Sie wurde auf der Stelle gekündigt. Und weitere 11 Mal. Als Beweis musste ein angebliches Schriftstück herhalten, aus dem die Verfehlungen von Andrea FUCHS hervorgehen solten. Allerdings: Das Papier ist gefälscht. Andrea, die sich jetzt vor dem Arbeitsgericht wehren musste, sah sich genötigt, die Echtheit dieses Dokuments vor Gericht in Zweifel ziehen zu lassen und schaltete – wegen Urkundenfälschung – die Staatsanwaltschaft ein. Folge: Die Bank kündigtr ihr daraufhin weitere Male – weil sie ihren Arbeitgeber verleumden würde.
Zunächst kann Andrea Fuchs nur wenige Prozesse für sich entscheiden. Und jetzt laufen auf einmal auch die merkwürdigsten Gerüchte in der Bankenbranche umher:
- Andrea habe ein sexuelles Verhältnis mit dem Auftraggeber des Wertpapiergeschäfts,
- das Geschäft sei nur ihrer „Phantasie“ entsprungen, um sich hohe Boni zu erschleichen,
- sie habe ihre Vorgesetzten nicht vollumfänglich über das anstehende Geschäft informiert,
- sie sei eine „Lügnerin“.
- Undsoweiter.
Die gekündigte Wertpapierhändlerin weiß: Einen Job in der Bankenbranche wird sie nie wieder bekommen. Überall begegnet man ihr mit Misstrauen. Die Banken, bei denen sie sich bewirbt, haben bereits von ihrem ehemaligen Arbeitgeber – vorsorglich – Post bekommen: Kopien einiger Arbeitsgerichtsurteile, bei denen sich die Bank durchsetzen konnte, sowie die harschen Schriftsätze der Bank an die Gerichte.
Langsam jedoch bahnt sich jedovj die Wahrheit ihren Weg. Die für Insidergeschäfte zuständige Behörde, das Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen (BAFin), konstatiert in einem Untersuchungsbericht klipp und klar, dass die Topbanker die Informationen nicht hätten weitergeben dürfen.
Andrea FUCHS nutzt dies nichts. Sie erfährt davon nichts. Die Bank behauptet in allen weiteren Arbeitsgerichtsprozessen und wider besseres Wissen, dass Andrea im Unrecht sei und deswegen entlassen werden musste. Und auch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main die beiden Bankmanager wegen des eindeutigen Fehlverhaltens mit einer Geldbuße nach § 153 a der Strafprozessordnung belegt hat, erwähnt die Bank mit keinem Wort. Andrea selbst kann es nicht wissen: keine Akteneinsicht.
Sie erfährt es erst später. Aus den USA. Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC, die Wind von der Sache bekommen hat und für den ursprünglichen Aktienverkäufer tätig wird, lässt sich die Akten aus Deutschland kommen. Jetzt erfährt auch Andrea davon. Die deutschen Richter aber wollen es nicht wissen und geben zunächst der Bank Recht. Erst ab 2004 verbessern sich Andreas Karten: In einem Wiederaufnahmeverfahren stellen sich mehr als nur formale Fehler heraus – Andrea kann alle 18 Kündigungsschutzprozesse, die sie zunächst verloren hatte, nachträglich für sich entscheiden.
Nachdem ihr Alarmschlagen erst innerhalb der Bank und dann auch durch eine Strafanzeige keine wirkliche Aufklärung bringen konnte, sie selbst nur Nachteile hatte, entschließt sich Andrea Fuchs 2004 die Öffentlichkeit über die illegalen Praktiken zu informieren. In ihrem Buch, in dem jeder alles nachlesen kann: „Die Judasbank“. Die Folge: 2 weitere Kündigungen, Nummer 19 und 20.
2013 – im 16. Jahr – wird Kündigung Nr. 19 vom Frankfurter Landesarbeitsgericht bestätigt. Der Richter, der sich unmittelbar darauf in die Pensionierung verabschiedet, lässt keine Revision zum Bundesarbeitsgericht zu.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht wird nicht angenommen. Und vom Bundesverfassungsgericht wird ihre Verfassungsbeschwerde ebenfalls verworfen. Um zur letzten Instanz zu gehen, dem Europäischen Menschengerichtshof in Brüssel fehlt ihr im Jahr 2017, dem zwanzigsten Jahr der gerichtlichen Auseinandersetzungen, das Geld.
Sie muss aufgeben. Andrea FUCHS, bei der alles im Alter von 35 Jahren begonnen hatte, hat jetzt 20 Jahre ihres Lebens vergeblich gekämpft: gegen die Missstände in ihrer (ehemaligen) Bank und um ihren Arbeitsplatz wieder zurück zu bekommen.