Aber nicht nur darin sieht BIXLER die Probleme. Besonderes Kopfzerbrechen macht ihm als Revisor der Umstand, dass die offizielle Statistik der Arbeitsämter seit Jahren in erheblichem Maße falsch zu sein scheint. Bei 3,7 Millionen registrierten Erwerbslosen (Arbeitslosenquote 9 %) im Jahr 1998 macht sich die Zahl von „3,4 Millionen“ aktiv vermittelter Stellen durch die Arbeitsämter nach außen hin immer gut.
Doch Bixler bemerkt schon lange, dass diese Zahlen manipuliert sind: Die Mitarbeiter konnten davon ausgehen, dass die da ‚oben’ möglichst hohe Vermittlungszahlen stets mit unkritischem Wohlgefallen registrieren und auch öffentlich ‚vermarkten’ würden. Um diesen Erwartungsdruck zu genügen, lassen sie sich viele geeignete Dokumentationstechniken einfallen – zum Beispiel „fiktive SteA“ („fiktive Stellenangebote“) - siehe das Faksimile.
BIXLER thematisiert das Problem in einer Fachzeitschrift, veröffentlicht Leserbriefe in der Mitarbeiterzeitung, schreibt Revisionsberichte, erstellt Vermerke und leitet sie weiter. Doch niemand nimmt sich des Problems an – das Thema ist innerhalb der Arbeitsamtsbürokratie tabu, denn mit seinem rund 50 Milliarden Euro-Jahresetat führt sie längst ein Eigenleben fern von ihren Kernaufgaben..Das merkt BIXLER spätestens als er im September 1998 einen 26seitigen „Revisionsbericht“ vorlegt. Der landet auch beim Präsidenten der „Bundesanstalt für Arbeit“ in Nürnberg, Bernhard JAGODA (CDU). Der „Herr Präsident“ wiederum verkündet lieber im Fernsehen die Erfolge seiner Behörde („1,8 Millionen Stellenvermittlungen im ersten Halbjahr“). Auseinandersetzen will er sich damit nicht.
JAGODA delegiert das Ganze wieder nach unten zurück – mit der Aufforderung, „die Geschäftsvorgänge der Arbeitsvermittlung – im engeren Sinne – auf Plausibilität und Faktizität hin zu untersuchen.“
BIXLER ist frustriert, weist seinen Vorgesetzten nochmals darauf hin, „dass es sehr deutliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass einige Controllingdaten, die wir unseren Kunden, der Geschäftsleitung, monatlich präsentieren, bei weitem nicht über die realen Größenordnungen informieren“. Und ganz konkret meint Bixler: Die „Weitergabe deutlich daneben liegender Informationen“ läuft „auf die Beteiligung am Bau ‚Potemkinscher Dörfer’ hinaus.“
Bei so deutlicher Kritik schlägt die Arbeitsamtsbürokratie zurück: BIXLER's dienstliche Beurteilung, die bisher immer ausgezeichnet war, wird plötzlich von seinem Vorgesetzten herabgestuft.
Als BIXLER Ende 2001 bei einem Weiterbildungslehrgang erfährt, dass sich auch der Bundesrechnungshof (BRH) mit dem Thema beschäftigt, fasst er neuen Mut: Er schreibt an das Bundeskanzleramt. Dort regiert Gerhard SCHRÖDER (SPD).
Weil keinerlei Reaktion aus dem Kanzleramt kommt, wendet sich BIXLER an Bundesarbeitsminister RIESTER. Der reagiert sofort, bestellt BIXLER nach Berlin. RIESTER hat nämlich einen Vorhabenentwurf des BRH-Berichts auf seinem Schreibtisch liegen: 71% (!) der amtlichen Vermittlungszahlen sind manipuliert! Und BIXLER kann erklären, wie diese gefälschten Zahlen zustande kommen.
Anfang 2002 geht dann alles ganz schnell.