unicef erleichtert über die einstimmig getroffene Wahl. Heraeus, so meinte etwa Olympiasiegerin Linsenhoff, sei der rechte Mann zur rechten Zeit. Jetzt könne man sich bei Unicef wieder um das Wesentliche kümmern – die Kinder.