Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 12.02.2008

von Matthias THIEME

Neuanfang mit Altlasten

Unicef-Geschäftsführer Dietrich Garlichs arbeitet auch nach seinem Rücktritt weiter. Rückendeckung bekommt er von dem kommissarischen Vorsitzenden Reinhard Schlagintweit. Die Suche nach einem neuen Geschäftsführer "muss nicht durchgepeitscht werden", sagte dieser Nachrichtenagenturen. Er hoffe, dass Garlichs für eine Übergangszeit weiterarbeite. Die Suche nach einem neuen Vorsitzenden sei "eine Frage von Monaten", so Schlagintweit. Als Favoritin für den Vorsitz gilt nach FR-Informationen die Grünen-Politikerin Anne Lütkes, die eng mit Schlagintweit befreundet ist. Lütkes war unter Heide Simonis Justizministerin in Schleswig-Holstein.

Im Unicef-Komitee wächst jedoch die Entrüstung. "Es ist ungeheuerlich, dass Garlichs kommissarisch weitermacht", sagt Komiteemitglied Edith von Welser-Ude. "Ich glaube, dass Schlagintweit überfordert ist." Derweil sind auch die bisherigen Vorstandsmitglieder weiter im Amt, die der Ex-Vorsitzenden Heide Simonis die Hauptschuld an der Krise gaben. "Das fand ich richtig schäbig", so Welser-Ude. Die Vorstandsmitglieder hätten alle Aufklärungsvorschläge von Heide Simonis abgelehnt. "Diese Personen haben sich als ungeeignet erwiesen, um einen Neuanfang zu organisieren", so die Gattin des Münchner Oberbürgermeisters. "Der komplette Vorstand muss zurücktreten." Notfalls werde sie gegen den Willen des Vorstands eine Mitgliederversammlung einberufen, drohte Welser-Ude in einem Brief.

Mitgliederversammlung geplant

Unicef reagierte: In etwa vier Wochen wolle man eine Mitgliederversammlung abhalten, teilte eine Sprecherin am Montag mit. Die Versammlung besteht aus rund 60 Personen, darunter Prominente und Vertreter von Parteien und Kirchen. Sie bilden das oberste Organ des Vereins Unicef Deutschland und wählen den Vorstand. "Der alte Vorstand genießt beim Komitee überhaupt kein Vertrauen mehr", so Welser-Ude.
Wie das Gremium gegen Heide Simonis arbeitete und ihr die Aufklärung erschwerte, zeigen Vorstandsprotokolle der Unicef-Krisensitzung vom 1. Dezember, die der FR vorliegen. Schon damals herrschte im Vorstand Hauen und Stechen. Der Feind: Simonis.

Die damalige Vorsitzende kritisierte, dass es keine schriftlichen Verträge mit Beratern und keine Haushaltsunterlagen zum Umbau der Unicef-Zentrale gebe. Dagegen machte Schlagintweit Druck, wollte wissen, "ob sie die Aussage fallen lasse, der Vorstand sei von der Geschäftsführung nicht unterrichtet worden". Simonis musste versprechen, "sie werde diese Aussage nicht wiederholen". Das Protokoll unterschrieb sie nicht.

Zu dem anonymen Brief, in dem erstmals Verschwendungsvorwürfe erhoben wurden, war Vorstandsmitglied Rolf Seelmann-Eggebert "der Ansicht, dass anonyme Briefe nie berücksichtigt werden sollten". Der Journalist wusste laut Protokoll merkwürdigerweise schon im Voraus, "dass die Prüfung keine Unregelmäßigkeiten ergeben wird".

Allein Rechtsanwalt Jürgen Prinz meinte, dass der 1,3-Millionen-Auftrag an die Firma Dastani durch eine Unicef-Bereichsleiterin, die früher bei Dastani gearbeitet hat, ein "Geschmäckle" habe. Doch am Ende waren sich außer Simonis alle einig und erklärten, "keine Hinweise" auf Unregelmäßigkeiten zu haben. "Der Vorstand spricht dem Geschäftsführer das Vertrauen aus", heißt es zum Schluss.

Zukunft der Stiftung ungewiss

Nach seinem Rücktritt als Geschäftsführer des Vereins Unicef ist Garlichs immer noch einziger Vorstand der Unicef-Stiftung. Wann er diesen Posten abgibt, ist ungewiss. Dort verwaltet er weiter fast unkontrolliert 89,4 Millionen Euro. Ob von diesem Geld auch die teuren Berater bezahlt wurden, will Unicef trotz mehrfacher Nachfrage der FR nicht beantworten. Ebenso wenig wie die Frage, ob die 500 000-Euro-Spende der Firma Lidl für Tsunami-Opfer entgegen den Absprachen in die Stiftung geleitet wurde.