Der 37 Jahre junge Staatsanwalt hatte 1984 begonnen, Anzeigen von Betroffenen nachzugehen: heimwerkenden Familien, die ihr Mobiliar oder ihren Wohnungsausbau mit dem Holzschutzmittel „Xyladecor“ oder „Xylamon“ bearbeitet hatten, einem bekannten und beliebten Heimwerkerprodukt. Das Problem: Beides war hochgradig giftig, nur die Hersteller wussten es. Insgesamt 2.300 Anzeigen von Kranken und Langzeitgeschädigten war SCHÖNDORF nachgegangen, hatte sich in die Chlorchemie eingearbeitet, die neuesten Forschungsergebnisse studiert, Statistiken zusammengestellt und zusammen mit dem Bundeskriminalamt recherchiert. Nach 5 Jahren war die 645seitige Anklageschrift fertig: u.a. gegen die Verantwortlichen der Tochterfirma DESOWAG des auch in Frankfurt/Main ansässigen Chemiegiganten Bayer AG, Leverkusen.
Kein einfaches Unterfangen.
Zunächst gewährt ihm sein direkt vorgesetzter Abteilungsleiter Rückendeckung. Das ist zu Zeiten der rot-grünen Koalition in Hessen. 1987 dann der politische Wechsel: Jetzt geben CDU und FDP den Ton an. Und die Hierarchie, d.h. die Dienstwege bei Staatsanwälten sind kurz: Staatsanwalt > Oberstaatsanwalt/Abteilungsleiter > Behördenleiter > Generalstaatsanwalt > Justizminister.
„b.R.“ lauteten die Anmerkungen auf den internen Berichten, die SCHÖNDORF anfertigen muss: „bitte Rücksprache“ – befiehlt der Generalstaatsanwalt:
- Worin denn der konkrete Straftatbestand liege, den der junge Staatsanwalt sehe?
- Ob er denn auch an die Arbeitsplätze denke, die der Konzern vorhält? U
- und ob er sich im Klaren über die Höhe der Steuereinnahmen für die Kommune sei?
SCHÖNDORF merkt, dass er unter Druck gerät, dass die staatsanwaltschaftliche und politische Obrigkeit seine Ermittlungen deckeln, das absehbare Strafverfahren torpedieren will. Er remonstriert, schreibt Aktenvermerke und hält mit seinen guten Argumenten dagegen. Und er hat - potenziell - Verbündete: Das Gesetz, u.a. das Strafgesetzbuch, stehen auf seiner Seite.