Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 02.02.2008

von Matthias THIEME

"Stiftungs-Satzung erweckt falschen Eindruck"

Herr Muscheler, was ist aus Ihrer Sicht problematisch an der Unicef-Stiftung?
Mir fallen drei Dinge auf: Erstens besteht der Vorstand nur aus einer Person. Das ist ungewöhnlich bei Stiftungen, die ein so großes Vermögen haben. Zweitens gibt es ein weiteres Organ der Stiftung, das aber laut Satzung nur die Aufgabe hat, den Vorstand zu beraten, nicht aber zu kontrollieren und zu beaufsichtigen. Auch das ist ungewöhnlich. Drittens weist die Satzung ein Stiftungsgrundvermögen von 500 000 DM aus – offensichtlich hat man es nicht für nötig gehalten, das angewachsene Stiftungsvermögen neu und sachgerecht und wahrheitsgemäß in der Stiftungssatzung auszuweisen.

Unicef hat der FR gestern bestätigt, dass das Eigenkapital der Stiftung bei 89,4 Millionen Euro liegt. Was bedeutet es für Spender von Erbschaften, wenn das aktuelle Stiftungsvermögen in der Satzung nicht ausgewiesen ist?
Wenn Erbschaften in den Grundstock der Stiftung fließen, wären dies Zustiftungen. Für diese Zustiftungen gilt seit dem 1. 1. 2007 eine neue steuerliche Vergünstigung. Man kann bis zu einer Million pro Person in den Grundstock einer Stiftung spenden. Diese Zuwendung ist steuerbegünstigt, aber nur unter einer Voraussetzung: Dass in der Satzung diese Zustiftung auch ausgewiesen ist. Das ist bisher bei der Unicef-Stiftung offenbar nicht geschehen, denn dort steht immer noch das anfängliche Stiftungskapital von 500 000 DM in der Satzung.

Werden Zustifter durch die Angabe dieses Betrages getäuscht?
Hier wird ein falscher Eindruck erweckt. Es wäre auch im Interesse der Unicef-Stiftung selbst, wenn das Stiftungsgrundvermögen in der Satzung, die ja auch im Internet steht, wahrheitsgemäß und korrekt angegeben würde.

Ist es eine saubere Lösung, dass der Stiftungsrat ausschließlich mit Vorstandsmitgliedern des Vereins Unicef besetzt ist?
Das ist nicht glücklich gelöst. Wenn der Stiftungsrat den Stiftungsvorstand kontrollieren soll, was bei Unicef für die Zukunft zu empfehlen wäre, dann sollte man tunlichst andere Personen nehmen als diejenigen, mit denen Herr Garlichs im Verein in ein und demselben Organ zusammenarbeitet.

Was ist das Problem, wenn der Stiftungsvorstand nur aus einer Person besteht, nämlich Herrn Garlichs, der gleichzeitig Unicef-Geschäftsführer ist?
Wenn der Stiftungsvorstand aus nur einer Person besteht und zudem der Stiftungsrat keine Kontrollfunktion hat, dann meine ich, dass bei einer derartigen Größenordnung des Stiftungsvermögens zumindest das Vier-Augen-Prinzip bei wichtigen Entscheidungen gewahrt werden sollte. Das ist nicht möglich, wenn der Vorstand nur aus einer Person besteht.

Ist eine solche Konstruktion üblich?
Das ist nach meiner Kenntnis nicht üblich. Das zweite Organ in der Stiftung, der Stiftungsrat, sollte echte Überwachungsaufgaben haben.

Was sollten Erblasser und Spender bei Unicef beachten?
Ich würde drei Dinge fragen. Erstens: Geht meine Zuwendung an den Verein oder an die Stiftung von Unicef? Zweitens: Wenn meine Zuwendung an die Stiftung geht, muss ich selbst festlegen, ob ich eine Zustiftung in das Grundvermögen machen will oder ob ich eine Spende machen will, die Unicef sofort wieder verausgaben kann. Drittens würde ich fragen, ob meine Spende unter einen Spendensammelvertrag mit Honoraransprüchen eines externen Beraters fällt oder ob meine Spende zu hundert Prozent für den gedachten Zweck verwendet wird.

Der größte Teil des Anlagevermögens der Stiftung lagert laut Unicef-Dokumenten beim Bankhaus Delbrück, an dem Unicef-Schatzmeister von der Heydt Mitinhaber war. Halten Sie das für problematisch?
Das halte ich nicht für sachgerecht. Hier könnte es zu Interessenkollisionen kommen.