Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 15.01.2008

von Matthias THIEME

Heide Simonis knickt auf ganzer Linie ein

Heide Simonis ist bei der Unicef-Vorstandssitzung in Köln zum zweiten Mal eingeknickt. Die ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende stimmte am Ende der fünfstündigen Sitzung einer Erklärung zu, die Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs entlasten soll.

Bei Unicef habe es weder Verstöße gegen die Satzung, noch gegen Gesetze gegeben, lautet nun die offizielle Interpretation des Berichts der Wirtschaftsprüfer. Auch eine Verschwendung von Spendengeldern soll nicht vorgekommen sein. Dieser Sichtweise hat Simonis sich am Montag zur Überraschung vieler Beobachter angeschlossen. Sogar die Unicef-Lesart, wonach alle Vorgänge betrieblich nachvollziehbar seien und von den Vorwürfen nichts übrig bleibe, trägt die Vorsitzende mit.

Dabei zeigt der Bericht der Wirtschaftsprüfer, der der Frankfurter Rundschau vorliegt, gravierende Managementfehler der Unicef-Geschäftsführung. So wurden oft hohe Summen an externe Berater ausgezahlt, ohne schriftliche Verträge aufzusetzen. "Die den 16 Projekten zu Grunde liegenden Vereinbarungen sind in 8 Fällen seitens Unicef nicht unterschrieben und entsprechen damit nicht der uns vorgelegten Unterschriftenregelung", monieren die Wirtschaftsprüfer der KPMG. Grundsätzlich halten die Prüfer fest: "In vier der fünf von uns untersuchten Sachverhalte wurden Verstöße gegen bestehende Regeln der Vergabe, Durchführung und Kontrolle von Transaktionen festgestellt". Warum diese Verstöße laut Bericht "dem Bereich der Ordnungsmäßigkeit zuzuordnen" seien, erklären die Prüfer nicht.

Ein Verstoß im Bereich der Ordnungsmäßigkeit ist demnach, dass Geschäftsführer Garlichs eine Summe von 300 000 Euro für den Berater L. ohne jegliche schriftliche Vereinbarung ausgezahlt hat.

"Es ist abenteuerlich", sagt ein Insider. "Da gingen Hunderttausender-Beträge einfach so auf Zuruf unter dem Tisch durch."
Auch die Provisionsstaffel, die dem Berater L. sechs bis zwölf Prozent der akquirierten Spenden bescherte und die der FR vorliegt, wurde von Unicef nie gegengezeichnet. Dennoch sind die Provisionen an den Berater gezahlt worden.

Besonders die Zahlung einer bestimmten Provision könnte Unicef-Chef Garlichs weiter in Bedrängnis bringen: Bei einer Spendengala in Berlin sicherte der ehemalige Lidl-Manager Stefan Rohrer dem direkt neben ihm sitzenden Unicef-Chef spontan eine Großspende von 500 000 Euro zu. Von dieser Summe bekam der Berater L. rund 30 000 Euro – obwohl er bei der Vermittlung der Spende überhaupt nicht beteiligt war. "Es war uns nicht bekannt, dass von der Spende eine Provision abgeht", teilt der Lidl-Konzern auf Anfrage mit.

Das Geld wurde nach FR-Informationen über die damalige "Unicef-Kinderstadt" Heilbronn verbucht. Dort wollte man von Unicef auch wissen, was mit den insgesamt 1,6 Millionen Euro an gesammelten Spenden geschah, und bekam eine paradoxe Antwort: Das Geld sei zwar "vollständig" in Projekte für Kinder geflossen, so Unicef, doch "nach dem mit Herrn L. abgeschlossenen Vertrag führten alle im Rahmen der Städtepartnerschaft Heilbronn eingenommenen Spenden (einschließlich der Zuwendung der Firma Lidl) zu einem Honoraranspruch von Herrn L.", heißt es in dem Schreiben, das der FR vorliegt. Insgesamt bekam L. von Unicef 191 500 Euro.

Zurückfordern können die Spender das Geld vom Berater nicht. Die Wirtschaftsprüfer entdeckten nun eine Art Vergleich zwischen Unicef und L., der alle weiteren Ansprüche ausschließt.