Die Berichte der Frankfurter Rundschau, 27.02.2008

von Jörg SCHINDLER

Wie eine Donnerhexe

Da saß sie nun und konnte doch anders. Wochenlang hatte es Heide Simonis, Ex-Ministerpräsidentin und Ex-Kinderschützerin, tunlichst vermieden, die Verantwortlichen der Unicef-Krise beim Namen zu nennen. Wochenlang hatte sie laviert und gezaudert, und selbst nach ihrem Abgang als Vorsitzende hatte sie klare Worte meist gescheut.

Am Montagabend dann war alles anders. Ausgerechnet auf Beckmanns Promi-Beichtstuhl in der ARD berichtete sie erstmals detailliert, wie vergeblich ihr Kampf um Aufklärung gewesen sei, und nannte ihren Hauptgegner beim Namen: Dietrich Garlichs, "Mr. Unicef", so Simonis – auch er inzwischen ein Ex. Sonderlich viel Licht brachte Simonis mit ihrem 40-minütigen Auftritt zwar nicht ins Dunkel der Unicef-Affäre. Erhellend war er gleichwohl: Man weiß nun, dass ihr Rücktritt als Unicef-Vorsitzende Anfang Februar so freiwillig nicht war, wie er seinerzeit dargestellt wurde.

Folgt man Simonis, dann versuchte sie, seit Mitte 2007 ein anonymer Brief in ihrem Kieler Büro eingegangen war, das merkwürdige Geschäftsgebaren in der Kölner Unicef-Zentrale aufzuklären. Dort jedoch habe die Geschäftsführung "Zahlen hin und her geschoben". Als Haushaltsexpertin habe sie das nicht durchgehen lassen wollen: "Ich bin da reingekommen wie ’ne Donnerhexe." Das reinigende Gewitter ließ indes auf sich warten. Stattdessen folgte nach Simonis’ Worten ein monatelanges Ringen mit der Mehrheit des Unicef-Vorstandes, der eine gründliche und öffentliche Aufarbeitung der Vorwürfe habe verhindern wollen. Tatsächlich wuchs bei Unicef der Druck auf die Frau aus dem Norden, die selbst ihr Vorgänger und vorläufiger Nachfolger Reinhard Schlagintweit am Ende nur noch als "Problem Simonis" wahrnahm.

"Nicht misstrauisch genug"

"Die haben es drauf angelegt, mich loszuwerden", sagte sie. Anfang Februar sei gerade mal einer der Verantwortlichen so "fair" gewesen zu sagen: Frau Simonis, das stehen Sie diesmal nicht durch. "Die anderen haben sich nicht getraut." Schließlich kapitulierte die Vorsitzende: "Wir haben so viel Kraft damit verbraucht, uns gegenseitig zu bekämpfen, dass es besser war zu gehen."

Ob sie selbst Fehler gemacht habe, wollte Reinhold Beckmann wissen. Darauf Simonis: Sie hätte "noch misstrauischer" sein müssen gegenüber Garlichs. Und sie habe geglaubt, der anonyme Briefeschreiber werde mit der von ihr gewählten Form der Aufklärung zufrieden sein. Das war er wohl nicht: Nachdem er einige Monate vergeblich gehofft hatte, informierte er die Frankfurter Rundschau.