Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 17.12.2007

von Matthias THIEME

Kinderbilder statt Aufklärung

Es ist eine brenzlige Situation, in der Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs heute in Berlin vor die Presse tritt. Als Anwalt der Kinder in den Armutsregionen der Welt möchte Garlichs gerne gesehen werden, wenn er heute das "Unicef-Foto des Jahres 2007" prämiert. Doch mit der Vergabe von Beraterverträgen in Millionenhöhe hat Garlichs das Kinderhilfswerk vor Weihnachten in einen Skandal manövriert, der die Organisation dauerhaft schädigen könnte.

Anstatt seine Ämter bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen zu lassen, scharte Garlichs seine Vertrauten um sich und bezichtigte Kritiker der Polemik. Ein schlechtes Krisenmanagement, wie sich jetzt zeigt: Die Spendebereitschaft sinke dramatisch, klagt Unicef. Spender stellen unangenehme Fragen, die Staatsanwaltschaft ermittelt und die ehrenamtlichen Sammler sind wütend.

Den umstrittenen Unicef-Chef ficht das alles nicht an. Er verweist auf die laufende Prüfung der Vorwürfe, die im Januar abgeschlossen sein soll – nach dem traditionell hoch profitablen Weihnachtsgeschäft. Personelle Konsequenzen aus dem Image-Desaster wurden beim Kinderhilfswerk bislang nicht gezogen. Dabei entzündet sich ein Großteil der Kritik am Geschäftsgebaren und der Ämterverquickung des Unicef-Chefs. Dieser ist nicht nur Geschäftsführer, sondern auch Mitglied des erweiterten Vorstands – und sitzt damit just in dem Gremium, das laut Unicef-Satzung den Geschäftsführer kontrollieren soll.

"Mitglieder des Vorstands dürfen nicht zugleich dem Aufsichtsorgan angehören. Das ist eine Funktionskollision", sagt Wirtschaftsprüfer Rainer Rösl, der für die Gesellschaft Curacon gemeinnützige Organisationen kontrolliert. "Unicef Deutschland hat kein Aufsichtsorgan", kritisiert Rösl. Die Geschäftsführung teilten sich derzeit der Vorstand, der geschäftsführende Vorstand und der bestellte Geschäftsführer. "Ein Aufsichtsorgan ist nicht vorgesehen." Der 2002 in Kraft getretene Deutsche Corporate Governance Kodex würde eine derartige Konstellation verbieten, sagt Rösl. Trotz hoher Spenden-Einnahmen – 97 Millionen Euro im Jahr 2006 – fehle es im Jahresbericht von Unicef an Transparenz, etwa einer genauen Ausweisung der Verwaltungskosten, sagt Lothar Schruff, Professor für Prüfungswesen an der Uni Göttingen. Zusammen mit Wirtschaftsprüfern der Gesellschaft PricewaterhouseCoopers wertet Schruff jedes Jahr Berichte karitativer Organisationen aus. "Die Jahresberichte sind für Spender oft die einzige Möglichkeit, sich über den Verbleib des Geldes zu informieren", so Schruff.

Auch was die Höhe des Jahresgehalts Garlichs angeht, wünschen sich manche Spender mehr Transparenz. Bei seiner Anstellung im Jahr 1989 lag es nach FR-Recherchen noch bei 150 000 Euro Brutto. Zudem wurde für Garlichs eine Lebensversicherung abgeschlossen, über deren Höhe es keine Auskünfte gibt.