Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 16.01.2008

von Matthias THIEME

"Ich bin und bleibe Vorsitzende"

Die Wirtschaftsprüfer stellen Verstöße gegen bestehende Regeln fest. Warum haben Sie dem Geschäftsführer trotzdem das Vertrauen ausgesprochen?
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG kommt nach langen, gründlichen und umfassenden Prüfungen der Vorwürfe, die in einem anonymen Brief gegen Unicef erhoben wurden, zu dem Ergebnis, dass in keinem der untersuchten Sachverhalte Hinweise auf persönliche Bereicherungen oder Vorteilnahmen festgestellt wurden. Den in Rechnung gestellten Beträgen stehen entsprechende Gegenleistungen für Unicef gegenüber und diese entsprechen den geschlossenen Vereinbarungen.
Halten Sie es für richtig, dass hohe Summen ohne Verträge vergeben werden?
Laut KPMG erfolgte die Vergabe von Aufträgen unter betrieblich nachvollziehbaren Rahmenbedingungen. Sicherlich wird hier in Zukunft eine noch größere Sensibilität an den Tag gelegt und alles schriftlich fixiert werden müssen.
Vereinbarungen waren nicht unterschrieben. Warum soll laut Unicef dennoch alles korrekt gelaufen sein?
Zu den festgestellten Defiziten im Bereich der formalen Ordnungsmäßigkeit wird KPMG in etwa zwei Wochen Vorschläge erarbeiten, wie die Kontrolle von Transaktionen gesichert werden kann.
Sehen Sie ein moralisches Versagen der Geschäftsführung bei Unicef?
Dazu gibt das KPMG-Gutachten keinerlei Hinweise. Dennoch wird der Vorstand in Regionalkonferenzen mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen über die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Aktivitäten von Unicef diskutieren und entsprechende Vorschläge erbitten.
Müssten für eine Spendenorganisation nicht besondere Maßstäbe gelten?
Ja, das kann Unicef auch noch für sich in Anspruch nehmen. Das haben wir bei der hinter uns liegenden Diskussion gezeigt. Für jede Organisation gilt es, juristische Fehler zu vermeiden und gegebenenfalls abzustellen. Wirtschaftsunternehmen müssen sich Fragen nach ihrer sozialen Verantwortung gefallen lassen. Spendenorganisationen stellen an sich selber besonders hohe und strenge moralische Maßstäbe.
Wie soll ein Spender verstehen, dass teilweise zwölf Prozent seines Geldes für die Bezahlung von Beratern verwendet wurde?
Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass zwölf Prozent einer Spende immer an Berater fließen. Eine internationale Organisation wie Unicef braucht Beratung und Hilfestellung. Gute Berater bekommt man nicht zum Nulltarif.
Der Vorstand erklärte am Montag mit Ihrer Zustimmung, dass die in der FR erhobenen Vorwürfe falsch seien. Wie passt das zu den im KPMG-Bericht genannten wahren Verstößen?
Da die Sachverhalte öffentlich nicht vollständig bekannt waren, konnten in der öffentlichen Diskussion nicht alle relevanten Fakten berücksichtigt werden.
Wie wollen Sie weiter mit dem Geschäftsführer zusammenarbeiten, nachdem dieser Sie aus dem Amt drängen wollte?
Der Geschäftsführer und ich haben uns vorgenommen, gemeinsam für Unicef zum Wohle der Ärmsten der Armen, nämlich der Kinder der Welt zusammenzuarbeiten.
Was muss oder wird sich nach dem Skandal strukturell bei Unicef verändern?
Der Vorstand wird die Vorschläge zur Verbesserung des internen Managements prüfen und übernehmen. Mit Hilfe unserer ehrenamtlichen Mitarbeiter, die treu zu Unicef stehen, kann und wird es uns gelingen, den Imageverlust zu überwinden.
Was ist Ihre Botschaft an die 8000 ehrenamtlichen Helfer von Unicef, die Aufklärung von Ihnen erwarten?
Unicef hat weiterhin eine wichtige Aufgabe. Wir müssen sie sorgfältig, vertrauensvoll und öffentlich nachvollziehbar verfolgen.
Wie sehen Sie Ihre persönliche Zukunft bei Unicef?
Ich bin und bleibe Vorsitzende, also: gut.