Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 08.02.2008

von Matthias THIEME

Großspender wenden sich von Unicef ab

Ein hochrangiger Vertreter vom New Yorker Hauptsitz des UN-Kinderhilfswerks will in der kommenden Woche nach Deutschland reisen. Der Leiter der Abteilung private Spenden und Partnerschaften, Philip O’Brien, wolle sich ausführlich mit den Vorwürfen befassen, sagte ein Unicef-Sprecher nach Agenturangaben. Das Kinderhilfswerk sei "sehr besorgt über die Auswirkungen der Affäre auf das Vertrauen der deutschen Öffentlichkeit".

Auch Unicef-Schirmherrin Eva Luise Köhler äußerte sich erstmals zum Skandal: "Das gegenwärtige Erscheinungsbild der Deutschen Komitees für Unicef erfüllt mich mit Sorge", sagte die Ehefrau des Bundespräsidenten. Auch bei den Großspendern gerät Unicef Deutschland zunehmend in Verruf. "Die Kunden rufen zu Hunderten in unserem Call-Center an und wollen ihre Sammelpunkte zurück", sagte Nina Purtscher, Sprecherin des Unternehmens Payback, der FR. Payback-Geschäftsführer Alexander Rittweger forderte Unicef dazu auf, personelle Konsequenzen aus den Vorwürfen zu ziehen. Sonst werde Payback Spenden künftig anderen Organisationen geben. Bislang hat das Unternehmen rund zwei Millionen Euro an Unicef überwiesen. Kunden werden bei Einkäufen Punkte gutgeschrieben, die sie auch an Unicef spenden können.

"Unicef muss transparenter werden", fordert auch der Blumengroßhändler Fleurop. "Unsere Floristinnen stehen jeden Tag im Laden und müssen sich rechtfertigen", sagte Sprecherin Winnie Lechtape. Bei Fleurop können Kunden einen Unicef-Blumenstrauß erwerben, von dessen Kaufpreis vier Euro an das Kinderhilfswerk gehen. Rund 100 000 Euro kommen so jährlich für Unicef zusammen. "Wir haben Unicef vertraut und fordern jetzt ganz klare Rechenschaft", sagte die Sprecherin.

Auch der Konzern Procter & Gamble, der auf Babywindeln für die Spendenorganisation geworben hatte, denkt laut einem Bericht des Berliner Tagesspiegel über die Zusammenarbeit nach. Bei Siemens beobachte man die Situation aufmerksam, teilte Unternehmenssprecher Karlheinz Groebmair mit. Rund zwei Millionen Euro habe Siemens seit 2003 gespendet. Deutsche Post und Ikea spenden nicht über Unicef Deutschland, sondern direkt an Unicef-International. Von Ikea flossen seit 1997 rund eine halbe Million Euro an Unicef.

An der Basis bricht das Spendengeschäft dramatisch ein. Bislang hat Unicef nach eigenen Angaben rund 10 000 Fördermitglieder verloren. Zuletzt hatte Unicef 200 000 regelmäßige Spender.

Erleichtert wird Unicef die Spendensammlung nach FR-Recherchen durch gute Drähte zur Politik. Ihnen ist es zu verdanken, dass Käufer von Unicef-Grußkarten einen Teil des Preises als Spende absetzen können. Diese Regelung sei zwar legal, aber "ziemlich unüblich", heißt es in Kreisen der Finanzverwaltung. Normalerweise lassen Finanzämter eine Aufteilung in Spende und Kaufpreis nicht zu. Die Ausnahme für Unicef geht auf einen Beschluss der Länderfinanzminister vor Jahrzehnten zurück. Zu erklären sei dies durch "gute Lobbyarbeit".

Der entwicklungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sascha Raabe, will Unicef im Entwicklungs-Ausschuss des Bundestages am Mittwoch zum Thema machen. "Unicef-Geschäftsführung und Vorstand müssen zurücktreten", forderte Raabe.