Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 16.01.2008

von Matthias THIEME

Prüfbericht belegt Verstöße

Am Tag nach der Unicef-Vorstandssitzung dominieren einfache Deutungsangebote die öffentliche Debatte. Es gebe keinerlei Hinweise auf persönliche Vorteilsnahme oder Bereicherung, verkündet Unicef, als sei allein der Umstand, dass offenbar keine Gesetze gebrochen wurden, schon eine positive Nachricht für die Spendenorganisation.

Derweil rätseln viele ehrenamtliche Mitarbeiter über den Kniefall ihrer Vorsitzenden Heide Simonis bei der Sitzung in Köln. Die ehemalige Ministerpräsidentin hatte sich in den vergangenen Wochen als Aufklärerin inszeniert und war am Montag im Aufsichtsgremium von Unicef abermals schwer in Bedrängnis geraten.

Nach über fünfstündiger Sitzung war von der sonst eher kämpferischen Simonis für viele Beobachter nur noch eine Frau erkennbar, die aus Angst vor dem Verlust ihres letzten öffentlichkeitswirksamen Amtes Formulierungen mitträgt, die kaum ihrer inneren Überzeugung entsprechen dürften.

So segnete Simonis am späten Abend überraschend eine Unicef-Vorstandserklärung ab, in der es heißt, dass durch den Bericht der Prüfer die von der FR erhobenen Vorwürfe gegen Unicef alle von unabhängiger Seite widerlegt worden seien. Eine Aussage, die bei Fachleuten blankes Erstaunen hervorruft. In vier von insgesamt fünf geprüften Komplexen habe KPMG "klare Verstöße gegen die Ordnungsmäßigkeit festgestellt", sagt Lothar Schruff, Professor für Prüfungswesen an der Universität Göttingen, der den Bericht analysiert hat. "Damit wird gesagt: bei Unicef ist vieles nicht in Ordnung", so Schruff. Der Bericht zeige, dass bei Unicef die "Grundsätze einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung verletzt wurden", so der Professor, "das ist haarsträubend".

Das Papier der KPMG dokumentiere "eindeutig gewichtige Managementfehler" des Geschäftsführers. Dazu gehöre auch, dass in den Jahresberichten zu den Provisionen für Berater "nicht ein Wort zu lesen" sei. Die Sicht von Unicef, wonach der Bericht entlastend sei, kann Schruff nicht nachvollziehen. "Ich sehe darin keinen Freispruch, sondern dokumentierte Beanstandungen", so der Fachmann. "Das ist höchst fragwürdig." Für die Ordnungsmäßigkeit sei der Geschäftsführer verantwortlich. "Da muss reiner Tisch gemacht werden", so Schruff.
Unverständnis auch an der Basis: "Unicef ist unter Garlichs Führung zu einem Wirtschaftsunternehmen verkommen", sagt Herbert Schröder von der Unicef-Arbeitsgruppe Niederrhein. "25 Jahre habe ich den Leuten erzählt, dass ihr Spendengeld bei den armen Kindern ankommt – jetzt ist für mich Schluss."