Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 04.02.2008

von Matthias THIEME

"Es sind bei Unicef Verstöße festgestellt worden"

Frau Simonis, warum sind Sie zurückgetreten?
Wir haben mit sehr vielen Vorsitzenden der Unicef-Arbeitsgruppen gesprochen, die ihre Wünsche nach Öffentlichkeit, Nachvollziehbarkeit und Transparenz geäußert haben. Diese Punkte hätten jetzt sofort umgesetzt werden müssen. Über die Frage, ob man die Fehler zugibt, die gemacht wurden, bestand Dissens. Ich bin immer für Offenheit, damit alle nachvollziehen können, ob aus den Fehlern auch wirklich gelernt wurde.

Sind Sie rausgeworfen worden?
Ich habe meinen Rücktritt erklärt, als ich gemerkt habe, wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner. Die Mehrheit des Vorstands stand gegen mich.

Ist ein Erneuerungsprozess mit diesem Geschäftsführer überhaupt möglich?
Das kann ich nicht mehr beurteilen. Dafür sind jetzt andere verantwortlich.

Hat der Vorstand die Aufklärung unterstützt?
Derzeit läuft noch ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft. Das Ergebnis dieser Ermittlungen muss abgewartet werden.

Hatten sie den Eindruck, dass Garlichs gegen Sie arbeitet?
Das wäre nicht das wichtigste gewesen. Ich habe 30 Jahre lang Politik gemacht. Da haben oft Leute gegen mich gearbeitet. Da bin ich sturmerprobt und wasserfest. Ich habe sicher auch nicht alles mitbekommen, was Dietrich Garlichs gemacht hat.

Warum haben Sie Garlichs zweimal das Vertrauen ausgesprochen?
Ein Geschäftsführer hat auch dann ein Recht darauf, dass er nicht vorverurteilt wird, wenn die Vorwürfe sehr groß sind.

Interpretiert Unicef den KPMG-Prüfbericht korrekt?
Es haben nicht alle das Ergebnis so aufgenommen, wie es der Vorstand offiziell dargestellt hat.

Unicef sagt, der Bericht zeige, dass alle Vorwürfe falsch seien.
Das stimmt nicht wo es um die Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit geht. Das sind Verstöße gegen Unterschriftenregeln, Vier-Augen-Prinzip, Schriftform von Verträgen und so weiter. So etwas muss nicht juristisch festgelegt werden, sondern das sind die eigen gesetzten Regeln. Daran muss man sich halten.

Sind das wichtige Regeln für eine Spendenorganisation?
Ich halte Regeln nicht nur für eine Spendenorganisation für wichtig, sondern überhaupt für unverzichtbar, damit man Abläufe nachvollziehen kann.

Hat die KPMG Verstöße gegen die Nachvollziehbarkeit der Mittelverwendung festgestellt?
Ja, es sind klare Verstöße festgestellt worden.

Waren Sie entsetzt, als Sie erfuhren, wie viel Geld bei Unicef einfach so auf Zuruf unter dem Tisch durchgegangen ist?
Was gemacht wurde, weiß ich nicht. Aber es gab keine Verträge und somit ist es nicht nachvollziehbar. Ich habe erstmalig aus dem anonymen Brief davon erfahren.

Was sagen Sie den ehrenamtlichen Helfern von Unicef?
Im Moment geht so viel Kraft verloren mit Auseinandersetzungen. Ich finde es falsch, dass diese Energie nicht eingesetzt wird, um die Situation von Kindern zu verbessern.

Wohin können sich Ehrenamtler nach Ihrem Rücktritt wenden?
Meine Büro-Adresse ist bekannt. Aber in dieser Angelegenheit kann ich ihnen nicht mehr helfen.

Ist die Presse schuld an dem großen Glaubwürdigkeitsverlust von Unicef?
Ich werde den Teufel tun und jetzt die Presse an den Pranger stellen. Ich wüsste heute noch nicht, welche Summen für Beraterverträge ausgegeben wurden, wenn es nicht den anonymen Brief gegeben hätte. Medien haben in unserer Gesellschaft auch eine Kontrollfunktion. Das halte ich für äußerst wichtig.

Warum greift Unicef-International nicht ein?
Die gehen offensichtlich davon aus, dass die nationalen Komitees ihre Probleme selbst lösen müssen und haben ein großes Interesse daran, dass es möglichst geräuschfrei abgeht. Rechtlich unterliegen die Komitees der jeweiligen nationalen Gesetzgebung. Unicef Deutschland ist rechtlich ein deutscher Verein.

Wird das Stiftungsvermögen von 89,4 Millionen Euro ausreichend kontrolliert?
Da hätte ich andere Vorstellungen. Das muss stärker kontrolliert werden. Das darf nicht von einem alleine gemacht werden.

Sind Spender ausreichend informiert über den Unterschied zwischen Verein und Stiftung?
Ha! (lacht), das wissen ja manchmal selbst die Unicef-Mitglieder nicht. Das ist eine ganz komplizierte Konstruktion. Wenn es alle wüssten, wäre es besser. Auch das muss künftig anders werden.

Wie geht es für Sie weiter?
Jetzt werde ich mich erstmal von dem Stress erholen. Dann gibt es sicherlich andere Möglichkeiten, wo ich mitarbeiten kann. Und vielleicht lerne ich doch noch Chinesisch.