Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 13.02.2008

von Matthias THIEME

Unicef-Vorstand bricht auseinander

Dietrich Garlichs werde weder als Geschäftsführer noch in anderer Funktion zu Unicef zurückkehren, teilte das Kinderhilfswerk am Dienstag mit, nachdem Garlichs seine Arbeit am Montag zunächst kommissarisch wieder aufgenommen hatte.

Nach FR-Informationen will der geschäftsführende Vorstand heute zurücktreten, um die Entrüstung der Spender zu dämpfen. Der Vorstand müsse seine Posten zur Verfügung stellen, um einen glaubhaften Neuanfang zu ermöglichen, sagte Unicef Vorstandsmitglied und Schatzmeister Peter von der Heydt der FR. Die Wut der Spender trifft Unicef offenbar mit voller Wucht: "In den Fluren stapelt sich die Post mit Beschwerden und Kündigungen", schreiben Unicef-Mitarbeiter der FR. Die Zahl der Kündigungen liege weit über 10 000. "Dass Garlichs nun auch noch dabei ist, mit dem Vorstand in aller Ruhe einen neuen Vorsitzenden und einen neuen Geschäftsführer zu suchen, ist die Krönung der Vetternwirtschaft", so die Mitarbeiter.

Unicef International sei besorgt, dass die Krise das Image der Organisation weltweit belasten könnte, sagte die stellvertretende Unicef-Exekutivdirektorin, Hilde Johnson, am Dienstag in Genf. Der Sondergesandte der New Yorker Zentrale, Philip O'Brien, solle die Entwicklung im Auge behalten. O'Brien wird heute an der Vorstandssitzung in Köln teilnehmen. "Ich meine, dass wir möglichst schnell eine Sitzung des Komitees brauchen", sagte der frühere Siemens-Chef und Komiteemitglied Heinrich von Pierer der FR. Er wolle "aus erster Quelle erfahren, was eigentlich wirklich passiert ist."

Derweil kommen weitere brisante Informationen ans Licht: Eine 500 000-Euro-Spende des Lidl-Konzerns an Unicef für Tsunami-Opfer im Jahr 2005 hat ihren Zweck nach FR-Recherchen bis heute nicht vollständig erreicht. Die Großspende sei definitiv nicht auf das Konto des Vereins Unicef verbucht und für Tsunami-Projekte ausgegeben worden, sondern sei komplett in die Unicef-Stiftung geflossen und an den Finanzmärkten angelegt worden, erfuhr die FR aus dem Unicef-Vorstand. "Von der Spende sollte Tsunami-Opfern geholfen werden", bekräftigt jedoch der ehemalige Lidl-Chef Stefan Rohrer. "Der Wille des Spenders wurde nicht hinreichend beachtet", sagt dazu Karlheinz Muscheler, Stiftungsexperte an der Universität Bochum.

"Doppelt fragwürdig"

Die Großspende sei "ins Stiftungskapital geflossen, das nicht ausgegeben werden darf", so Muscheler. Nur die Rendite stehe demnach real für den Zweck zur Verfügung. Bei einer Verzinsung von 3,5 bis vier Prozent seien dies von der Lidl-Großspende nur 20 000 Euro im Jahr. Dies sei "doppelt fragwürdig", so Muscheler. "Erstens kommt das Geld nicht unmittelbar dem gedachten Zweck zu und zweitens nicht in vollem Umfang." Bei Unicef müssten dringend die Satzungen des Vereins und der Stiftung geändert werden. "Die jetzigen Strukturen verleiten den Geschäftsführer zur Alleinherrschaft", so Muscheler.

Die Folge von Alleinherrschaft: Berater Ulrich Z., der von Unicef ein Honorar von 300 000 Euro bekam, erhielt das Geld teilweise aus Mitteln der Stiftung, erfuhr die FR aus Vorstandskreisen. "Das wusste ich nicht", sagte Ulrich Z. auf Anfrage. "Ich habe meine Rechnungen abgegeben und nie gefragt, von welchem Konto das bezahlt wurde."